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Brandenburg: Gefühlte Sicherheit im Wahlkreis

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) trifft Opfer von Grenzkriminalität in Angermünde

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Angermünde - Am Morgen bemerkte Udo Schellner, Chef eines Forstunternehmens, dass einer seiner Bagger aufgebrochen wurde. Die Batterie ist weg, der Diesel abgepumpt. Er musste Lastwagen umdisponieren, den Bauablauf ändern und den Schaden reparieren, das sind Kosten von 10 000 Euro. „Nach der Anzeige war die Polizei in einer Stunde hier, früher brauchten die drei bis vier Stunden“, sagt Schellner.

Jetzt, Stunden später, sitzt der 47-jährige Unternehmer im großen Saal des Rathauses von Angermünde. Es ist ein schmuckes Städtchen in der Uckermark, die Häuser sind saniert, viel Fachwerk, das Rathaus steht mitten auf dem Marktplatz. Hoher Besuch hat sich angekündigt: Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, Innenminister Dietmar Woidke (beide SPD) und Polizeipräsident Arne Feuring. Es ist nicht das erste Mal das sie hier sind. Es geht um Grenzkriminalität. Um gut organisierte Banden, die Autos und Baumaschinen stehlen und nach Polen über die Grenze und noch weiter bis nach Litauen und die Ukraine schaffen.

Im November hatten Schellner und andere Unternehmer genug, wollten sich nicht mehr von der Polizei sagen lassen, das der Statistik nach die Probleme mit gestohlenen Land- und Baumaschinen, die über die Grenze nach Polen geschafft werden, gar nicht so groß sind. Sie starteten eine Petition an den Landtag, es war ein Hilferuf und Wutausbruch zugleich, weil die Kriminalität ihre Existenz bedrohe, sie sich von der Politik in Stich gelassen fühlten und Polizei in die Grenzregion zur Polen fehlen. 92 uckermärkische Firmen mit rund 1300 Beschäftigten beteiligten sich an dem Aufruf. Seit 2007 seien 80 der Unternehmer bei 400 Einbrüchen bestohlen worden, der Schaden belaufe sich auf 2,2 Millionen Euro. Und sie ließen sich in der Lokalzeitung mit dem Satz zitieren: „In Platzecks Wahlkreis verschwindet täglich Technik im Wert von 10 000 Euro.“

Das saß. „Vorher hat das überhaupt niemanden interessiert“, sagt Schellner. Die Staatskanzlei meldete sich, auch der Innenminister und die Polizei. Anfang Januar kamen sie dann zu einem Krisengespräch. Seither ist einiges geschehen. Woidke stockte die Soko „Grenze“ und beorderte drei der vier insgesamt Polizeihundertschaften in die Grenzregion, inzwischen auf unbestimmte Zeit. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist die Zahl der Diebstähle in den Grenzgemeinden leicht gesunken, die Aufklärungsquote gestiegen. „Eine verhalten poisitive Tendenz“, nennt Polizeipräsident Feuring das. Hinter den Kulissen hat Woidke Druck bei seinen Kollegen in anderen Bundesländern und auch beim Bundesinnenministerium gemacht. Polen und Deutschland wollen jetzt die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz erleichtern, vieles ist schon einfacher geworden. Jetzt ist plötzlich von einem ernsthaften Problem die Rede. Lange nach dem Beitritt Polens zum EU-Schengenraum Ende 2007 hatte sich nur niemand getraut es zu sagen, dass Männer über die Grenze kommen, Autos stehlen, in Keller und Lauben einbrechen.

„Das Problem ist auf allen Ebenen erkannt“, sagt Platzeck jetzt im Angermünder Rathaus nach dem Treffen mit den Unternehmern und Uckermark-Landrat Dietmar Schulze (SPD) und Bürgermeistern, auch die Bundespolizei, der Zoll und die Staatsanwaltschaft. „Wir sind am Beginn eines langen Weges, aber schon mit deutlich sichtbaren Wegmarken.“ Es sei ein neuer Geist eingezogen.

Forstunternehmer Schellner ist erst einmal zufrieden. „Der Beweis ist erbracht, dass mit mehr Polizei auf der Straße auch etwas bewegt werden kann“, sagt er. Allerdings bleibe die Furcht, dass durch Reformen bei Polizei und Staatsanwaltschaft Stellen wegfallen könnten. Aber zumindest „ziehen wir an einem Strang“, die Polizei kümmere sich mehr und schaue häufiger vorbei. Auch die Unternehmer selbst seien aufmerksamer. Und er fühle sich jetzt ernst genommen, auch weil das Thema Chefsache ist, sagt Schellner. „Der Ministerpräsident hat Wort gehalten“, sagt er. Im Frühjahr 2013 will Platzeck wiederkommen – in seinen Wahlkreis. Alexander Fröhlich

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