
© M. Thomas
Straßen verfallen: „Durch diese Politik wird Landesvermögen vernichtet“
Die regionale Bauwirtschaft wirft den Landesregierungen in Berlin und Brandenburg vor, durch zu geringe Investitionen in das Straßennetz Arbeitsplätze zu gefährden und die Substanz der Infrastruktur aufs Spiel zu setzen.
Stand:
Potsdam/Berlin - Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) müsse umgehend die vom Abgeordnetenhaus bereits gewährten 25 Millionen Euro für die Schlaglochsanierung freigeben, forderten der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes, Axel Wunschel, und der Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft, Reinhold Dellmann, am Mittwoch gemeinsam in Berlin. Der rot-roten Landesregierung Brandenburgs warfen beide vor, die Mittel für Planung, Bau und Erhalt von Landesstraßen drastisch zu kürzen. Durch die ausbleibenden Investitionen seien bis zu 400 Arbeitsplätze in Gefahr, warnte Dellmann.
Laut der aktuellen Haushaltsplanung der brandenburgischen Landesregierung für die Jahre 2013 und 2014 sollen in zwei Jahren für den Bau und die Pflege der rund 9500 Kilometer Straße in Landesverwaltung 19,9 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das sind laut Dellmann, der früher selbst Verkehrsminister in Brandenburg war, gerade noch 23 Prozent der Summe, die 2011 bereit gestellt wurde. „So wenig Geld gab es noch nie“, sagte der Chef der Fachgemeinschaft. Das bedeute, so Wunschel, in Brandenburg könne 2014 eigentlich fast gar nichts mehr neu gebaut werden.
Zwischen 2009 und 2014 ergibt sich Dellmann zufolge damit allein beim brandenburgischen Landesstraßen-Budget eine Lücke von rund 80 Millionen Euro. Pro Mitarbeiter würden im Straßenbau etwa 200 000 Euro pro Jahr erwirtschaftet, erläuterte der Verbandschef. Demzufolge würden den Betrieben durch die Kürzungen die Umsätze für 300 bis 400 Mitarbeiter fehlen, sagte Dellmann. „Es findet bereits Personalabbau statt. Unternehmen berichten zudem, dass sie keine Azubis mehr einstellen wollen.“ Eine Alternative, solche Einbußen abzufedern, hätten die auf Straßenbau spezialisierten Betriebe zudem nicht, da sie zu 95 Prozent auf Aufträge der öffentlichen Hand angewiesen seien, meinte Dellmann.
„Wir können den jungen Leuten einfach keine Perspektive mehr bieten“, bestätigte am Mittwoch etwa Bernd Malcharek, Geschäftsführer der Rask Brandenburg GmbH aus Hoppegarten (Märkisch-Oderland). „Noch haben wir zwar keine Stellen abgebaut, wir denken aber darüber nach. In anderen Betrieben ist es definitiv schon passiert“, berichtete Malcharek.
In Berlin gleichen viele Straßen bereits heute Buckelpisten, mahnten Dellmann und Wunschel. „Der Zustand des Fahrbelages am Kottbusser Tor verdeutlicht unübersehbar, in welches Dilemma sich Berlin in den vergangenen Jahren hineinmanövriert hat. Seit Jahren schon investieren das Land Berlin und die Bezirke nur unzureichend in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes. Schon die derzeit nicht freigegebenen 25 Millionen Euro seien für den Erhalt des Straßennetzes entschieden zu wenig Geld, so Wunschel. Aber selbst diese Gelder würden derzeit zum größten Teil blockiert. „Das ist ein Unding.“
Dem Land Brandenburg wirft Wunschel vor, sich am unrühmlichen Beispiel Berlins zu orientieren. „Berlin lebt bereits seit rund 15 Jahren auf Kosten der Substanz, Brandenburg geht nun auch diesen Weg.“ Allerdings, glaubt Wunschel, geht die Rechnung nicht auf: „Was man heute spart, muss man morgen doppelt ausgeben“, warnte der Verbandschef. Würden erste Schäden an einer neuen Fahrbahn nicht repariert, stünde bald eine komplette Sanierung an. „Durch diese Politik wird Landesvermögen vernichtet“, sagte auch Reinhold Dellmann.
Dem ADAC Berlin-Brandenburg zufolge beläuft sich der Investitionsstau bei der Instandhaltung in Brandenburg auf rund 500 Millionen Euro und in Berlin sogar auf 600 Millionen Euro. In Brandenburg sei man quasi verpflichtet, für den Erhalt der Straßen zu sorgen, sagte Jörg Becker, Leiter Verkehr beim ADAC, am Mittwoch. Schließlich seien viele Straßen nach der Wende mit Fördermitteln der EU und des Bundes gebaut worden. „Nun muss man auch das Ganze erhalten. Diese Erwartung hat man sicher auch bei der EU und beim Bund.“ Matthias Matern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: