Brandenburg: Ein Abflug mit Folgen REAKTION AUF WOWEREITS ANKÜNDIGUNG
Welche Konsequenzen hat der Rücktritt für den Pannen-Flughafen und das Verhältnis zum Nachbarn Brandenburg?
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Also am Tag nach Klaus Wowereits Rücktritt. Am 12. Dezember 2014, 24 Stunden später, wird der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft tagen, deren Vorsitzender Berlins Regierender Bürgermeister mehr als ein Jahrzehnt war. Bis auf jene Unterbrechung im Jahr 2013, als er nach zwei abgesagten BER-Eröffnungsterminen zurücktrat, das Amt für ein paar Monate an Matthias Platzeck abgab, bis er es nach dem Rücktritt des brandenburgischen Regierungschefs wieder erbte. Die Geschichte, das Desaster des Pannenprojektes, ist untrennbar mit dem Namen Wowereit verbunden. Keiner kennt die Hintergründe so gut wie er. Niemand steckt, zumindest seit dem Debakel, so tief im Stoff wie Wowereit. Und nun soll, wie er selbst sagte, am 12.Dezember die wichtigste Sitzung seit Ewigkeiten sein, auf der Flughafenchef Hartmut Mehdorn einen Eröffnungstermin nennen soll.
Diese Abfolge – die er selbst bewusst wählte – lässt Raum für neue Spekulationen, auch darüber, wie es nach dem Rücktritt Wowereits als Flughafenaufsichtsratschef mit dem ins Trudeln geratenen größten Infrastrukturprojekt der Hauptstadtregion eigentlich weitergehen soll, überhaupt wie es um den BER bestellt ist. Zwar will Mehdorn den neuen Flughafen in Schönefeld im Jahr 2016 eröffnen, wie eindeutig aus dem Tagesspiegel vorliegenden Unterlagen des Flughafenchefs für den Aufsichtsrat hervorgeht. Das ist Mehdorns ehrgeiziges Ziel. Doch es ist eben noch lange nicht ausgemacht, dass dies erreicht werden kann, Mehdorn im Dezember tatsächlich bereits einen Eröffnungstermin nennen kann. Die Bedingung ist, da sind sich Berlin, Brandenburg und der Bund einig, dass er hundertprozentig stehen muss. Kommt Wowereit der nächsten Pleite zuvor? Oder setzt er darauf, sich wenigstens mit einer guten Botschaft verabschieden zu können?
Noch sind die Rückstände und Probleme auf der Baustelle des Hauptstadtflughafens, die Wowereit hinterlässt, groß. In den „Sprint“-berichten Mehdorns für den Aufsichtsrat und dessen Vorsitzenden Wowereit sind die entscheidenden Ampeln immer noch „Rot“. Die Brandschutz- und Entrauchungsanlage funktioniert immer noch nicht. Die Sanierung im Terminal – etwa in den „Deckenhohlräumen“, hinter denen sich ein Kabelsalat offenbart – kommt nur langsam voran. Es sind neue Brandschutzprobleme aufgetaucht. Selbst das kleine Nordpier, ein profanes Gebäude, in dem Mehdorn eigentlich ab März 2014 die ersten Passagiere abfertigen wollte, bis er seinen Plan des „Testbetriebes“ aufgeben musste, ist nicht von der Bauaufsicht Dahme-Spreewald abgenommen. Gleichzeitig verschärft sich das Kapazitätsproblem des BER dramatisch, wird mit jedem Monat größer, den der neue Flughafen später eröffnet. Denn das Passagierwachstum ist so rasant, dass nach einer neuen Studie 2016 bereits 31 Millionen Passagiere abgefertigt werden müssen, der BER aber nur für 27 Millionen Fluggäste konzipiert ist. Und selbst da gibt es intern Zweifel, ob die überhaupt im falsch geplanten Terminal abgefertigt werden können. Eine Lösung gibt es bisher nicht. Fest steht aber, dass es auch maßgeblich vom neuen Aufsichtsratsvorsitzenden abhängt, ob es mit dem BER was wird und wie teuer der noch wird. Erst recht bei einem Flughafenmanager wie Hartmut Mehdorn, der eigentlich nur eine Autorität akzeptiert, nämlich Hartmut Mehdorn. Wowereit, dies hat Berlins Regierender geschafft, nimmt Mehdorn ernst.
Das Vorschlagsrecht für den Schlüsselposten – in der Gesellschaft der Länder Berlin, Brandenburg und des Bundes – liegt aktuell bei den Brandenburgern. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der zunächst einmal die Landtagswahl am 14. September abwartet, in die er als klarer Favorit geht, äußerte sich zur heiklen Frage am Dienstag sybillinisch. Darüber werde die neue Landesregierung befinden, sagte Woidke, der bislang nicht im Aufsichtsrat vertreten ist. Ob sich das ändert, gilt als offen. Zugleich wird mit Wowis Abflug in Berlin, Brandenburg und im Bund die Forderung wieder laut, einen externen Fachmann, etwa aus der Wirtschaft mit Erfahrungen in Großprojekten, als Chefkontrolleur zu nehmen. „Brandenburg muss sich für einen Flughafen an der Spitze einsetzen“, sagte etwa CDU-Parteichef Michael Schierack. Und quer durch alle brandenburgischen Parteien, mit Ausnahme der FDP, hofft Brandenburg nun auf neue Bewegung in Berlin bei der Forderung nach einem strengeren Nachtflugverbot am BER, das nicht zuletzt am Veto Wowereits scheiterte. Die Frage sei weiter „auf der Agenda“, sagte Woidke.
Doch nicht nur am BER verändert der Rückzug Wowereits die Koordinaten, auch in der Hauptstadtregion insgesamt. Zwar betonte Woidke die enge Zusammenarbeit beider Länder. Die sei besser als irgendwo sonst in Deutschland, „allen Unkenrufen zum Trotz“, sagte auch Matthias Platzeck, der frühere Regierungschef Brandenburgs, der mit Wowereit zehn Jahre die Hauptstadtregion gemeinsam regiert hatte. „Wir haben am Ende immer vernünftige kooperative Lösungen hinbekommen.“ Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Gerade in den letzten zwei, drei Jahren gingen Berlin und Brandenburg – die einst mal fusionieren wollten – zunehmend getrennte Wege, ob in der Schulpolitik oder bei den Gefängnissen. „Der Rücktritt birgt die Chance auf einen Neustart, in allen Fragen der Entwicklung der Hauptstadtregion“, reagierte Christian Görke, Finanzminister und Parteichef der Linken. Die Ergebnisse seien in den letzten Jahren „ernüchternd“. Das Verhältnis sei „maßvoll zerrüttet“, sagt auch der Potsdamer Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. Es gebe nun „die Chance, die Zusammenarbeit der Länder Berlin und Brandenburg neu zu beleben“, erklärte CDU-Chef Schierack. Freilich, dafür muss erst einmal ein Nachfolger Wowereits da sein.
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