Brandenburg: Eltern ziehen vor Gericht
Geschwister: Kein Recht auf gemeinsame Schule
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Berlin - Familie Strothmann wohnt auf der falschen Straßenseite: Ihr Wohnort wird neuerdings einer anderen Grundschule zugeordnet, und deshalb soll ihr sechsjähriger Sohn jetzt eine andere Schule besuchen als seine siebenjährige Schwester.
Fälle wie dieser sind Berliner Realität, seit in Berlin die so genannte Geschwisterregelung abgeschafft wurde. Seither spielt es keine Rolle mehr bei der Verteilung knapper Schulplätze, ob ein künftiger Erstklässler bereits einen Bruder oder eine Schwester an der Schule hat: Wer nicht im Einzugsbereich der Schule wohnt, hat schlechte Karten – selbst dann, wenn er zwischendurch nicht umgezogen ist, sondern nur das Bezirksamt den Einzugsbereich verändert hat. Dieser ungünstige Zustand für die betroffenen Familien beschäftigt jetzt die Politik: Die Grünen haben einen Antrag ins Parlament eingebracht, der Geschwisterkindern generell ein Vorrecht bei der Vergabe von Grundschulplätzen einräumen soll. CDU und FDP fordern eine noch weitergehende Liberalisierung bei der Wahl der Grundschule, SPD und Linkspartei wollen dagegen an der jetzigen Regelung festhalten. Die Koalition will nicht riskieren, dass Kinder aus dem Einzugsbereich einer Schule unter Umständen abgewiesen werden, weil weiter entfernt wohnende Geschwisterkinder Vorrang habe. Diese Interessen dürfe man nicht „gegeneinander ausspielen“, warnt die SPD-Abgeordnete Felicitas Tesch. Die Grünen sehen das anders. Es sei Eltern und Alleinerziehenden nicht zuzumuten, dass sie morgens und mittags zu verschiedenen Schulen fahren müssen, findet Bildungspolitiker Özcan Mutlu. Er bekommt dabei Unterstützung vom CDU-Schulexperten Sascha Steuer, dem Mutlus Vorstoß aber nicht weit genug geht. Er plädiert dafür, die Einzugsbereiche der Grundschulen generell liberaler zu handhaben. Dabei müsse man allerdings darauf achten, dass Familien, die das wünschen, eine wohnortnahen Schule bekommen können. Nur die FDP-Abgeordnete Mieke Senftleben will eine völlige Liberalisierung, bei der Eltern und Schulen selbst entscheiden, wer zu wem passt. Jetzt soll sich der Schulausschuss mit der Problematik beschäftigen. Wenn eine Schule auf eigene Faust versucht, Geschwisterkinder zu bevorzugen, kann das anstrengend werden: An der Lichterfelder Clemens-Brentano-Grundschule klagten gerade Familien, die im Einzugsbereich wohnen, dagegen, dass sie zugunsten der Familien mit Geschwisterkindern abgewiesen wurden: Im Ergebnis musste die Brentano–Schule eine Klasse mehr als geplant aufnehmen und hat somit Platzprobleme. Gegängelt werden in Berlin nicht nur Grundschuleltern.
Auch bei nachgefragten weiterführenden Schulen sorgt das Schulgesetz dafür, dass Eltern und Schule nicht das letzte Wort haben: Wenn es zu viele Anmeldungen gibt, entscheidet letztlich die BVG-Verbindung darüber, ob ein Kind aufgenommen wird. Gerade erst wurde am Kreuzberger Leibniz-Gymnasium ein Schüler abgewiesen, der nur einen zehnminütigen Fußweg hätte, weil seine BVG-Verbindung ungünstig ist. Auch seine Eltern klagen. Das Verwaltungsgericht stellt unterdessen fest, dass es aktuell „deutlich mehr“ Klagen gibt als im Vorjahr.
Susanne Vieth-Entus
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