Brandenburg: Doppeltes Gehalt, Auto, Ausland
Endspurt auf dem Lehrstellenmarkt: Unternehmen in Berlin und Brandenburg buhlen um Auszubildende
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Berlin - Karl-Dietmar Plentz kämpft um die Guten. Der Bäcker aus Schwante nördlich von Berlin hat schon viel gemacht, um Auszubildende zu werben. Er hat mit Schülern eine zwei Meter hohe Torte gebacken, bei einem Imagefilm zum Bäckerhandwerk mitgeholfen und sich eine Belohnung ausgedacht. Schafft ein Azubi bei ihm die Zwischenprüfung, darf er eine Weile bei befreundeten Betrieben in Italien, Spanien oder Frankreich mitarbeiten. „Die haben dann in Bordeaux Baguette backen gelernt“, erzählt Plentz.
Unternehmen in Berlin und Brandenburg buhlen heute stärker um Nachwuchs als früher. Nach Einschätzung der Handwerkskammer Potsdam versuchen Betriebe längst, sich besser zu vermarkten. Sie loben in Stellenanzeigen ihr Betriebsklima und werben für die Möglichkeit, bei ihnen Zusatzqualifikationen erwerben zu können, zum Beispiel in einem zusätzlichen Schweißerkurs. „Das war vor zehn Jahren noch nicht so“, sagt Sprecherin Ute Maciejok. Bei manchen Firmen bekämen Azubis Laptops gestellt oder dürften den Firmenwagen mitbenutzen.
Was die Unternehmen antreibt, ist der Mangel an geeigneten Bewerbern.
Die Unternehmen wollen die Guten – und in manchen Regionen und Branchen brauchen sie überhaupt Bewerber. Deren Zahl gehe nämlich oft zurück, berichtet eine Sprecherin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin. Auch bei der Bundesagentur für Arbeit waren im Mai weniger Menschen gemeldet, die in der Region einen Ausbildungsplatz suchten, als ein Jahr zuvor. Trotzdem gab es in Berlin im Mai noch knapp 2000 gemeldete Bewerber mehr als Plätze. In Brandenburg immerhin waren 500 Plätze mehr gemeldet als Interessenten.
„Das wäre ein Tipp für Berliner Jugendliche: Schaut nach Brandenburg“, sagte ein Sprecher der Regionaldirektion. Aber auch dort müssen ihre Wünsche mit denen der Unternehmen zusammenpassen.
Matching nennen das die Experten. Für den Bäckerjob mitten in der Nacht aufstehen? Nicht immer ist es das, was junge Erwachsene wollen.
Auf der anderen Seite fehlen einer Firma vielleicht solche Bewerber, die gut in Mathematik sind. Die Handwerkskammer Berlin hat für solche Fälle die Abteilung „Passgenaue Vermittlung“ eingerichtet, die Bewerber und Betriebe zusammenbringen soll.
Aber um passgenau vermitteln zu können, müssen junge Menschen überhaupt da sein. In Brandenburg und in Berlin schrumpft die Zahl der Schulabgänger. Das zeigen Zahlen des Statistischen Landesamts.
Verließen Ende des Schuljahres 2004/2005 mehr als 36 000 junge Leute die Brandenburger Schulen, waren es 2012/2013 gerade mal noch knapp 19 000. Auch in Berlin ging die Zahl zurück. Etwa die Hälfte wolle heute außerdem studieren, schätzt ein Sprecher der IHK Potsdam.
„Wir kriegen schon in der Summe zu wenig Bewerber“, sagt der Berliner Gastronom Gerd Spitzer. Für seine sechs Restaurants sucht er 30 angehende Köche und Kellner. Er war beim Arbeitsamt, der IHK, hat Zeitungsannoncen geschaltet. „Wir haben wirklich alles schon getan, glauben Sie mir.“ Jetzt bietet er Azubis ein doppeltes Monatsgehalt: 960 Euro statt 480 Euro im ersten Lehrjahr. Damit liegt das neue Gehalt beim 1,5-fachen Tariflohn, der für Spitzers Unternehmen nicht Pflicht ist, weil er nicht im Gaststättenverband ist.
Dass Geld ein Anreiz ist, sagt auch der Mitarbeiter der IHK Potsdam.
Viele Jugendliche aus Brandenburg wanderten nach Berlin ab. In manchen Branchen und Betrieben, wo ein Tarifvertrag gilt, steht ihnen in Berlin mehr Geld zu als in Brandenburg. Die Restaurantkette Marché hatte eine andere Idee und bietet ihren fünf besten Azubis in Deutschland ein Auto. Bäcker Plentz wiederum setzt eben auf das Angebot, mit einem EU-Förderprogramm einen Monat ins Ausland zu gehen. Er sei in einer glücklichen Ausbildungssituation, sagt er. Vor zwei Jahren habe er sogar fünf Abiturienten eingestellt. „Und das als Bäcker.“IHK BERLIN]IHK POTSDAM]
Julia Kilian
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