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Brandenburg: Feindliche Unterlassung in Berlin

Wiesenthal-Zentrum will Müller auf Liste setzen

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Berlin - Das Simon-Wiesenthal-Zentrum erwägt offenbar, Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) auf seine jährliche Liste der zehn schlimmsten antisemitischen und antiisraelischen Vorfälle zu setzen. „Es gibt zwei Gründe, warum er es theoretisch auf die Liste schaffen könnte“, sagte Rabbi Abraham Cooper, stellvertretender Leiter des Zentrums, der „Jerusalem Post“. Müller habe es versäumt, sich von der antiisraelischen Boykottkampagne BDS (Boykott–Desinvestition–Sanktionen) öffentlich zu distanzieren – anders als seine Amtskollegen in München und Frankfurt am Main. Dabei sei Müller „der Bürgermeister der wahrscheinlich wichtigsten Stadt Europas“. Die Antisemitismus-Liste des Wiesenthal-Zentrums, das mit der Verfolgung von Nazi-Verbrechern bekannt geworden ist, wird im Dezember veröffentlicht. Gelistet wurden schon Aktivitäten oder Zitate von Thilo Sarrazin, Filmemacher Lars von Trier und dem Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Die BDS-Initiative hatte zuletzt zu einem Boykott des Pop-Kultur-Festivals in der Kulturbrauerei aufgerufen, weil die Israelische Botschaft den Auftritt einer Sängerin mit 500 Euro unterstützt hatte. Die Berliner CDU-Vorsitzende Monika Grütters bezeichnete den Boykott als „absolut unerträglich“, Kultursenator Klaus Lederer (Linke) als „widerlich“. Müller äußerte sich nicht. In einem Parteitagsbeschluss hat sich die Berliner SPD im Mai von der BDS-Boykottkampagne distanziert.

Das Wiesenthal-Zentrum legt Müller auch zur Last, dass die israelfeindliche Al-Quds-Demo jedes Jahr in Berlin stattfinden darf. Cooper hatte der „Jerusalem Post“ am Tag der Demo erklärt, Müller unterstütze Terroristen der Hisbollah. „Das ist alles Quatsch“, sagte Senatssprecherin Claudia Sünder zu den Anschuldigungen. „Eine solche Nachricht überrascht uns doch sehr. Niemand, der die Stadt Berlin und den Regierenden Bürgermeister kennt, kann ernsthaft der Meinung sein, dass an diesen Vorwürfen etwas dran ist.“ Die Jüdische Gemeinde erklärte auf Anfrage, der Regierende gehöre nicht auf die Liste des Wiesenthal-Zentrums. Dennoch würde es die Gemeinde „sehr begrüßen, wenn Berlin dem Beispiel Frankfurts und Münchens folgen würde und allen Israel-Boykott-Aktivisten weder öffentliche Räume noch finanzielle Mittel zur Verfügung stellt“, sagte der Antisemitismusbeauftragte Sigmount A. Königsberg. „Die sogenannte ,BDS’ heute ist nichts weiter als die Fortsetzung des ,Kauft nicht bei Juden’ aus den 30ern, denn BDS hat sich zum Ziel gesetzt, den jüdischen Staat Israel zu zerstören.“

Dem Berliner Verfassungsschutz sei die BDS-Bewegung bekannt, erklärte die Innenverwaltung. Sie werde aktuell aber nicht als extremistisch eingestuft. Die Al-Quds-Demo wird von der Polizei unter Auflagen erlaubt. Es dürfen keine Fahnen der Hisbollah getragen oder Parolen wie „Tod Israel“ gerufen werden. Dennoch werde dort Hass gegen Juden geschürt, erklärte das Jüdische Forum gegen Antisemitismus (JFDA).

Frank Jansen / Thomas Loy

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