Brandenburg: Eine Stadt sucht die Mörder
Nach Todesschüssen auf Geldboten: Wie das 30-köpfige Ermittlerteam bei der Jagd auf die drei Täter arbeitet
Stand:
DER ÜBERFALL
Es war einer der brutalsten Geldtransporterüberfälle der vergangenen Jahre: Bei dem Raub am 29. Oktober wurde der 53-jährige Wachmann Gerhard W. der Firma „Securlog“ getötet. Morgens um 10 Uhr hatten drei Täter dem Geldboten vor der Postbank-Filiale in Berlin- Reinickendorf aufgelauert. Ohne Vorwarnung feuerten sie mit Maschinenpistolen auf den Wachmann, der gerade einen Geldkoffer in die Post bringen wollte. Der schwer verletzte Gerhard W. schaffte es noch zurückzuschießen. Zwei Kugeln trafen einen der Täter, dennoch gelang es ihnen, mit dem Geldkoffer in einem grünen Audi A2 zu flüchten.
DER TATORT
Er liegt wie die Wohnungen der Täter in Reinickendorf. Diese lauern den Geldboten vor der Postbank-Filiale auf. Nebenan ist eine Volksbank-Filiale. Ansonsten befinden sich die beiden Geldinstitute in einer von Mehrfamilienhäusern gesäumten Straße. Etliche Zeugen bekommen morgens gegen 10 Uhr den Schusswechsel mit – sei es am Fenster ihrer Wohnung oder als Passanten in der Nähe. Der Geldbote bricht zusammen. Am Tatort lassen die Täter Perücken, ein schwarzes Basecap sowie eine rote Fahrradkuriertasche zurück.
DIE TÄTER
Es sind drei Männer. Nach Bernd Fredi Mersiowsky wird gefahndet. Ein zweiter, Walter L., sitzt bereits in Haft. Der dritte ist unbekannt. Drei Tage nach der Tat hatte man den 54-Jährigen Mersiowsky durch einen DNA-Abgleich identifiziert: Am Tatort war sein Blut gefunden worden, das aus den Schusswunden getropft war. Das Problem: Er gilt als „hochgefährlich“, macht „rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch“, wie es im Polizeideutsch heißt. Er gilt als der Täter, der auf den Wachmann feuerte. Bereits im Januar 1993 hatte Mersiowsky bei einem Überfall auf die Woolworth-Filiale in der Residenzstraße dem Geschäftsführer in den Kopf geschossen. Das Opfer schwebte in Lebensgefahr, Mersiowsky wurde zu zwölf Jahren verurteilt, von denen er zehn absaß. Knasterfahrung hatte er schon: 1989 war er zu drei Jahren wegen Heroinbesitzes verurteilt worden. Mit auf der Anklagebank damals: Walter L. Als die Polizei nun bei L. klingelte, war der ausgeflogen – sehr verdächtig. Am Sonntag dann machte L. einen Fehler: Vom Mobiltelefon aus buchte er ein Hotelzimmer. Das Telefonat wird abgehört, das SEK fährt nach Neuruppin und stürmt die „Ruppiner Speisegaststätte“. Walter L. sitzt bei Bier und Gulaschsuppe am Tisch, die Handschellen klicken. Am Montag erging Haftbefehl gegen den 52-Jährigen – wegen gemeinschaftlichen Raubmordes. L. leugnet die Tat, will nur den Audi „entsorgt“ haben. Wer der dritte Täter ist, bleibt unklar – vielleicht schweigen die Ermittler aber auch aus taktischen Gründen.
DIE FAHNDER
Direkt nach der Tat übernahm die 4. Mordkommission die Tatortarbeit. Wie bei Überfällen auf Geldtransporter üblich, übernahm dann das erste Raubkommissariat des Landeskriminalamtes den Fall. Beide Teams arbeiten seitdem zusammen, zwischen 20 und 30 Beamte sind derzeit dabei. Hinzu kommen unzählige Spezialisten bei der Kriminaltechnik, beim SEK, Zielfahnder und andere Fachleute. Alle Funkstreifen haben ein Bild des Gesuchten an Bord, alle Polizisten kennen es. „Herr des Verfahrens“ ist jedoch die Staatsanwaltschaft. Die Folge: Am Tatort wurde dem Chef des Raubdezernats Redeverbot erteilt, der Sprecher der Staatsanwaltschaft wurde gerufen, um Auskunft zu geben. Der Ärger in der Polizei ist so groß, dass sich Polizeipräsident Dieter Glietsch mit dem Vorgang beschäftigt.
DIE SPUREN
Die wichtigste Tatortspur war das Blut, das Mersiowsky verlor. Daraus wurde die DNA analysiert und diese mit der bundesweiten DNA–Datei verglichen, die beim Bundeskriminalamt geführt wird. Dort war Mersiowsky als verurteilter Schwerverbrecher registriert – der Computer spuckte den Treffer aus. Ein schneller Erfolg für die Polizei. Auch an den Masken dürften die Kriminaltechniker DNA-Spuren und Fingerabdrücke der anderen Täter gesichert haben. Auch wenn diese bislang nicht beim BKA gespeichert sind, könnten diese Spuren später als Beweis im Prozess dienen. Spuren wurden auch im Fluchtauto gefunden, das am Sonntagabend in Reinickendorf entdeckt wurde – nicht weit entfernt von der Laube des Tatverdächtigen Walter L.
DIE HINWEISE
Es ist eine Belohnung von 60 000 Euro ausgesetzt – eine enorme Summe, viel mehr als in anderen spektakulären Fällen. Die Polizei hat die bei Mordfällen üblichen 5000 Euro gestiftet, der große Rest kommt von zwei Privatfirmen. Die hohe Summe soll „die Zunge lösen“ bei möglichen Mitwissern. Erstaunt sind die Fahnder darüber, dass dies bislang nicht funktionierte.
DER VERDACHT
In Reinickendorf haben L. und auch Mersiowsky seit dessen Haftentlassung gewohnt, dort haben sie ihre Gartenlauben, dort sind sie bekannt. Der Tatort war nur wenige hundert Meter von Mersiowskys Laube entfernt. Und am vergangenen Wochenende wurde Mersiowsky noch einmal in Reinickendorf gesehen, verriet ein Ermittler. „Der läuft da noch rum.“
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