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Brandenburg: „Es sind keine Almosen, sondern notwendige Mittel“

Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov spricht im PNN-Interview über die geplante Klage Bayerns gegen den Länderfinanzausgleich und über die Abhängigkeit Brandenburgs vom Finanztransfer.

Stand:

Herr Markov, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat am Samstag erneut mit einer Klage gegen den Länderfinanzausgleich vor dem Verfassungsgericht gedroht. Bayern fühlt sich als Geberland benachteiligt. Ist das System ungerecht?

Nein, das System ist sehr gerecht. Es bedarf in einem föderalen Staat schlichtweg eines Systems, um Finanzkraftdifferenzen zwischen den Ländern durch ein Umverteilungssystem zu minimieren. Es sind keine Almosen, sondern notwendige Mittel, mit denen der Grundgesetzanspruch nach gleichwertigen Lebensverhältnissen in allen Bundesländern sichergestellt werden soll. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Recht. Ungerecht wäre der Länderfinanzausgleich, wenn er die Reihenfolge der Finanzkraft der Länder verändern würde. Doch das ist nicht der Fall, auch wenn aus einigen Geberländern gelegentlich andere Töne zu hören sind.

Seehofer sagte, derzeit seien Spezialisten dabei, die Klage vorzubereiten. Wie schätzen Sie deren Erfolgsaussichten ein?

Alle Bundesländer haben sich auf die aktuellen Regelungen verständigt – auch Bayern. Und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind bei der Regelung auch berücksichtigt worden. Ich halte es daher schlichtweg für Wahlkampf, wenn die CSU nun versucht, wider besseren Wissens an den Stammtischen zu punkten. Das ist traurig, da es die Solidarität in Deutschland nicht gerade fördert.

Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum hat den unzufriedenen Geberländern entgegengehalten, dass sie dafür von anderen Fördertöpfen profitieren und fordert eine Aufschlüsselung aller Geldströme.

Diese Forderung ist nicht neu. Besonders Mittel für Forschung und Hochschulen fließen verstärkt nach Süddeutschland, das wird oft vergessen. Um die unsachlichen Wahlkampftöne aus Bayern weiter zu entkräften, wäre es hilfreich, all diese Finanzströme in der Bundesrepublik in der Gesamtschau zu betrachten. Es wird immer Länder geben, die mehr Steuern einnehmen als andere. Der Länderfinanzausgleich ist keine Entwicklungshilfe, sondern schlichtweg eine Sufe des Mechanismus zur Verteilung von Steuereinnahmen innerhalb der Bundesrepublik.

Warum benötigt Brandenburg die Mittel?

Wer sich die Indikatoren Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsleistung und kommunale Finanzkraft anschaut, sieht, dass alle ostdeutschen Länder weiter deutlich hinter den westdeutschen liegen. Das hat nichts mit dem gelegentlichen unseriösen Vorwurf zu tun, dass wir Geld zum Fenster rauswerfen. Zumal der Länderfinanzausgleich die unterschiedlichen Einnahmen und nicht die Ausgaben ausgleicht. In Ostdeutschland werden aus verschiedenen Gründen die Steuereinnahmen nicht so schnell westdeutsches Niveau erreichen. Denn warum sollte auch ein DAX-Unternehmen in einer globalisierten Welt heute seinen Stammsitz von Süd- nach Ostdeutschland verlegen?

Wann wird Brandenburg zum Geberland?

Siemens war bis 1945 ein Berliner Unternehmen. Audi bis 1945 ein Chemnitzer Unternehmen. Heute sind beide bayerische Unternehmen, zahlen dort ihre Steuern. Doch ist das ein Verdienst der bayerischen Landesregierung? Und außerdem erwirtschaften diese Unternehmen ihre Gewinne auch in Nehmerländern. Ob ein Land Geber oder Nehmer ist, hat daher nichts mit ordentlichem Wirtschaften zu tun, sondern oft mit historischen Zufälligkeiten. Wir in Brandenburg konnten den Anteil der Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich zwar seit dem Jahr 2000 schrittweise senken, stehen also immer mehr auf eigenen Füßen. Aber um eine deutliche Veränderung der Relationen zu erreichen, müsste das Bruttoinlandsprodukt der finanzschwachen Länder langfristig erheblich über dem der derzeit starken Länder liegen. Dies ist allein schon aufgrund der strukturellen Gegebenheiten unrealistisch.

Über die Körperschaftssteuer werden dagegen die Ostländer benachteiligt, heißt es.

Viele westdeutsche Unternehmen haben Niederlassungen in ostdeutschen Ländern. Die Körperschaftsteuer wird auf die Regionen, in denen sich Standorte befinden, verteilt. Da aber die Körperschaftsteuer nach örtlicher Lohnsumme verteilt wird und die Löhne im Osten geringer sind, sind hier auch Körperschaftsteuereinnahmen geringer. Außerdem werden nicht alle Steuereinnahmen gerecht zwischen den Ländern verteilt. Die Zerlegung einzelner Steuerarten erfolgt nur unvollständig oder findet, wie bei der Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen, überhaupt nicht statt. Diese Steuer kommt damit nicht den Ländern zugute, in denen sie erwirtschaftet wurde, sondern denen, in denen die Konzernzentralen sitzen. Auch solche Verzerrungen werden per Länderfinanzausgleich korrigiert. Er ist daher alles andere als ungerecht.

Die Fragen stellte Matthias Matern

Helmuth Markov (60) ist seit 2009 Finanzminister des Landes Brandenburg und stellvertretender Ministerpräsident. Zuvor saß er für die Linke zehn Jahre im europäischen Parlament.

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