Brandenburg: Eine Milliarde Euro mehr
Der Hauptstadtflughafen in Schönefeld wird teurer und teurer. Sechs Milliarden Euro insgesamt und ein Betriebsstart erst 2016 sind nicht ausgeschlossen
Stand:
Schönefeld – Der neue Hauptstadtflughafen in Schönefeld wird teurer und teurer. Die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund müssen sich offenbar darauf einstellen, noch einmal rund eine Milliarde Euro für den BER zu bewilligen. Dabei kostet der mit dem im Vorjahr nach der geplatzten Eröffnung verabschiedeten Rettungspaket über 1,2 Milliarden Euro inzwischen bereits 4,6 Milliarden Euro. Zwar gab es vom Flughafen und dem Aufsichtsrat am Freitag dazu keine Bestätigung. Doch nach einer neuen halbamtlichen Hochrechnung werden noch einmal 1,1 Milliarden Euro benötigt, um den BER fertigzustellen. Das wären rund 400 Millionen Euro, die Brandenburg beitragen müsste.
Die drohenden 1,1 Milliarden gehen aus einem internen Controllingbericht des für den Airport tätigen externen Projektsteuers WSP/CB hervor, aus dem die „Bild“-Zeitung zitierte. Damit würden die Kosten des 2006 beim Baubeginn noch mit 1,9 Milliarden Euro kalkulierten Projekts auf 5,7 Milliarden Euro steigen. Die Summe ist doppelt brisant: In dem Fall wäre ein neues Beihilfeverfahren bei der EU in Brüssel notwendig, da der Puffer aus der letzten Genehmigung vom Dezember 2012 nach PNN-Recherchen allenfalls noch einen Nachschlag der öffentlichen Hand von 600 bis 800 Millionen Euro zuließe. Zum anderen, weil dem Aufsichtsrat das Dokument unbekannt ist, obwohl der erst vor einer Woche unter Vorsitz von Berlins Regierendem Klaus Wowereit (SPD) stundenlang zu den BER-Finanzen beriet - und trotz bohrender Nachfragen von BER-Chef Hartmut Mehdorn und der Finanzmanagerin Heike Fölster keine verlässlichen Zahlen bekam.
Kühl reagierte daher Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke), der den Finanzausschuss des Aufsichtsrates leitet. „Die Zahlen des Projektsteuerers liegen uns nicht vor“, sagte seine Sprecherin Ingrid Mattern den PNN. „Falls diese stimmen sollten, dann wäre es äußerst verwunderlich, dass der Aufsichtsrat keine Kenntnis davon hat. Bislang hieß es immer, dass die Geschäftsführung sich noch nicht in der Lage sieht, eine Kalkulation der Gesamtkosten vorzunehmen.“ Merkwürdig ist aber auch, dass externe Controllingberichte wie zu Zeiten des gefeuerten Flughafenmanagers Rainer Schwarz allein an die Geschäftsführung des Flughafens gehen, nicht parallel an den Aufsichtsrat. Nach der kurzfristig verschobenen BER–Eröffnung hatte der Aufsichtsrat ein neues eigenes Controlling-System angekündigt.
Und selbst die neue Milliarde ist womöglich nicht das Ende. Denn der Projektsteuerer geht dabei noch davon aus, dass der Flughafen 2015 eröffnen kann. Aber das ist ehrgeizig und nach Lage der Dinge kaum noch zu schaffen, eher ist eine Eröffnung zum Frühjahr 2016 realistisch. Der Aufsichtsrat erwartet jedenfalls, dass erst Anfang 2014 ein Eröffnungstermin und die Mehrkosten des Milliardenprojekts genannt werden können, wie der Verkehrsstaatssekretär des Bundes, Rainer Bomba (CDU), am Freitag als Zeuge im BER-Untersuchungsausschuss in Berlin ankündigte. Ursprünglich hatte Mehdorn im Oktober einen neuen Termin- und Kostenplan vorlegen sollen. Obwohl Bomba lange Aufsichtsratsmitglied ist, operierte er als Zeuge im Untersuchungsausschuss zudem mit falschen Finanzierungs-Zahlen. Er sprach erneut von Kosten in Höhe von bisher 4,3 Milliarden Euro, obwohl nach amtlichen Mitteilungen des Flughafens der Jahre 2008 bis 2012 über Eigenmittel der FBB, Darlehen, Eigentümerzuschüsse bereits 4,6 Milliarden Euro zur Finanzierung des Airportes aufgebracht wurden.
Es dauert noch. Allein der Siemens-Konzern braucht für die Brandschutzanlage noch 18 Monate. Schwerer wiegt, dass Siemens nach dem Vertrag mit seinen Arbeiten überhaupt erst beginnen kann, wenn Vorleistungen erbracht wurden – im Terminal das Chaos in den Kabelschächten beseitigt ist. In dem detaillierten Mängelbericht des jüngst degradierten Ex-Technikchefs Horst Amann heißt es dazu: „An ca. 70 Prozent aller Kabel und ca. 20 Prozent aller Kabeltrassen ist Handlungsbedarf gegeben.“ Die müssen erst saniert und neu verlegt sein, es geht um rund 80 Kilometer, bevor Siemens die Brandschutzanlage an sich funktionstüchtig machen kann.
Die Kosten-Zahlen im Controllingbericht sind plausibel. Klar ist, dass in den bisherigen 4,6 Milliarden Euro für den jahrelang unter systematischem Bruch des Planfeststellungsbeschlusses um das Vierfache zu gering kalkulierten Schallschutz 290 Millionen Euro noch nicht eingebucht sind, was nachgeholt werden muss. Die Stillstandskosten beziffert Mehdorn statt vorher 35 Millionen Euro je Monat neuerdings mit 17 Millionen Euro monatlich, was 240 Millionen ausmacht - bis Mitte 2015. 170 Millionen Euro veranschlagt der Projektsteuerer für weitere Planungs- und Baumaßnahmen, 125 Millionen Euro für bereits genehmigte Prognoseerhöhungen.
Allerdings: Der Bericht ist kein Dokument des BER-Managements, lediglich eine Zuarbeit. In der letzten Aufsichtsratssitzung hatte die Geschäftsführung keine exakten Daten und Prognosen liefern können. Weder zu den tatsächlich vom Starttermin abhängigen und damit unsicheren Gesamtkosten, noch konnte der Flughafen genau mitteilen, wie viel Geld von den im Vorjahr bewilligten 1,2 Milliarden Euro bereits gebunden sind, also wirklich benötigt werden. Die Summe fließt bislang nämlich kaum und nur langsam ab, die Kassen des Flughafens sind voll. Und der Aufsichtsrat wundert sich zunehmend, dass der Flughafen zwar ständig Mehrforderungen aufmacht, aber bisher nie saldierte Gegenrechnungen vorlegt – etwa mit den höheren Mehreinnahmen in Tegel oder geringeren Ausgaben als 2012 kalkuliert, obwohl etwa für Schadenersatzleistungen wegen der Verschiebung weniger fällig wird.
Aufsichtsräte wie Brandenburgs Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider oder Rainer Bomba wiesen am Freitag die 1,1 Milliarden mehr als Spekulationen zurück. Ein Dementi ist das nicht. Wie teuer der BER wird – darüber können sie selbst bisher nur spekulieren.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: