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Brandenburg: Gehaltsaffäre erschüttert Linke
Empörung über Justizminister Ludwig auf Parteitag. Landeschef Görke: „Bodenhaftung verloren“
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Falkensee - Wie sehr es bei Brandenburgs Linken brodelt, offenbarte auch ein ehrlicher Dialog auf dem Podium. Das Mikrofon für den Livestream war noch an, versehentlich. „Ich bin so deprimiert wegen allem“, war plötzlich zu hören. „Das sind wir doch alle“, antwortete Matthias Löhr, Landtagsabgeordneter und Cottbuser Kreischef. Am Samstag leitete Löhr da gerade in der Stadthalle von Falkensee die Landesvertreterversammlung der Linken zur Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl, die von der Affäre um den eigenen Justizminister Stefan Ludwig und weitere Negativschlagzeilen um Linke-Politiker überschattet wurde.
Zwar kürten die rund 100 Genossen dann einstimmig die Agrarexpertin Kirsten Tackmann aus der Prignitz zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl 2017. Auf den nächsten Listenplätzen folgen Bundesschatzmeister Thomas Nord und die parteilose Anke Domscheit-Berg, eine der profiliertesten Netz-Aktivistinnen in Deutschland. Sie setzte sich in einer Kampfkandidatur gegen eine Genossin aus Brandenburg an der Havel durch.
Doch vorher sah sich Landeschef Christian Görke genötigt, seinen Parteifreunden ins Gewissen zu reden: „Wir dürfen niemals die Bodenhaftung verlieren. Ich hatte den Eindruck, dass das in letzter Zeit passiert ist!“ Ludwig war dabei der krasseste, aber nicht der einzige Fall. Als dieser im April den über eine Dienstwagenaffäre gestürzten Justizminister Helmuth Markov beerbte, hatte Ludwig zwar wie bei den Linken üblich sein Landtagsmandat niedergelegt. Doch Empörung in und außerhalb der Partei erregt, dass er den daraufhin gekündigten Mitarbeitern seines Wahlkreisbüros den Übergangslohn verweigerte. Unter anderem einer 60-jährigen Genossin, schwerbehindert und aus sozial schwachen Verhältnissen. Bei ihr ging es um drei Gehälter, um 1574,79 Euro, für die es Ludwig sogar auf einen Arbeitsgerichtsprozess ankommen ließ. Erst auf Druck hatte er kurz vor dem Parteitag eingelenkt, sich in einer schriftlichen Erklärung entschuldigt. Allerdings nur so, bei der Betroffenen selbst tat er das immer noch nicht.
„Ich habe mir Stefan zur Brust genommen, es war ein Riesenfehler“, sagte Görke. „Wer bei uns Verantwortung übernimmt, der muss sich darüber im Klaren sein, dass sein Tun und Handeln im besonderen Licht steht. Jeder trägt Verantwortung, ob diese Partei glaubwürdig ist.“ Soziale Gerechtigkeit sei „nicht vereinbar mit Bonusmeilen, Privilegien oder irgend gearteten Sonderbehandlungen“. Und nicht alles, was juristisch möglich sei, „ist auch moralisch vertretbar“. Und dann zitierte Görke noch aus einem bekannten Lied von Gerhard Schöne: „Mit dem Gesicht zum Volke und nicht mit den Füßen in einer Wolke.“ Ludwig selbst kam nicht nach Falkensee. Wegen eines Trauerfalls, hieß es. Und selbst in der Partei heißt es, nach seinem unsozialen Fehltritt sei er „politisch tot“.
Ein anderer Sünder wählte den Gang nach Canossa, in seinem Kampf um Listenplatz vier, den wohl letzten sicheren für einen Einzug in den Bundestag, um den drei Kandidaten rangen: Er habe negative Schlagzeilen mit seiner Inanspruchnahme des Bundestagsfahrdienstes für Fahrten nach Brandenburg produziert, sagte Norbert Müller, Potsdamer Bundestagsabgeordneter und Vize-Landeschef. „Das hat für ein verheerendes öffentliches Bild gesorgt. Dafür bitte ich Euch um Entschuldigung!“ Er bekam dafür Applaus und dann noch mehr für Attacken gegen die Bundeswehr, weil die immer mehr Minderjährige rekrutiere. „Das ist skandalös.“ Am Ende gewann Müller in einer nötigen Stichwahl mit 52,5 Prozent, äußerst knapp.
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