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Bedarfsgemeinschaft. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind im Land Brandenburg mehr als 280 000 Personen, davon etwa 60 000 Kinder und Jugendliche, von den Hartz-IV-Zahlungen abhängig. Nur Erwachsenen sollen künftig fünf Euro mehr zustehen.

© J. Schlüter

Von Matthias Matern: „Ein Schlag ins Gesicht“

SPD, Grüne und Linke sowie Sozialverbände halten Anhebung für zu gering. Baaske fordert Mindestlöhne

Von Matthias Matern

Stand:

Potsdam - Die von der Bundesregierung neu berechneten Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger stoßen im Land Brandenburg auf heftige Kritik. Vertreter der Landtagsfraktionen von CDU und FDP zeigten sich erwartungsgemäß zufrieden. Politiker von SPD, Linke und Grünen sowie der Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Brandenburg, Andreas Kaczynski, dagegen kritisierten die Erhöhung der Regelsätze um fünf Euro als deutlich zu gering.

„Das ist für die Betroffenen ein Schlag ins Gesicht“, meinte Kaczynski am Montag. Die Berechnungsmethode der schwarz-gelben Koalition bezeichnete er als „statistischen Trick“. Sollte die Neuberechnung ebenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht landen, werde sie erneut kassiert, so Kaczynski. Anfang des Jahres kippte das Gericht in Karlsruhe die 2005 unter der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Hartz-IV-Sätze und forderte die jetzige Bundesregierung auf, deren Höhe nachvollziebar neu zu berechnen. Besonders wurde kritisiert, dass der Bedarf von Kindern nicht ermittelt, sondern frei festgesetzt worden sei.

Angaben der Bundesagentur für Arbeit zufolge sind im Land Brandenburg derzeit rund 280 000 Personen, darunter gut 60 000 Kinder, auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Anders als bei Erwachsenen sollen die Regelsätze für Kinder aber unverändert bleiben. Dafür sollen sie ab 2011 Sachleistungen wie warme Mittagessen, Schulmaterial und ein Budget für Mitgliedschaften in Sportvereinen und für andere Freizeitaktivitäten erhalten.

Das Sachleistungspaket bewertete Kaczynski dagegen als „sehr gut“. Allerdings habe er gehofft, dass sich die Bundesregierung auch Gedanken über eine künftig bessere Finanzierung von kostenintensiven Neuanschaffungen wie Kühlschränken mache. „Wer spart schon monatlich 1,44 Euro für einen neuen Kühlschrank?“ Bereits jetzt hätten Hartz -IV-Empfängern bundesweit mehr als eine Million Kredite abzuzahlen. „Die Methode der Einpreisung von größeren Anschaffungen ist wirklichkeitsfremd.“

Die brandenburgische Landesvorsitzende beim Arbeitslosenverband, Inga-Karina Ackermann, nannte die Beibehaltung der Kinderregelsätze „besonders skandalös“. „Von einer armutsverhindernden und existenzsichernden Grundsicherung sind wir weit entfernt.“

Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) wollte sich gestern zu den Regelsätzen nicht äußern. „Viel entscheidender sind Mindestlohn und Jobs für Langzeitarbeitslose. Die Diskussion zu den Sätzen lenkt davon ab“, so Baaske.

Die sozialpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion im brandenburgischen Landtag, Birgit Wöllert, bezeichnete das Ergebnis als „Skandal“. „Rechnet man die Einsparungen von 650 Millionen Euro Elterngeld dagegen, das Anspruchsberechtigte nach dem Sozialgesetzbuch II nicht mehr bekommen sollen, werden die Ausgaben für die Kinder von den Betroffenen selbst erwirtschaftet“, so Wöllert. Kritisch äußerte sich auch Ursula Nonnemacher, zuständig für Arbeitsmarkt- und Sozialthemen in der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. „Mit einer revolutionären Anhebung hatte ich nicht gerechnet, aber das ist schon extrem enttäuschend.“

Nach Ansicht der arbeitspolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion, Roswitha Schier, habe die Bundesregierung dagegen „Augenmaß“ bewiesen und eine „vernünftige Entscheidung“ getroffen. Andreas Büttner, FDP-Fraktionschef und Sprecher für Arbeit und Soziales, meinte, die Bundesregierung sorge für „bessere Bildungschancen für Kinder aus sozial benachteiligten Familien“.

Die brandenburgische SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein äußerte jedoch Zweifel an der Effektivität. Aus Unkenntnis und Scham würden Sachleistungen, wie etwa das vergünstigte Essen an Potsdamer Schulen, häufig gar nicht abgerufen, so die Politikerin. Ihren Angaben zufolge seien in der Landeshauptstadt derzeit mehr als 4000 Kinder und Jugendliche auf Hartz-IV angewiesen. Vor dem Hintergrund Milliarden schwerer Rettungsmaßnahmen für Banken sei eine Anhebung der Regelsätze um nur fünf Euro bei Erwachsenen und das Einfrieren der Sätze bei Kindern ein „fatales politisches Zeichen“, sagte Andrea Wicklein.

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