
© Sönke Möhl/dpa
Brandenburg: Doch Landesgeld für Altanschließer
Bisher sind im Entwurf des Brandenburg-Haushalts für 2017/18 keine Mittel für die unrechtmäßigen Anschlussbeiträge eingeplant. Die SPD-Landtagsfraktion will das nun ändern – wie zuvor Linke und CDU.
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Potsdam - In der Debatte um die Rückzahlung von Altanschließer-Beiträgen von einer halben Milliarde Euro wird Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nun von seinen Genossen im Landtag überholt. Während Woidke bislang eine Beteiligung des Landes an den Kosten für die Rückzahlung unrechtmäßig eingetriebener Anschlussbeiträge ablehnte und die Verantwortung den Kommunen und Zweckverbänden zuschrieb, schwenkte die SPD im Landtag nun auf die Forderung der Linken in der rot-roten Koalition, aber auch der Opposition ein. Fraktionschef Mike Bischoff sagte am Donnerstag bei der Vorstellung der Ergebnisse der zweitägigen Fraktionsklausur: „Ich bin fest davon überzeugt, dass das Land Brandenburg einen spürbaren Beitrag zur Lösung leisten wird.“ Der Landtag werde im Doppelhaushalt 2017/18 Finanzmittel zur Verfügung stellen, erklärte Bischoff. Bislang ist im Haushaltsentwurf der Landesregierung kein Geld dafür eingeplant. Nach Bischoffs Worten soll nun also im Zuge der parlamentarischen Haushaltsberatung nachträglich ein Posten für die Altanschließer in den Haushalt geschrieben werden.
Anlass für die Äußerung war ein von den Landtagsfraktionen CDU und Grüne in Auftrag gegebenes Gutachten des Parlamentarischen Dienstes des Landtages. Es bestätigt weitestgehend die Ergebnisse eines von der Landesregierung beauftragten Gutachtens. Demnach könnte sich das Land an der Finanzierung der vom Bundesverfassungsgericht Ende 2015 für unrechtmäßig erklärten Altanschließerbeiträge beteiligen, muss es aber nicht. In dem neuen Gutachten des Parlaments heißt es: „Das Land kann als Gesetzgeber Beitragsrückerstattungen anordnen. Dieser Eingriff in die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ist nur gerechtfertigt, wenn das Land den betroffenen Kommunen daraus entstehende dauerhafte und unzumutbare Finanzierungslücken angemessen ausgleicht.“
Mehrere Wege werden geprüft
In zwei Wochen soll zudem der zweite Teil des von der Landesregierung beauftragten Gutachtens vorliegen. Darin werden Lösungsvorschläge für das komplexe Problem vorgelegt. Auch das hundert Seiten starke Landtagspapier zeigt Ansätze auf, etwa durch Beiträge, Gebühren und Haushaltsgelder der Kommunen und des Landes. Das könnte sich etwa nicht nur an der Erstattung der unrechtmäßig eingezogenen Beiträge beteiligen, sondern auch an der Rückzahlung von Beiträgen, die zwar unrechtmäßig sind, gegen die aber nicht geklagt wurde und die daher nach bundesdeutschem Recht doch bestandskräftig sind. Es gebe mehrere Wege mit Vor- und Nachteilen – und „nicht nur eine gerechte Lösung“.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sieht sich durch das Gutachten bestätigt. Ob und in welcher Weise das Land betroffene Aufgabenträger finanziell unterstützt, sei danach der Entscheidung von Landesregierung und Landtag vorbehalten. „Es ist also eine politische Frage. Nichts anderes hat auch die Landesregierung bislang immer vertreten“, so Schröter.
Petke (CDU): "SPD und Linke müssen endlich aus der Furche kriechen"
Für CDU-Kommunalexperte Sven Petke dagegen belegt das Gutachten Gestaltungsspielraum der Landesregierung bei der Rückzahlung von Altanschließerbeiträgen. „Jetzt, wo rechtliche Klarheit über den Handlungsspielraum herrscht, müssen SPD und Linke endlich aus der Furche kriechen und ihrer politischen Gestaltungspflicht nachkommen“, sagte Petke. Das Land dürfe nicht zusehen, wie ganze Kommunen in ein finanzielles Chaos schlitterten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen November entschieden, dass die Beiträge für Anschlüsse bis zum Jahr 2000 unwirksam sind. Damit haben Bürger, die gegen ihre Bescheide Widerspruch eingelegt haben, Anspruch auf Rückzahlung. Strittig ist aber, ob auch Bürger, die ohne Widerspruch gezahlt haben, im Interesse des Rechtsfriedens ihr Geld zurückbekommen.
Woidke hatte kürzlich erklärt, dazu könne das Land zwar nach der Auswertung des Rechtsgutachtens, dessen zweiter Teil im September vorgestellt wird, nun Empfehlungen abgeben. „Aber die Entscheidung, ob und in welcher Art und Weise Geld zurückgezahlt wird, müssen die Kommunen treffen“, so Woidke. Innenminister Schröter sagte nun: „Dann haben wir eine fundierte Grundlage, auf der Landesregierung und Landtag gemeinsam das weitere Vorgehen abstimmen und Lösungsvorschläge entwickeln können.“
Rückzahlungen von etwa 200 Millionen Euro
Nach Schätzungen des Brandenburger Städte- und Gemeindebundes und des Wasserverbandstages belaufen sich die rechtlich klaren Rückzahlungen an die Bürger auf insgesamt 200 Millionen Euro. Wenn auch die bereits rechtswirksam gewordenen Bescheide, bei denen Bürger ohne Widerspruch gezahlt haben, zurückerstattet werden, kämen rund 400 Millionen Euro hinzu. Dies könnte einige Kommunen in finanzielle Schieflage bringen.
Hinzu kommt die politische Gerechtigkeitsfrage nach der Gleichbehandlung. Sowohl bei der Linken als auch bei der CDU wird es als höchstproblematisch angesehen, wenn nur jene eine Rückzahlung bekommen, die Widerspruch eingelegt oder geklagt haben. Deren Beitragsbescheide also nicht rechtskräftig wurden. Dies wird unweigerlich zu neuer Unzufriedenheit bei jenen führen, deren Bescheide bestandskräftig sind – und an die nach der reinen Lehre und dem Urteil aus Karlsruhe kein Geld zurückgezahlt werden muss.
Linke-Landtagsfraktionschef Ralf Christoffers favorisiert bekanntermaßen einen Fonds, um die gesamten Kosten für alle Altanschließer – mit und ohne Rechtsanspruch auf Rückzahlung – abzufangen. Er hätte sich, so wiederholte er am Donnerstag, eine Lösung dieses drängenden Problems schon vor der parlamentarischen Sommerpause gewünscht. Christoffers’ Ansatz dabei ist, dass die Verbände und damit die Grundversorgung der Bürger abgesichert werden muss. Es geht dabei um die Frage der staatlichen Daseinsvorsorge. Auch Verbandsfusionen dürften aber dabei aus Sicht der Linken kein Tabu sein.
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