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Brandenburg: Fünf Brandanschläge in einer Nacht
Nach zahlreichen Angriffen auf rechtsextreme Politiker sind offenbar linke Einrichtungen im Visier der Neonaziszene
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Berlin - Insgesamt fünf Brandanschläge wurden in der Nacht zu Montag auf Gebäude in Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Britz verübt, vermutlich waren Neonazis die Täter. Unter den Zielen waren mehrere Wohnhäuser, ein Bewohner wurde leicht verletzt. Offenbar handelt es sich um eine koordinierte Racheaktion der rechten Szene wegen der Angriffe auf hochrangige NPD-Funktionäre in den vergangenen Tagen.
Wie berichtet war unter anderem der NPD-Landesvorsitzende Uwe Meenen mit Schlagstöcken angegriffen worden. Zuletzt traf es Torsten Meyer, der jahrelang Mitglied der rechtsextremen DVU war und für die NPD in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg saß, bis er seine Fraktion Ende 2010 im Streit verließ. Meyer ist nun Kreisvorsitzender der ultrarechten Partei „Pro Deutschland“. Am Sonntag griffen Unbekannte ihn bei einem Wahlstand in Karlshorst an.
In der Nacht zu Montag wurden dann die Brandanschläge auf linke Wohnprojekte, ein Ladengeschäft und ein Jugendzentrum verübt. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Zweimal schlugen die Zündler in Prenzlauer Berg zu: Eine Mieterin wurde gegen 3.15 Uhr auf das Feuer im Hauseingang aufmerksam, weil ein Rauchmelder im Flur des alternativen Wohnprojektes in der Kastanienallee Alarm auslöste. Sie löschte die von außen brennende Tür. Gegen 7.20 Uhr entdeckte ebenfalls ein Mieter Flammen an der Hauseingangstür im Hinterhof eines Hausprojektes in der Lottumstraße. In Kreuzberg zündeten Unbekannte gegen vier Uhr zwei Autos vor dem alternativen „Tommy-Weißbecker-Haus“ in der Wilhelmstraße an. Die Flammen schlugen bis in die Höhe des ersten Stockwerkes. Ein Bewohner verletzte sich leicht, als er versuchte, den Brand zu löschen. Auch die Fassade des „Anton-Schmaus-Hauses“ der „Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken“ in der Gutschmidtstraße in Britz wurde angezündet. „Der Schaden ist sehr hoch“, sagte eine Mitarbeiterin. Nur eine Nacht zuvor habe noch eine Kindergruppe in dem Haus übernachtet. Die Ermittler gehen davon aus, dass Brandbeschleuniger benutzt wurde. Das Jugendhaus war bereits mehrfach mit rechtsextremen Parolen beschmiert worden. Der fünfte Anschlag richtete sich gegen den linken Laden „Red Stuff“ im Erdgeschoss eines Wohnhauses in der Waldemarstraße in Kreuzberg. Dort erlosch der Brand offensichtlich von selbst. Die Täter hatten erst versucht, die Hintertür des Geschäfts aufzubrechen, anschließend hebelten sie die Jalousien an der Vordertür auf und setzten den Eingangsbereich in Brand.
„Die Nazis nehmen bewusst den Tod von Menschen in Kauf“, sagt Christian Berg, Landesvorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos. „Es ist reines Glück, dass heute Nacht niemand durch die Anschläge verletzt oder getötet wurde.“ Für den heutigen Dienstag rufen linke Gruppen zu einer Demonstration gegen rechte Gewalt auf. Der Aufzug beginnt um 19 Uhr am Kottbusser Tor.
Auffällig ist, dass alle Ziele auf der Internetseite des „Nationalen Widerstands Berlin“ aufgelistet sind, zum Teil mit Fotos und detaillierten Beschreibungen. Am Sonnabend wurde über einen internen E-Mail-Verteiler die Aufforderung verschickt, Anschläge auf alternative Projekte zu verüben. „Brecht den Terror der Roten! Linke Lokalitäten sind auf der Berliner Widerstandsseite zu finden“, heißt es in der E-Mail. Auch Namen und Fotos von missliebigen Politikern, Journalisten, Gewerkschaftern und alternativen Jugendlichen werden auf der Seite veröffentlicht. Seit Erscheinen der Seite wurden viele betroffene Läden regelmäßig beschmiert und die Scheiben eingeschlagen. Auch Parteibüros der Grünen und der Linken waren betroffen.
Im Mai reagierte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und setzte die Seite auf den Index. Dass die Polizei trotz zahlreicher Anzeigen die Betreiber nicht ermitteln konnte, stößt bei Politikern auf Unverständnis. Selbst als im April Demokraten offen ein „Strick um den Hals“ oder eine „Kugel in den Bauch“ angedroht wurden, blieben die Macher unbehelligt. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, wer hinter der Webseite steckt. Als Betreiber gilt Sebastian Schmidtke aus dem NPD-Landesvorstand.
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