Von Sandra Dassler: Einer für alle
Ex-Verkehrsminister Szymanski hat Cottbus befriedet / Wahlkampf erübrigt sich fast – wäre nicht die NPD
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Cottbus - „Höchststrafe für die CDU-Versager“ steht auf den giftroten NPD-Wahlplakaten, und ganz Cottbus rätselt, wer gemeint sein könnte. Schließlich regiert in der 100 000-Einwohnerstadt im Süden Brandenburgs ein SPD-Oberbürgermeister. Galt die Drohung etwa der Bundeskanzlerin, die gestern Abend in Cottbus sprach? „Ach was, die Plakate sind bei der sächsischen Wahl im Juni übriggeblieben“, sagt ein Passant. „Die Nazis von dort unterstützen doch unsere hier.“ Er schüttelt sich angeekelt: „Ich bin Student hier an der Uni. Wir haben mehr als tausend ausländische Kommilitonen. Es wäre fatal, wenn die NPD in die Stadtverordnetenversammlung einzieht.“
Die Neonazis sind nahezu der einzige Aufreger vor dem Urnengang. Wie soll man auch Wahlkampf machen, wenn eigentlich niemand so richtig kämpfen will? „Miteinander statt gegeneinander“, sagt Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) zufrieden: „Ist doch ganz einfach.“
Von wegen: Noch vor wenigen Jahren waren die Stadtverordneten in Cottbus so zerstritten, dass ganz Deutschland verwundert in die Lausitz blickte. Zuerst, als die Einwohner nach Jahren der Stagnation ihre parteilose Oberbürgermeisterin Karin Rätzel abwählten. Vor allem aber, als sich um ihre Nachfolge ein CDU-Mann bewarb, der auch von der Cottbuser Linkspartei unterstützt wurde.
CDU und Linke mit gemeinsamen Leitlinien fürs gemeinsame Regieren – da reagierte nicht nur der damalige brandenburgische CDU-Chef Jörg Schönbohm leicht panisch. Die Landes-SPD ersetzte ihre ursprüngliche OB-Kandidatin durch Verkehrsminister Frank Szymanski: Der stammte aus Cottbus, der hatte Erfahrung, der sollte die „Wiederauferstehung der Nationalen Front der DDR“, wie es in einigen Zeitungen hieß, verhindern.
Szymanski hat es im Oktober 2006 geschafft. Er hat die Mehrheit der Bürger hinter sich gebracht und die Wahl gewonnen – und ist, von der Partei- und Regierungsspitze des Landes gut versorgt mit einem Rückkehrrecht in den Landesdienst, nach Cottbus zurückgekehrt. Dass man sich nun in Cottbus trotzdem manchmal an die Nationale Front der DDR erinnert fühlt, liege auch an seinen Erfolgen, heißt es. Zumindest, was die Einigung der Stadtverordneten anbelangt: Der Ex-Verkehrsminister hat zuerst seinen ehemaligen CDU-Gegenkandidaten zum Bürgermeister gemacht. Er hat die Linkspartei als Partner ernst genommen und einen der ihren als Beigeordneten für Ordnung, Sicherheit, Umwelt und Bürgerservice an seine Seite geholt. Er hat sogar einen der Gründer der Wählerinitiative Aktive Unabhängige Bürger, die sich als Gegengewicht zu etablierten Parteien sieht, dazu bewogen, bei der Kommunalwahl für die SPD zu kandidieren. Szymanski nennt das den „Cottbuser Weg“, fast alle Stadtverordneten gehen ihn mit und selbst Kritiker gestehen ihm zu, dass er „der Stadt inneren Frieden gebracht hat“.
Kein Wunder, dass sich die Wahlplakate der Parteien irgendwie gleichen. Alle möchten sozial sein und familienfreundlich und Cottbus nach vorn bringen. Selbst die Grünen loben, dass es vorwärts geht. Immerhin wollen sie als einzige keine neuen Tagebaue. Die Cottbuser Linkspartei hingegen wendet sich in dieser Frage sogar gegen ihre Führung. „Braunkohleforschung muss erlaubt sein“, sagt der Beigeordnete für Umwelt, Lothar Nicht: „Wenn der CO2-Ausstoß minimiert wird und die Umsiedlung sozial verträglich erfolgt, müssen neue Tagebaue nichts Schlechtes sein. Und Vattenfall ist ein ganz seriöser Partner.“ So etwas hört man selten von linken Politikern.
Immerhin werden sich die Schulden der Stadt von rund 200 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 175 Millionen Euro in diesem Jahr verringern. „Das liegt aber in erster Linie an den gestiegenen Steuereinnahmen aufgrund der Konjunktur“, gibt Szymanski ehrlich zu.
Ob die sich kaum unterscheidenden Ziele der Parteien die Cottbuser zur Wahl animieren, bleibt abzuwarten: Viele meinen, dass sich mit Szymanski einiges gebessert habe: Nicht nur, dass es viele neue Straßen gäbe, am Freitag werde auch das innerstädtische Einkaufszentrum eröffnet, um das Jahre lang gestritten wurde, und ein großer Technologie- und Industriepark könne ausländische Investoren anlocken.
Ob der dafür zweckmäßige Autobahnanschluss durch ein Naturschutzgebiet genehmigt wird, steht allerdings noch in den Sternen. Und nicht alle lassen sich in der „Nationalen Front“ einbinden. In der Stadtverwaltung sei die Stimmung nicht nur wegen des Stellenabbaus schlecht, berichtet der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bialas: „Herr Szymanski kann punktuell sehr autoritär sein.“ Außerdem wurde kürzlich das Gerücht in die örtliche Presse lanciert, der Oberbürgermeister wolle nach der Wahl das städtische Klinikum sowie weitere kommunale Betriebe verkaufen. Damit könne er den Stadthaushalt sanieren und bald wieder auf seinen geliebten Ministerposten zurückkehren.
„Blödsinn“, knurrt Frank Szymanski: „Niemand will städtisches Eigentum verkaufen. Im Gegenteil. Wenn Cottbus schuldenfrei wäre, würde ich eher über den Rückkauf bereits privatisierter Firmen nachdenken.“ Die CDU hat trotzdem noch einmal Plakate geklebt: „Erhalt kommunalen Eigentums steht darauf“ und immer wieder „Wählen gehen“. Das plakatieren auch alle anderen Parteien. Bei den Kommunalwahlen 2003 gingen in Cottbus nur 28,41 Prozent zur Urne. Sollten es am Sonntag wieder so wenig sein, könnte das die Chancen der NPD erhöhen. Die aber will niemand in der Cottbuser „Nationalen Front“.
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