Brandenburg: Ein Mal Abschiebung
Innenminister des Bundes, aus Berlin und Brandenburg im Abschiebezentrum Schönefeld
Stand:
Berlin/Potsdam - Als Staatsmänner wie Fidel Castro und Michail Gorbatschow hier empfangen wurden, brannten sicher noch alle Lampen an dem imposanten Luster in der Eingangshalle des „Hauses 21“ am Flughafen Schönefeld. Als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Brandenburgs Minister für Inneres, Karl-Heinz Schröter (SPD), am Montag über den Marmorfußboden schreiten, leuchten einige davon aber nicht mehr. Das Haus hat seine glorreichen Tage schon lange hinter sich und dient nun einem anderen, nicht im geringsten Sinne glamurösen Anlass. Wo früher Staatsmänner aus Sowjetunion und DDR am Flughafen ankamen, werden heute Menschen abgeschoben.
Das Haus 21, auch Generalsvilla genannt und ursprünglich gar als Hotel für wichtige Staatsgäste erbaut, ist nun das Abschiebezentrum der Bundespolizei in Berlin. Der einstige Speisesaal - nun ein Warteraum für Menschen ohne Bleibeperspektive, der Terrassenblick aufs Rollfeld ist für Viele der letzte Eindruck von Deutschland, bevor sie in ihre Heimatländer geschickt werden.
Die drei Politiker wollten sich vor Ort ein persönliches Bild des Ausweisungsprozesses machen. Erst vor zwei Wochen einigten sich Bund und Länder darauf, schneller und effektiver abschieben zu wollen. Zurzeit wird an einem Gesetzesentwurf gearbeitet. In Berlin etwa leben zurzeit 10 500 Menschen, die zur Ausreise gezwungen werden sollen. Gemeinsam mit Vertretern der Bundespolizei durchlaufen de Maizière, Geisel und Schröter die einzelnen Stationen im Haus. Von der Übergabe der Abschiebeunterlagen von Landes- an Bundespolizei über die Identitätskontrolle der Auszuweisenden bis zur medizinischen Untersuchung und dem Ausharren in den Warteräumen. Erst einige Stunden zuvor hatte die Bundespolizei 124 Menschen von hier nach Moldawien und Albanien abgeschoben. Ein Team aus 40 Betreuern, darunter Ärzte und Dolmetscher, begleiteten sie in einer Chartermaschine. Etwa zwei Mal im Monat gibt es laut der Bundespolizei solche Sammelabschiebungen. Balkanstaaten führen die Liste der Herkunftsländer bei Abschiebungen in Berlin seit Jahren an.
„Wir alle bevorzugen die freiwillige Rückkehr“, sagte de Maizière, ohne die Androhung der Abschiebung funktioniere das allerdings nicht. Aus Berlin kam damals Kritik an den Plänen von Angela Merkel und den Ministerpräsidenten. Die Grüne Fraktionschefin Antje Kapek sprach von einem „Geist der Abschottung“. Rot-Rot-Grün hatte im Koalitionsvertrag festgehalten, dass Abschiebung vermieden werden sollen. Daran hielt auch Andreas Geisel fest. „Wir legen den Schwerpunkt auf freiwillige Ausreise“, sagte er. Abschiebungen seien „ultima Ratio“. Trotzdem gelte „bundesdeutsches Recht auch in Berlin“ und darum zögere man nicht, dieses auch umzusetzen. Auch Abschiebungen nach Afghanistan möchte Geisel nicht stoppen. Schleswig-Holstein etwa stellte sich gegen den Bund und setzte Rückführungen in das Land aus. Auch Brandenburg werde hier nicht versuchen Asylpolitik auf Landesebene zu machen, erklärte Karl-Heinz Schröter.
Damit Brandenburg allerdings illegale Migranten abschieben kann, muss man sie erst einmal finden. Die Behörden tappen bei der Frage nach dem Aufenthalt von mehreren tausend Flüchtlingen aber offenbar weiter im Dunkeln. Das haben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ergeben. Nach Angaben der Behörde sind von den 18 000 Flüchtlingen, die 2015 ohne Kontrolle und Registrierung nach Brandenburg gekommen waren, bisher nur 1000 überprüft worden. Von diesen waren wiederum 15 bis 20 Prozent gar nicht mehr auffindbar. Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg hatte sein Vorgehen mit der Terrorgefahr durch unentdeckt eingereiste Islamisten begründet.
Am Montag krisierte der Flüchtlingsrat Brandenburg die rund 18 000 Ermittlungsverfahren gegen Flüchtlinge. Damit würden Menschen kriminalisiert, die nach Brandenburg gekommen seien, um Schutz zu suchen, hieß es vom Flüchtlingsrat. Er kritisierte die Ermittlungen als „Täter-Opfer-Umkehr“ und warf Rautenberg vor, rassistische Vorurteile zu fördern. Rautenberg hingegen sagte, wer ohne ordnungsgemäße Personaldokumente einreise, setze sich dem Anfangsverdacht einer Straftat aus. Sollte sich bei der Überprüfung herausstellen, dass die Flüchtlinge aus Krisengebieten wie Syrien kommen, würden die Ermittlungsverfahren sofort eingestellt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: