Brandenburg: Funkhaus-Deal: Berlins Senat kannte Marktchancen
Land lehnte Konzept des Wirtschaftssenators ab und überließ Millionengeschäft den Spekulanten. Dieses ist nun erneut geplatzt. Brandenburgs Finanzministerium sieht keinen Handlungsbedarf
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Berlin / Potsdam - Nach dem Verkauf eines Teils des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes in Berlin reißt die öffentliche Diskussion über die Umstände der Versteigerung am vergangenen Wochenende nicht ab. Wie nun bekannt wurde, hat das Land Berlin offenbar bewusst auf die gewinnträchtige Vermarktung des Areals an der Nalepastraße in Köpenick verzichtet. Wie aus einem internen Papier hervorgeht, das dieser Zeitung vorliegt, hat Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) in der Senatssitzung vom 8. November 2005 vorgeschlagen, das Gelände zum Zweck der besseren Vermarktung nicht mehr als Ganzes anzubieten, sondern dreizuteilen. Genau das tat schließlich eine Baumaschinenvermietung aus Sachsen-Anhalt, die der öffentlichen Hand das gesamte Areal für 350 000 Euro abkaufte und am vergangenen Sonnabend einen der drei Teile für 4,75 Millionen Euro versteigern ließ.
Zwar ist dieses Geschäft nun geplatzt, weil der Höchstbieter, ein Berliner Schönheitschirurg, die notwendige Anzahlung nicht rechtzeitig geleistet hat. Aber da ein konkurrierender Bieter erst bei 4,70 Millionen Euro ausgestiegen war, hat die Auktion das Marktpotenzial des Areals gezeigt. Wie Auktionator Mark Karhausen am Montagabend sagte, werde das Objekt nun voraussichtlich „zu einem ordentlichen Preis“ an einen anderen Bewerber gehen, „mit dem ich auch im Interesse der Nalepastraße sehr zufrieden wäre“.
Offenbar ist Wolf mit seinem Konzept im Senat aus zwei Gründen abgeblitzt: Zum einen kam es schlicht zu spät, weil am 3. November, also nur fünf Tage zuvor, die Baufirma zum Zuge gekommen war. Zum anderen hat Wolf nach Auskunft der Finanzverwaltung die Mehrheit der Senatoren einschließlich Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) nicht überzeugen können. Das Konzept empfiehlt, den denkmalgeschützten und weltweit renommierten Studiokomplex, als Geschäftssitz „für den stark wachsenden neuen Markt des digitalen Musikgeschäfts“, als Veranstaltungsfläche, für Hotels und für Gastronomie zu nutzen. Der Plan bezieht sich auf den jetzt versteigerten Teil mit seinen gut 35 000 Quadratmetern Nutzfläche.
Für das Nachbarstück an der Rummelsburger Landstraße empfiehlt Wolfs Konzept die Nutzung als Bau- oder Gewerbefläche. Jetzt gehört dieser Teil einer Firma namens „Spree Development“. Deren Geschäftsführer ist der Sohn des damaligen Chefs der Baumaschinenvermietung.
Der dritte, durch Altlasten kontaminierte Grundstücksteil wäre laut dem Papier für maximal drei Millionen Euro zu sanieren. Diese Summe könnte zu drei Vierteln von der EU gezahlt werden.
Auch die monatlich sechsstelligen Betriebskosten, ein Hauptargument für den Verkauf zum Spottpreis, könnten laut Papier gesenkt werden: „Ab 30.09.2006 wird voraussichtlich die Bewirtschaftung des Geländes ... ohne Defizit erfolgen können.“ Die Berliner Finanzverwaltung erklärte gestern, die Übernahme eines weiteren Gebäudes in Landesregie wäre nicht mit der Haushaltsordnung vereinbar gewesen. In der Wirtschaftsverwaltung hieß es: „Es hat leider nicht die notwendigen Mitspieler gegeben.“
Unterdessen hält sich Brandenburgs Finanzministerium bei der Beurteilung der gescheiterten Versteigerung zurück. „Wir können den Verkauf nicht bewerten, weil wir keine detaillierte Kenntnis zu einzelnen Vertragsinhalten haben“, so Ministeriumssprecher Gabriel Hesse. Bis zum Verkauf des Geländes gehörte das Areal anteilig den fünf neuen Bundesländern und Berlin. Unter der Federführung der landeseigenen Immobiliengesellschaft Sachsen-Anhalt (Limsa) wurde im November 2005 schließlich ein neuer Eigentümer für die Immobilie gefunden: die Jessener Bau und Praktik GmbH. Während die Hauptstadt Schritte wegen des Verkaufs zum Spottpreis in Erwägung zog, war Brandenburg an einem Einschreiten nicht interessiert. „Wir sind froh, dass es zu diesem Verkauf kam“, so Hesse. Nach PNN-Informationen wurde die Versteigerung durch den Neueigentümer intern jedoch als „fragwürdig“ bezeichnet.
Weniger zurückhaltend in ihrer Kritik an dem Umgang mit dem denkmalgeschützten Komplex sind einige der ansässigen Mieter. Werner Krumme, Betreiber der Planetroc-Studios, wirft dem Berliner Senat „absolutes Versagen“ vor. „In anderen Metropolen würde man sich die Finger nach so einem Komplex lecken und in Berlin wird er noch nicht einmal gewinnbringend verkauft sondern verschenkt“, so Krumme. Für den Musikstudio-Betreiber, bei dem in der Vergangenheit internationale Künstler wie Sting, die Black Eyed Peas oder Phoenix Platten einspielten, erweist sich „das ganze Hickhack als geschäftsschädigend“. So seien in den zurückliegenden Monaten einige potenzielle Interessenten vor der Anmietung seiner Studios zurückgeschreckt, weil durch nicht gezahlte Betriebskosten des Neueigentümers auf dem Gelände zwischenzeitlich sowohl Heizung als auch Strom abgestellt worden waren.
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