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Von Alexander Fröhlich: Ermittler wollen professionelle Banden zerschlagen Dramatisch zunehmende Grenzkriminalität: Die meisten gefassten Täter sind Deutsche

Potsdam - Die Ängste waren groß – vor schwerster Kriminalität, die über die Grenze von Polen nach Brandenburg schwappt. Entlang der Oder ging 2007 wegen des Wegfalls der Grenzkontrollen durch das Schengener Abkommen die Angst um vor den Kriminellen von drüben, aus dem Osten.

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Potsdam - Die Ängste waren groß – vor schwerster Kriminalität, die über die Grenze von Polen nach Brandenburg schwappt. Entlang der Oder ging 2007 wegen des Wegfalls der Grenzkontrollen durch das Schengener Abkommen die Angst um vor den Kriminellen von drüben, aus dem Osten. Das ist jetzt widerlegt durch die am Mittwoch von Innenminister Dietmar Woidke (SPD) vorgestellte Statistik. Demnach sind von den 8500 ermittelten Tatverdächtigen nur rund 1060 Polen. Die meisten – nämlich 6500 – sind Deutsche, 250 Vietnamesen, 91 Weißrussen. Allerdings waren von 140 ermittelten Autodieben 75 Prozent keine Deutschen.

Woidke bezeichnete die Lage als ernst und wollte die „Entwicklung nicht beschönigen“. Die Kriminalitätsrate liegt deutlich über dem Landesdurchschnitt. In der Grenzregion kommen auf 100 000 Einwohner rund 9900 Delikte, im Rest des Landes sind es rund 8100. Knapp die Hälfte aller im Jahr 2010 begangenen Delikte waren Diebstähle, die Aufklärungsquote liegt hier bei 32 Prozent, bei Autodiebstählen sogar nur bei 20 Prozent. Selbst die Gesamtquote von 52 Prozent liegt zwei Prozentpunkte unter dem Landesdurchschnitt.

Der seit 2007 drastisch zunehmende Diebstahl von Autos bereitet Woidke „größte Sorgen“, ebenso die enorm wachsende Zahl von Einbrüchen in Bungalows, Lauben, Garagen und Gartenanlagen. Denn inzwischen hat es die Polizei mit hoch professionellen Banden zu tun, selbst elektronische Wegfahrsperren bieten kaum noch Schutz. „In zwei Minuten sind die von den Autodieben geknackt“, sagte ein Ermittler. Besonders schlimm ist es in Frankfurt (Oder), wo die Zahl der Autodiebstähle seit 2007 um 250 Prozent zunahm. Fast jeden Tag wird dort ein Wagen geklaut. 80 Prozent aller Delikte werden in Frankfurt, Schwedt, Eisenhüttenstadt, Guben und Forst verübt.

Nun will Brandenburg den Druck auf die Kriminellen erhöhen. Die von Woidkes Vorgängern eingerichteten Fahndungseinheiten hatten kaum Erfolg. Seit November ist nun eine spezielle, mit 54 Beamten besetzte Ermittlergruppe „Grenze“ aktiv. Deren Chef Martin Wentorf sagte: „Fakt ist, der Trend konnte gestoppt werden.“ Die Ermittler arbeiten zunehmend verdeckt, stellen immer häufiger Täter auf frischer Tat. Anfang Januar haben sie einen Serienstraftäter aus Schwedt gefasst, auf dessen Konto 18 Taten, darunter viel Autodiebstähle, gehen. Ende 2010 stoppten die Beamten auf einem Parkplatz gleich vier Männer, die mit einem gestohlenen Wagen unterwegs waren und gerade zwei weitere Autos knacken wollten. Nach einer Verfolgungsjagd machten die Ermittler zwei weitere Männer dingfest. Allein 2010 kontrolliert die Polizei fast 22 000 Fahrzeuge in der Grenzregion – in 149 Fällen verfolgten Polizisten flüchtige Autodiebe, in neun Fällen bis auf polnisches Gebiet.

Wentorf spricht von technisch bestens ausgestatteten, professionellen Banden, die nach Auftragslage gezielt bestimmte Automarken klauen. Längst geht es für die Ermittler nicht nur um Brandenburg. Jüngst sind zwei Täter nach Dänemark ausgeliefert worden, die von dort aus über Brandenburgs Oder-Grenze gen Osten unterwegs waren. „Die Verbreitungswege sind ausermittelt, es geht bis nach Südosteuropa und Nordafrika“, sagte Brandenburgs Kriminaldirektor Roger Höppner. Aus Spanien, England, Frankreich und den alten Bundesländern werden entwendete Autos über Brandenburg gen Osten verschafft. Wentorf will deshalb nicht nur einzelne Täter aufspüren, sondern gezielt Informationen über Banden sammeln und diese zerschlagen. Deshalb arbeitet Brandenburg auch eng mit Polen in einem gemeinsamen Lagezentrum zusammen, wobei der Innenminister noch Reserven sieht.

Neben Autos geht es aber auch um Maschinen und Baufahrzeuge. So stoppten am Mittwoch Ermittler der Bundespolizei, die eng mit den Landesbeamten zusammenarbeiten, auf der A 12 in Frankfurt (Oder) einen Transporter voller Diebesgut. Die beiden polnischen Autoinsassen kamen aus Dänemark, hatten Rüttelplatte, Ketten- und Kreissägen und elektrische Werkzeuge an Bord und verstrickten sich in Widersprüche.

Die Polizei setzt aber auch auf Prävention. In einem Projekt mit der Stadt Frankfurt (Oder) sollen Fahrzeuge und Bauteile mit einer „künstlichen DNA“ versehen werden – bei Kontrollen können sie dann leicht elektronisch identifiziert werden.

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