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Brandenburg: Dönerskandal weitet sich aus

In Berlin und Brandenburg wurden 14 Tonnen Ekelfleisch verkauft. Es kann auch Häute und Hufe enthalten

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Berlin/Potsdam/Memmingen - Berlin und möglicherweise auch Brandenburg sind von dem aktuellen Fleischskandal deutlich stärker betroffen als zunächst bekannt. Berlins Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linke) geht jetzt von 14 Tonnen minderwertiger Ware aus, die von Ende Juli bis Mitte August als Döner in der Hauptstadt verkauft und komplett verzehrt worden ist – die letzte bisher bekannte Ekelfleisch-Lieferung kam am 12. August aus Bayern bei einem Dönerproduzenten in Berlin an. Am Dienstag war noch von 1,7 Tonnen die Rede. Gesundheitsschädlich sei das Fleisch nicht gewesen, sagte die Senatorin.

Wie gestern bereits berichtet, wurde das nicht zum Verzehr geeignete Fleisch der Handelskategorie 3 (K3) von einem Drehspieß-Hersteller in Berlin-Mitte verarbeitet. Ein schwäbischer Fleischhändler hatte die als Tiernahrung vorgesehene Ware in mutmaßlich betrügerischer Absicht zuvor umetikettiert und als „lebensmitteltauglich“ geliefert.

Nach Angaben des brandenburgischen Verbraucherschutzministeriums ist noch offen, ob auch vom Berliner Hersteller nach Brandenburg gelieferte Dönerspieße Gammelfleisch enthalten haben. In den Lieferunterlagen des Berliner Produzenten seien sechs märkische Imbisse aufgeführt, die im besagten Zeitraum beliefert worden sind. Derzeit werde überprüft, ob die Fleischspieße noch vorhanden sind und ob sie möglicherweise bayerisches Gammelfleisch enthalten, sagte Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade in Potsdam. Das betreffe jeweils einen Imbiss in Potsdam, Brandenburg/Havel, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming, Märkisch-Oderland und Oder-Spree. Vertreter der Kreise nähmen dort Proben und blickten in die Lieferbücher.

Der Berliner Dönerhersteller habe außerdem Imbisse in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen beliefert.

Das zuständige Lebensmittelaufsichtsamt in Berlin-Mitte hatte gestern bei einer Durchsicht der Lieferlisten des Berliner Empfängers festgestellt, dass eine wesentlich größere Menge K3-Fleisch als zuvor angenommen dort verwendet worden ist. Die Menge könne bei der weiteren Prüfung der Dokumente noch steigen, hieß es. Denn nach ersten Erkenntnissen der zuständigen Staatsanwaltschaft am Sitz des schwäbischen Fleischhändlers in Wertingen hat dieser insgesamt zwanzig Tonnen der minderwertigen Ware umetikettiert. Wohin die restlichen sechs Tonnen gegangen sind, wird derzeit ermittelt. Auch die Landeskriminalämter von Bayern und Berlin sind eingeschaltet.

Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im bayerischen Memmingen zufolge war das Fleisch ursprünglich aus Berlin nach Schleswig-Holstein verkauft und von dort als „K3“-Ware nach Wertingen geliefert worden. Nach der illegalen Umetikettierung in Bayern sei das Fleisch als genusstauglich an den Döner-Produzenten nach Berlin geliefert worden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft richten sich auf einen 56-jährigen Beschuldigten sowie gegen dessen Ehefrau, die Geschäftsführerin der geschlossenen Firma ist und von den Manipulationen nichts gewusst haben soll. Auch gegen den Lieferbetrieb in Schleswig-Holstein werde ermittelt. Der Vorgängerbetrieb der jetzt geschlossenen bayerischen Firma war nach Angaben des Dillinger Landratsamtes bereits 1990 im Zusammenhang mit einem Fleischskandal geschlossen und der jetzt Beschuldigte damals zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Nach den derzeitigen Erkenntnissen der Behörden hat die betroffene Berliner Döner-Firma von der minderen Qualität des angelieferten Fleisches nichts gewusst. Laut Amtsveterinär Thomas Fischer vom Lebensmittelaufsichtsamt in Berlin-Mitte werden die Döner-Drehspieße aus einer „Wurstmasse“ gepresst, die Rind- und Geflügelfleisch enthält. Hinzugefügt werden kleinere Fleischbrocken- und Reste, die beim Zerlegen der Tierkörper zu Filets oder Vordervierteln abfallen. Diese Fleischstücke sind laut Fischer „für den Verzehr in Ordnung.“ Sie werden zu Fleischplatten gepresst und tiefgefroren für 1 bis 2,50 Euro pro Kilo an Wurst,- Buletten- oder Dönerhersteller verkauft. Nach der EU-Richtlinie für tierische Fleischprodukte können in der K3-Tonne auch Häute, Klauen und Blut bis zu Geflügelgerippen und Innereien landen. Einzige Bedingung: Sie dürfen nicht bakteriell belastet sein.

Entsprechende Fleischplatten habe auch der Döner-Hersteller in Mitte bestellt. Stattdessen bekam er zum obigen Preis aber falsch deklariertes „K3“- Fleisch geliefert, das im Einkauf nur etwa 40 Cent pro Kilo kostet. Dieses wird beim Schlachten als lebensmitteluntauglich aussortiert. „Möglicherweise enthält es zu viel Blut, weil es von der Einstichstelle stammt, an der man einem Tier die Halsschlagader durchtrennt“, erklärt Fischer. Es können aber auch wegen eines zu hohen Keimgehaltes beanstandet sein. Bei der Tiernahrungsproduktion sei dies unproblematisch, weil das Fleisch hoch erhitzt werde. Als Lebensmittel komme es aber nicht in Frage. Bei der Gesundheitsverwaltung geht man allerdings davon aus, dass die gefälschten Fleischlieferungen bakteriell unbedenklich waren. Das hätten Tests der bayrischen Behörden an weiterem K3-Fleisch ergeben, das noch in der schwäbischen Firma lagerte.

K3-Fleisch wird gleichfalls tiefgefrostet transportiert. Da Döner-Hersteller ihre Lieferungen nur kurz angetaut in der Zerkleinerungsmaschine zu Fleischbrei verarbeiten, habe die betroffene Firma die mindere Qualität der Ware möglicherweise nicht erkannt, vermutet der Amtsveterinär. Berlins größter Döner-Produzent Remzi Kaplan widerspricht. „So etwas sieht und riecht man.“ (mit dpa und pet)

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