zum Hauptinhalt

Brandenburg: Einsteins Paradies

Der jahrelange Streit um das Sommerhaus des Nobelpreisträgers ist zu Ende. Das Kleinod gehört nun der Universität von Jerusalem

Caputh. Länger als zehn Jahre dauerte der Streit um das Sommerhaus von Albert Einstein in Caputh. Nach langem Gerangel zwischen Behörden, Erbengemeinschaften und Institutionen steht jetzt die Hebräische Universität Jerusalem als Eigentümer fest. „Nun kann die Restaurierung des Hauses beginnen“, kündigt Michaela Adelberger vom Potsdamer Einstein Forum an. Das Forum hatte die Immobilie oberhalb des Templiner Sees verwaltet. „Wir rechnen mit Kosten von rund 500 000 Euro und hoffen auch auf Spenden“, sagt Adelberger.

Die Geschichte des kleinen Hauses, in dem Einstein mit seiner Frau Elsa zwischen 1929 und 1932 lebte, ist äußerst wechselvoll. Schon der Kauf des Grundstückes in der Straße Am Waldrand 7 füllt in der Chronik viele Seiten. Denn ursprünglich wollte die Stadt Berlin ihrem weltberühmten Sohn anlässlich seines 50. Geburtstages am 14. März 1929 ein Haus an einem See schenken. Doch eine Panne reihte sich an die andere. Oft waren die vom Magistrat ausgesuchten Häuser noch bewohnt oder gehörten gar nicht der Stadt. Zeitungen nahmen sich der peinlichen Affäre an, im Stadtparlament kam es zu politischen Debatten. Einstein war der ganze Rummel irgendwann offenbar zu viel. Er lehnte das „schwierige Geschenk“ Berlins ab.

Durch Bekannte war Elsa Einstein auf ein Grundstück in Caputh gestoßen, das sich das Ehepaar schließlich selbst kaufte. Der Architekt Konrad Wachsmann baute ein teilweise unterkellertes Holzhaus mit einer überdachten Terrasse an der Südseite. Obwohl das Haus keineswegs sehr geräumig war, verbrachte der Physiker hier zwischen September 1929 und Dezember 1932 die meiste Zeit. „Das Segelschiff, die Fernsicht, die einsamen Herbstspaziergänge, die relative Ruhe, es ist ein Paradies“, schwärmte er kurz nach dem Einzug. Auf ein Telefon verzichtete die Familie. Wer die Einsteins dennoch erreichen wollte, musste bei einem Nachbarn anrufen. Dieser erhielt von Elsa Einstein eine kleine Trompete und einen Signalplan. Für jedes Familienmitglied – zeitweise wohnten hier auch Stieftochter Ilse und Mann – wurde eine Tonfolge festgelegt. „Einmal lang und laut“, lautete das Signal für Albert Einstein.

Es muss damals oft erklungen sein, denn das heute in New York aufbewahrte Gästebuch enthält die Namen von Nobelpreisträgern und anderen bekannten Wissenschaftlern und Künstlern. Nach Caputh kamen unter anderem Max Born, Fritz Haber, Otto Hahn, Gerhart Hauptmann, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Heinrich Mann, Max Planck, Anna Seghers, Chaim Waizmann und Arnold Zweig. Mehr und mehr drehten sich die Gespräche um den heraufziehenden Nationalsozialismus. Als Einstein im Dezember 1932 zu seiner alljährlichen Vortragsreihe nach Kalifornien aufbrach, soll er seiner Frau gesagt haben, dass sie die Villa wohl nie wieder sehen werden.

So geschah es auch. Einstein wurde enteignet und das Sommerhaus im August 1933 vom preußischen Staat eingezogen. Zunächst durfte es noch durch das benachbarte jüdische Kinderheim genutzt werden, danach folgten die Hitlerjugend, der Bund Deutscher Mädchen und später die Luftwaffenoffiziere. Eigentümer wurde 1936 die Gemeinde Caputh, obwohl im Grundbuch die beiden Stieftöchter Einsteins, Margot und Ilse, standen.

Nach Kriegsende ließen die sowjetischen Behörden das Haus herrichten. Doch Einstein wollte nie wieder deutschen Boden betreten. So diente es als normales Wohnhaus, ehe es der Architekt Konrad Wachsmann zum 100. Geburtstag des Caputher Ehrenbürgers im Jahr 1979 provisorisch rekonstruierte. Danach nutzte es die Akademie der Wissenschaften als Gästehaus.

Die in den USA lebenden Erbengemeinschaften der beiden Stieftöchter konnten sich lange Zeit nicht über das Sommerhaus einigen. Insgesamt waren zwölf Personen und Organisationen, unter ihnen die Jewish Claims Conference, eine Augenklinik im amerikanischen Princeton, ein US-Tierschutzverein und die Universität Jerusalem, erbberechtigt. Letztere hat sich jetzt mit den anderen Erben in langwierigen Gesprächen geeinigt und besitzt nun 100 Prozent der Sommerhauses, des benachbarten Gartenhauses und des Grundstückes.

2005 soll sich Einsteins Villa wieder im alten Zustand befinden. „Ein Museum ist im Sommerhaus nicht vorgesehen“, erklärt Michaela Adelberger vom Einstein Forum. „Wir denken an Vorträge und Seminare im kleinen Rahmen und Sommerschulen von Professoren amerikanischer, kanadischer und britischer Colleges.“ In den Sommermonaten werden auch wieder Führungen durch das Haus möglich sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false