zum Hauptinhalt

Von Claudia Keller: Gewerbeverbot für Geschäfte mit dem Freitod?

Berlin erwägt bundesweite Regelung, Brandenburg würde mitmachen / Senat: Wer an Sterbehilfe verdient, handelt verwerflich

Stand:

Berlin/Potsdam - Der Berliner Senat will dem umstrittenen Sterbehelfer Roger Kusch das Handwerk legen – und das Land Brandenburg ist bereit, Berlin bei einem bundesweiten Vorstoß zu unterstüzen. Der frühere Hamburger Justizsenator Kusch hat in den vergangenen Monaten immer wieder Aufsehen erregt, weil er sterbewilligen Menschen beim Selbstmord hilft und sich dafür bezahlen lässt. Vor einer knappen Woche wurde er zum ersten Mal in Berlin tätig.

„Was Kusch macht, ist hochproblematisch“, sagt Berlins Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke). „Die Bundesregierung muss im Gewerberecht die Grundlage für ein Verbot der gewerblichen Sterbehilfe schaffen.“ Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sehe das ähnlich, sagt ihr Sprecher. So wie Waffenhandel verboten und Glücksspiel nur eingeschränkt möglich ist, so könne man auch das Geschäft mit dem Freitod auf Bestellung in der Gewerbeordnung verbieten, sagt Klaus Lederer, Berliner Landeschef und rechtspolitischer Sprecher der Linkspartei.

Das brandenburgische Sozialministerium signalisierte gestern Unterstützung für eine solche Initiative. Sollte der Senat eine Bundesratsinitiative starten, werde Brandenburg dies unterstützen hieß es. Der Sprecher von Gesundheits- und Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD), Jens Büttner, sagte den PNN, man stehe dem Ansinnen aufgeschlossen gegenüber.

Roger Kusch hat am vergangenen Sonnabend einen 56-jährigen Berliner beim Selbstmord „begleitet“, wie Kusch es ausdrückt. Er sagt, es sei sein vierter Fall von Suizidbeihilfe. Für seine Sterbehilfe ist er noch nicht strafrechtlich belangt worden, weil er nach eigenen Angaben das Zimmer verlässt, bevor sich die Sterbewilligen selbst töten. Kusch verlangt für seine Dienste 8000 Euro.

„Was Kusch macht, ist verwerflich“, sagt Linke-Politiker Lederer. „Das muss unterbunden werden.“ Dies sei Konsens im Senat. Aber anders als es eine Bundesratsinitiative der unionsgeführten Bundesländer im Juli vorsah, will Berlin dafür keinen Straftatbestand schaffen. „Ein Gesetz, das gewerbliche Sterbehilfe als Straftatbestand verankern würde, wäre die Einführung der strafbaren Beihilfe zum an sich straflosen Selbstmord“, begründet der Sprecher der Justizsenatorin, warum Berlin die Bundesratsinitiative abgelehnt hat.

Auch SPD-Rechtsexperte Fritz Felgentreu hält das Strafrecht für ungeeignet, um Sterbehilfe zu verhindern. „Bestimmte letzte Dinge sollte man nicht strafrechtlich regeln.“ Auch er hält eine Änderung des Gewerberechts für angemessen. So würden diejenigen bestraft, die die Todessehnsucht von Menschen für eigene Zwecke ausnutzten, und nicht diejenigen, die diese Todessehnsucht haben. Auch den überarbeiteten Entwurf der unionsgeführten Länder werde man „voraussichtlich ablehnen“, sagte der Sprecher der Justizverwaltung. Denn auch darin ist weiterhin vorgesehen, die gewerbliche Sterbehilfe als Straftat zu bewerten, anders als im Entwurf vom Juli soll dies aber nur noch für Sterbehilfeorganisationen gelten, die für ihren Service öffentlich werben.

Die Justizsenatorin und die Gesundheitssenatorin sind zuversichtlich, dass man gewerbliche Suizidbegleitung über das Gewerberecht verhindern kann. Der Gesetzgeber könne bestimmte Praktiken unterbinden, die jetzt noch unter die Gewerbefreiheit fallen, sagt Klaus Lederer.

Wer gegen die Gewerbeordnung verstößt, kann mit einem Bußgeld von bis zu 50 000 Euro sanktioniert werden; bei Wiederholung mit einer Freiheitsstrafe. Das Gewerberecht ist Bundesrecht. (mit pet)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })