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Brandenburg: Ein Ausfall mit Folgen

Die AfD bleibt stabil bei 20 Prozent, wäre damit jetzt aber zweitstärkste Kraft, weil die Union abrutscht

Stand:

Potsdam - Brandenburgs CDU verschickte eine knappe Pressemitteilung, in der Generalsekretär Steeven Bretz am gestrigen Freitag den plötzlichen Absturz der Union im Land so kommentierte: „Das Umfrageergebnis ist nicht erfreulich und für uns nicht zufriedenstellend. Die Zahlen sind jedoch nicht vollkommen überraschend“, sagte Bretz. „Diese Stimmung hatte sich bereits bei den jüngsten Landtagswahlen abgezeichnet.“ Gemeint waren die in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, und natürlich zuletzt in Berlin, wo es nirgends gut für die Union aussah.

Nun also Brandenburg. Nach einer aktuellen repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der MAZ käme die Union in Brandenburg in der Wählergunst jetzt gerade einmal auf 17 Prozent. Das ist ein historischer Tiefstand, bei keiner Wahl, bei keiner Umfrage seit 1999 haben die Christdemokraten jemals so schlecht abgeschnitten. Selbst 1994, lang, lang ist es her, als die SPD unter Manfred Stolpe die absolute Mehrheit geholt hatte, waren es 18,7 Prozent. Und das, obwohl sich die Partei unter Parteichef Ingo Senftleben konsolidiert und die Reihen geschlossen hat, die CDU noch im Mai bei 23 Prozent lag, gerade mobil gegen die unpopuläre rot-rote Kreisreform macht? Bretz sprach von „Momentaufnahmen“, und machte dafür vor allem den Bundestrend, den Unionsstreit zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik, verantwortlich. „Wir erwarten, dass sich jetzt CDU und CSU endlich auf eine gemeinsame inhaltliche Linie verständigen.“ Brandenburgs CDU stehe weiter für verantwortungsvolle Politik. Und die könne sich nicht an Umfragen, die Momentaufnahmen blieben, ausrichten. Die CDU werde hart daran arbeiten, den Menschen die Sorgen zu nehmen.

Der CDU-Absturz ist der Ausreißer in der Umfrage. Sonst ist die politische Stimmungslage in Brandenburg nämlich weitgehend unverändert, gegenüber dem Frühjahr und Sommer dieses Jahres. Die SPD, geführt von Ministerpräsident Dietmar Woidke, kann sich mit 30 Prozent – und damit mit Abstand – weiterhin als führende Kraft behaupten, trotz des Dauertiefs im Bund und der Wahlverluste in Berlin. Aber im Vergleich der MAZ- Forsa-Umfragen im Dezember 2015 mit damals 36 Prozent und im März 2016 mit 31 Prozent gibt es auch bei der SPD Rückgänge.

Die Linken, wie die CDU jetzt bei 17 Prozent, kommen auch diesmal nicht aus dem Dauertief seit der Landtagswahl 2014. Die Grünen wären mit sechs Prozent wieder im Landtag. Neu ist allenfalls, dass sich die FDP, die nach dem verfehlten Einzug ins Potsdamer Parlament 2014 zwischenzeitlich in den nicht mehr messbaren Bereich abgerutscht war, mit 4 Prozent wieder Hoffnungen auf eine Rückkehr in den Landtag machen kann.

Und auch die rechtspopulistische AfD, in Brandenburg angeführt von Alexander Gauland, ist stabil geblieben. Sie hat trotz ihrer Wahlerfolge in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin in Brandenburg nicht weiter zugelegt. Nach der Umfrage käme die AfD auf 20 Prozent – im März waren es 19 Prozent (Forsa) und im Mai 20 Prozent (Forsa). Allerdings reichen die 20 Prozent – infolge des CDU–Absturzes – jetzt für einen Effekt mit Symbolwirkung: Die AfD würde, wenn jetzt Landtagswahlen wären, mit diesen 20 Prozent zweitstärkste Kraft in Brandenburg. Die AfD werde in der Bevölkerung inzwischen als „führende Opposition“ gesehen, sagte dazu Parteisprecher Kai Gersch. Das Umfrage-Ergebnis sei Ausdruck des Wunsches vieler Bürger nach politischer Veränderung. Tatsächlich machte die AfD noch etwas anderes glücklich: Ein Erfolg, bei dem es egal sei, wer für die AfD am Mikrofon, vor den Kameras stehe, den Vorsitz innehabe, wie es hieß. Keine Rolle spielt offenbar auch, dass die AfD im Landtag inhaltlich blass bleibt, sich zuweilen sogar lächerlich macht.

SPD-Generalssekretärin Klara Geywitz bewertete das AfD-Ergebnis als „bedrückend“, „in dieser Umfrage direkt nach den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern“, was man als Kritik am Zeitpunkt der Erhebung lesen kann. Denn tatsächlich begann die Umfrage unter 1001 Brandenburgern am 20. September und dauerte sechs Tage. Start war also zwei Tage nach der Abgeordnetenhauswahl in Berlin. Die Befragten standen unter dem Eindruck der Ergebnisse dort. Nicht zum ersten Mal: Auch im März startete die Umfrage direkt nach den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Geywitz sagte über die AfD: „Leider gelingt es dieser Partei aktuell, in einigen Teilen der Bevölkerung Ängste zu schüren und Hass zu verbreiten.“ Jeder fünfte Brandenburger würde sie wählen, etwa doppelt so viele wie bei der Landtagswahl 2014. Da kam selbst bei den Sozialdemokraten keine Schadenfreude über die CDU-Verluste auf. Das CDU-Ergebnis gebe „Anlass zur Sorge“, sagte Geywitz – was sie allerdings nicht davon abhielt, von der Union einen anderen, zahmeren Oppositionskurs zu fordern. Vor allem das strikte Veto der Union gegen die rot-rote Kreisreform, das bevorstehende Volksbegehren, ist der SPD ein Dorn im Auge. „Die CDU hat es sich in der Oppositionsecke gemütlich gemacht“, sagte Geywitz. „Die Union braucht einen Neustart als konstruktive Opposition.“

Drei Jahre vor der nächsten Landtagswahl sind die meisten Brandenburger mit der Arbeit der rot-roten Regierung (57 Prozent) und des SPD-Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (58 Prozent) jedenfalls zufrieden. Die Linken wiederum, Juniorpartner in der Koalition, scheinen sich inzwischen daran gewöhnt zu haben, dass von der Zufriedenheit der Brandenburger mit der rot-roten Regierung nur die SPD profitiert. Linke-Parteisprecherin Anja Maier kommentierte die 17-Prozent-Schwäche so: „Wir freuen uns über den stabilen Wert für die Linke – insbesondere angesichts der aktuell zu beobachtenden Veränderung in der Parteienlandschaft in Brandenburg, aber auch bundesweit.“ Allerdings räumte die Linke ein, dass viele Bürger das „Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Politik verloren“ hätten. Nun müsse man mit Zuversicht und Mut statt Angst und Machtlosigkeit verloren gegangenes Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Demokratie zurückgewinnen.

Den Sozialdemokraten kommt die Umfrage ganz gelegen, nach der keine ernsthaften Verfolger in Sicht sind. Bislang sah es so aus, dass Woidke und Geywitz auf dem bevorstehenden SPD-Wahlparteitag in Potsdam am 16. Oktober mit eher schlechten Wahlergebnissen rechnen mussten. Nun konnte Geywitz in einer ausführlichen Erklärung die Umfrage als Anlass nehmen, um den Führungsanspruch der SPD zu bekräftigten: „Wer stabile Verhältnisse will, ist bei der Brandenburger Sozialdemokratie richtig“, sagte Geywitz. „Wir sind die politische Mitte Brandenburgs.“

Mit Blick auf die Wahlen in anderen Ländern in diesem Jahr zeigt sich aber auch: In Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ging der Erfolg der AfD stets zulasten einer der beiden traditionellen Volksparteien. In Schwerin verlor die CDU als kleinerer Partner der SPD. In Mainz traf es nicht die regierende SPD, sondern die oppositionelle CDU. In Stuttgart lösten die Grünen die CDU – die massiv verlor – als stärkste Kraft ab. In Sachsen-Anhalt traf es als Juniorpartner der CDU die SPD. (mit axf)

nbsp;Thorsten Metzner

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