Brandenburg: Gänsezüchter fürchten die Vogelgrippe am meisten
Brandenburgs Agrarministerium lehnt eine sofortige Stallpflicht ab Veterinärämter beginnen mit regelmäßigen Stichproben bei Geflügelhaltern
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Brandenburgs Agrarministerium lehnt eine sofortige Stallpflicht ab Veterinärämter beginnen mit regelmäßigen Stichproben bei Geflügelhaltern Von Sandra Dassler Jämlitz - Die Gänse von Jämlitz im Spree- Neiße-Kreis haben bisher alles überstanden: Mit der Kollektivierung in der DDR hatten sie keine Probleme – die Gans ist bekanntlich ein Herdentier. Und unter marktwirtschaftlichen Bedingungen blieben sie sogar gegen die übermächtige Konkurrenz aus Polen erfolgreich. Schließlich konnte jeder, der sich in Jämlitz eine Weihnachtsgans bestellte, sehen, wie sein künftiger Braten fröhlich über die Weiden spazierte und nicht wie anderswo mit jeder Menge Kraftfutter in neun Wochen fett und schlachtreif werden musste. Aber nun könnte das Ende der Jämlitzer Geflügelzucht bevorstehen, fürchtet deren Leiterin Heike Flieger: „Als die Nachricht eintraf, dass es sich beim Vogelgrippe-Virus in der Türkei um das aus Asien handelt, wurde mir ganz schlecht. Wahrscheinlich werden jetzt bald die Notpläne in Kraft treten und wir müssen unsere Gänse in den Stall sperren.“ Das aber, sagt die Geflügelzüchterin, sei nur ganz schlecht möglich. Gänse brauchen den Auslauf, in den Stall gehen sie nur nachts – vor allem, um vor Füchsen und anderen Raubtieren sicher zu sein. „Wenn wir die Tiere im Stall einsperren müssen, gehen sie ein. Sie sind es nicht gewöhnt, dort von Menschen gefüttert und tage- oder gar wochenlang gehalten zu werden“, sagt Heike Flieger. Und hofft, dass die Verantwortlichen in Berlin und Potsdam das Geflügel noch nicht zwangsweise in den Stall schicken. Der Sprecher des Zentralverbands Deutsche Geflügelwirtschaft, Thomas Janning, ist da ganz anderer Ansicht: „Wir fordern, dass das Geflügel wie in einigen Bundesländern in ganz Deutschland und Europa sofort in die Ställe kommt. Wir müssen alles tun, um das Risiko zu vermindern.“ Für Gänsehalter müsse es freilich Sonderregelungen geben, meint Janning. „Aber wenn das Virus unser Geflügel erreicht, müssen tausende Tiere sterben – der wirtschaftliche Schaden wäre sehr groß.“ Im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium dagegen hält man eine sofortige Stallpflicht für das Federvieh für unangebracht: „Es kann hier nicht darum gehen, ganz viele Maßnahmen zu treffen – es müssen viel mehr die richtigen sein“, sagt Sprecher Jens-Uwe Schade. Er hält die Gefahr, dass das Virus – wenn überhaupt – durch Warenimporte eingeschleppt wird oder von Menschen, die aus der Türkei einreisen, für weitaus größer als eine Ansteckung durch Zugvögel: „Wir haben genaue Vorstellungen über deren Flugrouten, und die führen zumindest im Herbst nicht über Brandenburg.“ Unabhängig davon habe das Land ein Krisenmanagement, das seinesgleichen suche – findet der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, Bernd Möller: „Nach Jagden auf Wild- und Wasservögel gehen seit Anfang Oktober Stichproben an die Veterinärämter. Zugvögel wie Kraniche werden durch Naturschützer kontrolliert. Wenn das Virus H5N1 hier auftaucht, werden wir es schnell erfahren und können reagieren.“ Dann, sagen die Verantwortlichen, könnten ganze Landkreise in kürzester Zeit abgeriegelt werden. Das Gas zur Tötung infizierter Bestände steht ebenso bereit wie spezielle Container. Mit dem Schlimmsten rechnet aber bislang niemand. Die Veterinärämter der Landkreise beginnen morgen mit Stichproben in Betrieben mit mehr als 100 Tieren. Die Tierhalter müssen die Probeentnahme durch einen Tierarzt selbst bezahlen. Für die Untersuchungen der Proben im Landeslabor kommt das Land auf. Ob das brandenburgische Federvieh trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen noch eingesperrt werden muss, bleibt abzuwarten. Für die gewerblichen Hühnerhalter wäre das kaum ein Problem: Entweder leben ihre Hennen ohnehin in Käfigen. Oder sie finden Platz in den Ställen, die sie ohnehin nachts und zum Eierlegen nutzen, auch wenn sie sonst im Freien scharren. Mehr Sorgen haben die privaten Hühnerhalter, deren Ställe oft nicht ausreichen, um die Tiere dort ohne Quälerei unterzubringen. Viele von ihnen wollen deshalb die Tiere einfach schlachten. Das wäre auch die einzige Chance für die Gänsezüchter in Jämlitz. Aber da man dort auf Kraftfutter verzichtet, sind die Tiere eben tatsächlich erst zu Weihnachten fett.
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