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Premiere. Die drei Brandenburger Regierungschefs waren erstmals gemeinsam zu erleben.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Drei Männer, ein Land

Landeschefs erzählen von 25 Jahren Aufbauarbeit

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Frankfurt (Oder) - Noch nie waren die drei brandenburgischen Landesväter bislang gemeinsam öffentlich aufgetreten. Am Dienstagabend trafen sich Manfred Stolpe, Matthias Platzeck und Dietmar Woidke (alle SPD) als amtierender Regierungschef auf Einladung von „Märkischer Oderzeitung“ und rbb in Frankfurt (Oder), um auf ein Vierteljahrhundert Land Brandenburg zurückzublicken.

Die Ausgangslage sei vor 25 Jahren alles andere als einfach gewesen, erinnerte sich der 79-jährige Stolpe, der von 1990 bis 2002 Ministerpräsident war. „Es war schwer, aus drei DDR-Bezirken ein Land zu machen. Aber wir wussten, was wir wollten. Wir mussten versuchen, das Land Brandenburg wieder in die Herzen der Menschen hineinzubekommen.“ Auch deshalb seien damals bei jeder Veranstaltung unzählige der rot-weißen Brandenburg-Fahnen aufgestellt und die Landes-Hymne von Gustav Büchsenschütz (1902–1996) „Steige hoch, du roter Adler“ gesungen worden – „obwohl ich wirklich nicht gut singen kann“, so Stolpe.

Neben der schwierigen Identitätsfindung stand die mitunter als „Streusandbüchse“ verspottete Region auch vor dramatischen Umbrüchen. „Nahezu jede Woche mussten wir jemanden aus dem Kabinett bestimmen, der wieder zu einem von Abwicklung bedrohten Betrieb fährt“, erinnerte sich Stolpe-Nachfolger Matthias Platzeck, der in den 1990er-Jahren Brandenburger Umweltminister war und bei der Oderflut 1996 als „Deichgraf“ bundesweite Bekanntheit erlangte. Alternativen hätten sie den Leuten zumeist nicht anbieten können – außer wegzuziehen.

Dem Kohl-Versprechen von den bald blühenden Landschaften im Osten habe niemand in Potsdam geglaubt, sagte Stolpe. „Für uns war es deshalb vorrangiges Ziel, Industriekerne zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen.“ Dabei wurden eine ganze Reihe Fehler gemacht, oft aus Unerfahrenheit, wie Stolpe einräumte. Vom Land hochsubventionierte Großprojekte wie die Cargolifter-Halle in Brand, der Lausitzring oder die Chip-Fabrik in Frankfurt (Oder) liefen gegen die Wand. Eine weitere Niederlage für Stolpe war die gescheiterte Fusion mit Berlin im Jahre 1997. Politiker aus Berlin verspotteten damals das Stolpe-Land als „kleine DDR“, ein Begriff, der vor allem dem Ministerpräsidenten später anhing.

Platzeck, der Stolpe 2002 als Landeschef beerbte, erbte auch viele der ungelösten wirtschaftlichen Probleme mit. Trotzdem verteidigt er die Großprojekte bis heute. Wer immer auf Nummer sicher gehen wolle, werde kein Land verändern, sagte der 61-Jährige. Sowohl der Lausitzring als auch die Cargolifter-Halle, in der sich heute das Tropical Island befindet, hätten Arbeitsplätze geschaffen, wenn auch anders als ursprünglich gedacht.

Mittlerweile hätten die Märker ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt und nicht nur gegenüber den Berlinern einige Vorzüge, resümierten die drei SPD-Politiker. „Der Brandenburger hat stärkere Nerven und einen längeren Atem“, sagte Stolpe. „Der Brandenburger braucht relativ lange, bis man ihn gewonnen hat, wenn man ihn aber irgendwann hat, ist er sehr treu und zuverlässig“, so Platzeck.

Vor allem habe jedes Kind, das in Brandenburg geboren wird, eine Perspektive, betonte Dietmar Woidke: „Das war vor 25 Jahren diametral anders.“ Der 53-jährige Liebhaber von Rockmusik, der vor zwei Jahren das Regierungsamt von Platzeck übernahm, wünscht sich für die Zukunft seines Landes wieder mehr Gemeinsinn und Solidarität unter den Menschen.

Mit Blick auf die wachsende Zahl von Asylbewerbern appellierte er an die Brandenburger, sich für Flüchtlinge einzusetzen. „Wir müssen Integration leben.“ Er sei der festen Überzeugung, dass dies das Land positiv beeinflussen könne. Platzeck warb dafür, dass sich jeder einen Ruck geben solle. Mitgefühl und Solidarität müssten noch mehr Raum in der Gesellschaft bekommen. Er wünsche sich, dass man die Schicksale der Flüchtlinge einmal auf sich herunterbreche und sich frage: Wie sehr würde ich mich freuen, wenn es woanders ein paar offene Arme gibt, die mich empfangen? Markus Geiler

Markus Geiler

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