Von Alexander Fröhlich und Peter Tiede: Führungskrise statt Feierlaune bei der FDP
Kritik an Lanfermann und Goetzwegen Umgangs mit dem Fall Siebert / Teuteberg kaltgestellt?
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Potsdam - Brandenburgs FDP hat sich in eine Führungskrise manövriert: Wenige Monate nach dem Wiedereinzug in den Landtag regt sich an der Basis massiv Kritik an der Personalpolitik der Parteiführung. Im Zentrum: Landeschef Heinz Lanfermann und Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Selbst die Parteiführung glaubt, dass ihr auf dem Landesparteitag am Samstag in Eberswalde deutliche Unmutsäußerungen drohen. Dabei sollte es in Eberswalde eigentlich um die erfolgreiche Oppositionsarbeit nach dem Wiedereinzug ins Parlament nach 15 Jahren gehen. Doch ausgerechnet das Thema Nummer eins der Opposition, die Aufarbeitung der DDR und der Nachwendepolitik, bereitet der liberalen Führung nun Probleme. Am Wochenende hatten Goetz und Lanfermann daher das Parteipräsidium und die Landtagsfraktion zusammengetrommelt. Die Hoffnung: Bis zum Parteitag soll weitgehende Ruhe hergestellt werden.
Im Kern geht es um zwei Personalien: Den Umgang mit den lange bekannten Stasi-Vorwürfen gegen den langjährigen, Landesschatzmeister und ersten brandenburgischen FDP-Fraktionschef Rainer Siebert. Dem hatte die Parteiführung, wie berichtet, in der Vorwoche das Vertrauen entzogen – Wochen, nachdem Details aus der Stasi-Akte bekannt geworden waren. Die PNN hatten am 19. Februar über Sieberts Akte berichtet, ebenso über das aus heutiger Sicht strittige Ergebnis, zu dem die Ehrenkommission des Landtags bei der Überprüfung der Abgeordneten 1991 gekommen war. Das Gremium aus zwei kirchlichen Vertrauensleuten hatte Siebert als Grenzfall eingestuft. Doch die Parteispitze brauchte nun einen Monat, um zu einer eigenen Bewertung des Falls zu kommen. Auf Druck von Lanfermann verzichtete Siebert auf seinen Posten. Goetz hatte Sieberts alten Aussagen vertraut, wonach dieser nie gespitzelt habe. In die Akten geguckt hatten weder Lanfermann noch Goetz. Auch der Landesvorstand befasste sich nicht mit dem Thema. Nun wird der Führungsriege ein „undemokratischer und unprofessioneller Umgang“ vorgeworfen – unter anderen vom Landtagsabgeordneten Jens Lippsdorf. Auch in Goetz’ Kreisverband Potsdam-Mittelmark ist am Wochenende deutliche Kritik an der Parteiführung geäußert worden. Kern der Kritik: Mit einem verdienten Parteimitglied wie Siebert könne so nicht umgegangen werden. Anders dagegen ist die Stimmung in Oberhavel. Der dortige Kreischef, Helmuth Reitmayer, forderte in der Morgenpost eine klare Aufarbeitung und Offenheit von belasteten Mitgliedern.
Eine ähnliche Forderung ist offensichtlich auch zum Karriere-Hemmnis für die Potsdamer FDP-Landtagsabgeordnete Linda Teuteberg geworden – die zweite heftig kritisierte Personalie. Teuteberg, 28, gilt als eines der wenigen politischen Talente in der brandenburgischen Politik. In der Bundespartei wird mittelfristig mit ihr geplant: jung, ostdeutsch, intelligent, telegen. Teuteberg soll für Führungsaufgaben aufgebaut werden – abgesegnet auch von FDP-Altvorderen wie Hans-Dietrich Genscher. Noch im Landtagswahlkampf war sie das Gesicht der Partei: Zwei Wochen vor allen anderen Parteien hatte die FDP Plakate geklebt – mit Teutebergs Porträt.
Da sich Teuteberg seit Jahren ehrenamtlich für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte engagiert, war in allen Fraktionen davon ausgegangen worden, dass sie hinter Goetz zumindest stellvertretendes Mitglied der FDP in der Enquete-Kommission des Landtages zur Aufarbeitung der brandenburgischen Nachwendegeschichte wird. Doch fraktionsintern wird Teuteberg kaltgestellt. „Es gibt in der FDP massiv Neid darüber, dass sie in der Presse deutlich besser weg kommt, als etwa Goetz“, sagt ein ranghohes Fraktionsmitglied der CDU. Statt Teuteberg soll Lippsdorf, Kunsthistoriker und Geschäftsführer der Posamenten Manufaktur in Forst, in das Gremium.
Goetz mochte am Montag von Mobbing oder einem Kurzhalten Teutebergs nichts wissen. Er merkte aber an, dass die Juristin ja im Referendariat sei, nicht so viel Zeit habe. Seit geraumer Zeit streut die Fraktionsspitze gezielt, Teuteberg könne eigentlich nur „halbe Kraft fahren“.
Bei CDU und Grünen hat man einen ganz anderen Verdacht: Teuteberg habe es sich mit Goetz während einer gemeinsamen Sitzung der drei Oppositionsfraktionen vor zwei Wochen verscherzt. Da hatte Teuteberg deutlich gemacht, dass alle Fraktionen in der Enquete-Kommissionen bereit sein müssten, eigene Fehler nach der Wende sachlich einzugestehen und kritisch mit den Blockpartei- und SED-Biografien der eigenen Mitglieder umzugehen. Dass sei Goetz und anderen in der FDP-Fraktion deutlich aufgestoßen. Goetz war bis zur Wende SED-Mitglied und ist Absolvent der Hochschule für Staat und Recht der DDR in Potsdam. Auch das FDP-Fraktionsmitglied Raimund Tomczak war einst Mitglied der SED und wenig amüsiert von Teutebergs Appell.
Wie sehr die Partei um Ruhe bemüht ist, zeigt auch, dass die Landtagsfraktion ihre obligatorische Dienstags-Pressekonferenz abgesagt hat. Die freie Zeit wird offensichtlich dringend benötigt: Seit zwei Tagen versucht sich die Parteispitze an einem Schreiben, mit dem man hofft, die Basis besänftigen zu können. „Wir hoffen, es dann morgen fertigzubekommen“, sagte Goetz gestern. Auch sonst hat die Parteispitze vorgesorgt: Für den Landesparteitag wurde das Programm umgestellt. Zentrales Thema soll nun der Umgang mit der eigenen Geschichte werden.
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