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Schön still hier. Der Wannsee soll nicht von Flugzeugen überquert werden.

© Ch. Mang

Brandenburg: Ein Richter steht zur Verhandlung

Der Mann, der die Flugroute über den Wannsee kippte, ist dort in einem Kanuverein. Der Verdacht der Befangenheit wurde gezielt gestreut

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Berlin/Potsdam - Für den Stammtisch ist dieser Verdacht eigentlich perfekt: dass nämlich der Vorsitzende Richter der 11. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, der am Mittwoch die Wannsee-Flugroute gekippt hat, selbst von dieser Entscheidung profitieren und ein Interesse daran haben könnte. So wurde es jedenfalls aus Kreisen der brandenburgischen Landesregierung aktiv gestreut. Roger Fieting soll in Nikolassee wohnen und Mitglied in einem Kanuverein am Wannsee sein. Also genau dort, wo nach Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER die gestarteten Flugzeuge über die Wannseeroute gen Norden fliegen sollten. Deshalb ist nun davon die Rede, es gebe beim OVG-Urteil ein Geschmäckle.

Gerichtssprecherin Christiane Scheerhorn sagt: „Der reine Umstand, dass jemand im Einzugsgebiet wohnt, führt nicht dazu, dass von Befangenheit auszugehen ist. Ob der Vorsitzende Richter im Flugrouten-Bereich wohnt oder nicht, ist unerheblich.“ Scheerhorn verweist auf Befangenheitsanträge im Verfahren um die Schließung des Flughafens Tempelhof, bei denen es auch um Wohnorte der Richter ging. Sie wurden zurückgewiesen.

Dann ist da noch der Hinweis auf den Kanuverein am Wannsee. Laut Verwaltungsgerichtsordnung ist die Besorgnis der Befangenheit dann begründet, wenn der Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Der Kanuverein Falke ist eine Körperschaft, Fieting ist aber nur einfaches Mitglied. Zudem ist der Verein in der Debatte um die Flugrouten nur durch seine Zurückhaltung aufgefallen. Vereinschef Kai Massoumi sagt: „Wir halten uns aus der Flugrouten-Debatte heraus, wir als Verein sind in keiner Initiative und waren auf keiner Demo.“

Selbst der Anwalt des vor Gericht unterlegenen Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, das die vom OVG für rechtswidrig erklärte Wannsee-Flugroute festgelegt hatte, glaubt nicht an Befangenheit. „Ich sehe keinen konkreten Anlass dafür“, sagt Anwalt Tobias Masing. „Die Mitgliedschaft im Kanuverein begründet diesen Verdacht jedenfalls nicht. Auch die bloße Lärmbetroffenheit zählt nicht. Und bei der Frage eines Reaktorunfalls käme der Verein auch nicht zuerst in Betracht.“ Zudem verweist Masing auf die Rechtssprechung. Bei Lärmbetroffenheit durch Nachtflüge gelte, dass allein die Möglichkeit, den Fluglärm zu hören, noch keine Befangenheit begründe. Er gehe davon aus, dass ein möglicher Sachverhalt, der eine Befangenheit begründen würde, von Richtern offengelegt wird.

Tatsächlich gab es am OVG bereits einen Fall im Zusammenhang mit dem neuen Hauptstadtflughafen BER, bei dem eine Richterin wegen Befangenheit von dem Verfahren ausgeschlossen wurde – aber auf eigenen Wunsch. Im Mai hatte die Bürgerinitiative Kleinmachnow gegen Flugrouten vor dem OVG gegen die Flughafengesellschaft Akteneinsicht erstritten. Die Richterin erklärte zu Beginn des Verfahrens ihre Befangenheit: weil ihr Mann in Stahnsdorf aktiv bei der Initiative gegen Fluglärm mitmache und sie selbst bei Demonstrationen dabei war. Das ist aus Sicht von OVG-Sprecherin Scheerhorn nachvollziehbar. Bei Richter Roger Fieting liege der Fall aber anders. Er habe sich ja nicht vorher eindeutig zum Routenstreit positioniert. Fieting selbst war nicht zu erreichen.

Allerdings gab es am Freitag in Justizkreisen breite Empörung über den aus Brandenburger Regierungskreisen verbreiteten Befangenheitsvorwurf. Ein OVG-Richter werde es tunlichst vermeiden, auch nur einen solchen Verdacht aufkommen zu lassen, hieß es. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sagte: „Die Frage der eventuellen Befangenheit eines Richters gehört ausschließlich in den Prozess. Dort hat sie keine Rolle gespielt“, sagt Heilmann.

Aus Sicht der Kleinmachnower Fluglärminitiative ist der Versuch aus Brandenburg – wo die Vorabstimmungen für die Flugrouten stattfanden –, das OVG-Urteil im Nachhinein mit Gerüchten zu torperdieren, ein Schlag unter die Gürtellinie und unredlich. Zumal bei der Wannsee-Route noch alles offen ist. Das OVG hatte die Route am Mittwoch wegen mangelnder Risikoabschätzung zum Forschungsreaktor Wannsee bei einem Flugunfall oder Terroranschlag zwar gekippt. Bei einer neuen Abwägung kann es aber dazu kommen, dass das Risiko als hinnehmbar erachtet wird. Das Bundesaufsichtsamt prüft obendrein, ob es Revision einlegt. Alexander Fröhlich

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