Brandenburg: Extradosis Glamour
Goldene Kamera, Berlinale, Musikpreis Echo: In den nächsten zwei Wochen werden so viele Showstars wie selten in Berlin über rote Teppiche schreiten
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Berlin - Mit 9 mal 20 Zentimetern passt das Stück Auslegware versandfreundlich in einen Briefumschlag. Innenausstatter könnten einiges über Qualität oder Webart erzählen, doch verblasst das vor der entscheidenden Information: Es ist ein Stück roter Teppich. Im Termingewirr der – am Donnerstag startenden – Berlinale muss man sich einiges einfallen lassen, um aufzufallen. Der Verleih Kinowelt jedenfalls versandte zu den in wenigen Tagen startenden Filmfestspielen die roten Teppichreste als Eintrittskarte zu seiner Festival-Party. Allerdings: Um den großen Auftritt zu üben, sind die roten Rechtecke zu klein.
An sich hätte Kinowelt solche Gag-Einladung nicht nötig, schließlich steuert sie sechs Filme zum Programm bei, darunter den Eröffnungsfilm „Shine a Light“ von Martin Scorsese, seine Dokumentation über die Stones, die auch, wie allseits versichert wird, alle vier kommen, bei der üblichen Pressekonferenz Rede und Antwort stehen und dann abends vor dem Berlinale-Palast über den Teppich laufen.
Wenn es am Donnerstag kurz vor sieben zu diesem denkwürdigen Akt kommt, hat die Stadt eine erste Extradosis Glamour bereits intus, werden doch am Abend zuvor im Ullsteinhaus die Goldenen Kameras verliehen, unter anderem an Robert de Niro, Kylie Minogue, Chuck Berry und Tokio Hotel. Erfahrungsgemäß wird der eine oder andere der illustren Gäste auch am Folgeabend über den wichtigsten Berlinale-Teppich schreiten.Der hat in diesem Jahr wieder viel auszuhalten, zum Glück wird er – auch dies ist die Regel – zur Halbzeit ausgetauscht. Am Folgetag geht es gleich weiter mit Daniel Day-Lewis, der in Paul Thomas Andersons „There Will Be Blood“ die Hauptrolle spielt. Anderson war übrigens Regisseur von „Magnolia“, dem Siegerfilm der Berlinale 2000, der ersten am Potsdamer Platz.
Am kommenden Wochenende heißen die berühmtesten Stars dann Tilda Swinton („Julia“), John Malkovich („Gardens of the Night“), Ben Kingsley und Penélope Cruz („Elegy“), Willem Dafoe, Ryan Reynolds sowie – noch unbestätigt – auch Julia Roberts („Fireflies in the Garden“). Reynolds war lange mit der Sängerin Alanis Morissette zusammen, derzeit ist er angeblich mit der als Gast ebenfalls angekündigten Scarlett Johansson liiert, wovon die beiden aber, sofern es stimmt, in Berlin nicht viel hätten: Scarletts Film „The Other Boleyn Girl“ ist erst fünf Tage später im Programm, so wird sie sich eben mit ihrer Filmschwester Natalie Portman begnügen müssen, der bei Ende des Films kopflosen Anne – eine Rolle, die schon von Henny Porten, Vanessa Redgrave, Charlotte Rampling und sogar Lili Palmer gespielt wurde. Auch Eric Bana, der aktuelle Heinrich VIII., will kommen. Der letzte Star des Wettbewerbs schließlich ist Mia Farrow in „Be Kind Rewind“.
Auch der Bodenbelag vor den anderen Spielorten ist gefordert. Im Zoo-Palast etwa durch Madonna, die als Regiedebütantin „Filth and Wisdom“ vorstellt, im International durch Patti Smith, der die Dokumentation „Dream of Life“ gewidmet ist. Im Filmpalast schließlich wird Neil Young erwartet, einer der vier Heroen in dem Konzertfilm „CSNY Déjà Vu“ über die Tournee 2006 von Crosby, Stills, Nash & Young. Ein Musiker zudem, dem mit Jim Jarmusch und Jonathan Demme schon zwei der erfolgreichsten US-Regisseure Filme gewidmet hatten – eine Ehre, die nun mit Scorsese auch den Stones zuteil wurde.
Und als reichten Berlinale und Goldene Kamere nicht schon aus, gibt es am Rande der Berlinale noch jede Menge Veranstaltungen, die den vorhandenen Glamour für eigene Zwecke nutzen. Am erfolgreichsten beim Promi-Abstauben ist bislang die Gala „Cinema for Peace“, außerdem lädt Berlinale-Sponsor VW zu einem großen Fest in die Akademie der Künste. Mercedes feiert im Promi-Restaurant Borchardt und einen neuen Filmball wird es auch geben. Und alssei auch das alles immer nicht genug, fällt in diesem Jahr auch noch die Verleihung des Musikpreises Echo in die Berlinale-Zeit. Erwartet werden Gesangsstars wie Leona Lewis, Ich+Ich, Alicia Keys und James Blunt.
Berlinale- Chef Dieter Kosslick ist über die Ballung der Events nicht besonders glücklich. Es wäre aus seiner Sicht sinnvoller, wenn sich die Megaevents besser verteilen würden, auch für die Wirtschaft der Stadt. Klaus Wowereit hat sich dafür eingesetzt, dass zumindest der „Echo“ im nächsten Jahr nicht wieder zeitgleich zum Filmfest stattfindet. Die Musikindustrie habe einfach nicht an die Berlinale gedacht, verriet er am Rande der Fashion Week. Das sei ein Unglücksfall gewesen. Diesmal sei es zu spät, noch etwas zu ändern. Immerhin konnten offenbar Pläne, die Goldene Kamera mitten in die Berlinale auf den Sonnabend zu verlegen, abgewendet werden.
Problembewusstsein ist da. Den großen Überblick pflegen die Teilnehmer am „Runden Tisch Tourismus“, dem neben Wowereit unter anderem der Wirtschaftssenator, die Berlin Partner GmbH und wichtige Unternehmer angehören. Sprecher ist DEHOGA-Präsident und Interconti-Chef Willy Weiland. „Grundsätzlich ist es natürlich immer sinnvoll, das Programm zu entzerren“, sagt er. „Aber die Stars kommen nicht wegen einer Veranstaltung, sondern wegen zwei oder drei.“ Und bei mehr als zwanzig Fünfsterne-Hotels sei es auch kein Problem, alle unterzubringen. „Es könnten sogar ruhig noch mehr kommen. Berlin ist da dehnungsfähig.“ Auch bei Berlin Partner sieht man die Kapazitäten der Hotels längst nicht erschöpft. „Wir könnten parallel auch noch gut einen Chirurgenkongress verkraften“, sagt ein Sprecher. Allerdings arbeitet Berlin Partner jetzt an einer Website, um die Termine besser zu koordinieren. Für Berlin könne sich eine gewisse Ballung sogar gut auswirken, heißt es – weil sich dadurch eine Schlagkraft entwickele, die Berlin auch in die internationalen Medien katapultiere. Und rote Teppiche gebe es in der Stadt genug – große und kleine.
Morgen startet der Berlinale-Vorverkauf. Karten gibt es unter anderem täglich von 10 bis 20 Uhr in den Potsdamer-Platz- Arkaden und unter www.berlinale.de.
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