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Neues Kurssystem. Brandenburger Elftklässler müssen ab 2014 fünf Kurse auf erhöhtem Niveau belegen: In Deutsch, Mathe, Naturwissenschaften und Fremdsprachen haben sie je vier Stunden Unterricht.

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Gemeinsames Abitur 2014: Gleiche Prüfung mit weniger Unterricht

Brandenburgische Bildungspolitiker aus Regierung und Opposition, aber auch Eltern und Schüler laufen Sturm gegen gemeinsames Abitur mit Berlin.

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Potsdam - Der Protest gegen die Abiturreform zieht weitere Kreise: Nachdem im Oktober Brandenburger Eltern die Initiative „Faires Abi 2014“ gegründet hatte, organisieren jetzt auch Schüler landesweit ihren Protest gegen das Vorgehen von Bildungsministerin Martina Münch (SPD). Am heutigen Montag veranstalten sie zum ersten Mal eine Diskussionsrunde im Runge-Gymnasium in Oranienburg (Oberhavel). Zugesagt haben Staatssekretär Burkhard Jungkamp, der Landeselternrat sowie Politiker von CDU, Linke und FDP.

Seit diesem Schuljahr gilt für die gymnasiale Oberstufe in Brandenburg ein neues Kurssystem. Anstatt bisher zwei Leistungskurse à fünf Stunden müssen Elftklässler fünf Kurse auf erhöhtem Niveau belegen: In Deutsch, Mathe, Naturwissenschaften und Fremdsprachen haben sie je vier Stunden Unterricht.

Die Brandenburger Schüler sollen 2014 erstmals drei schriftliche Abiturprüfungen auf erhöhtem Niveau ablegen, zwei als gemeinsames Zentralabitur mit dem Nachbarland Berlin. Dort besteht aber das Leistungskurs-System fort: Berliner Abiturienten haben demzufolge je eine Prüfung weniger, dafür haben sie in den zentralen Fächerm eine Wochenstunde mehr Unterricht. „In Brandenburg findet in wichtigen Abiturfächern 20 bis 33 Prozent weniger Unterricht als in Berlin statt“, klagt der Landeselternrat. „Brandenburger müssen mit rund 80 Schulstunden weniger pro Fach die gleichen Leistungen erbringen“, sagt auch die 16-jährige Clara Stroetmann aus Birkenwerder. Sie und ihre Mitschülerin Clara Pioch organisieren die Veranstaltung und haben die Initiative „Faires Abi in Berlin Brandenburg“ gegründet.

Zwar schloss schon im April Bildungsministerin Münch in einem Brief die Benachteiligung von Brandenburger Schülern aus. Schließlich würde in den Erwartungshorizonten für die Prüfung die unterschiedliche Stundenzahl berücksichtigt. Die Bewertung der Prüfungsleistung erfolge außerdem durch die jeweilige Lehrkraft „immer vor dem Hintergrund der konkreten unterrichtlichen Voraussetzungen“. Im Fach Mathematik seien sogar spezielle Aufgaben geplant. Doch den Eltern und den Schülern ist das zu schwammig. „Zwangsläufig resultiert daraus eine große Zahl an Punkten, die rein subjektiv vergeben werden können“, sagt Clara Stroetmann. „Das ist nicht fair. Wir wollen ein möglichst gerechtes Abi für alle.“ Kritik kommt auch vom Landeselternrat. „Diese Maßnahmen reichen aus unserer Sicht nicht aus“, heißt es zu den Zugeständnissen des Ministeriums. „Wir fordern, dass die geringere Stundenzahl in Brandenburg stärker berücksichtigt wird und auch in den Sprachfächern unterschiedliche Aufgaben verwendet werden. Das Ministerium rückt von seiner Position allerdings nicht ab. „Das bleibt so“, sagt Sprecher Stefan Breiding. Kein Brandenburger werde einen Nachteil im Abitur haben, erklärt er. Eine Stunde mehr oder weniger sei schließlich nicht entscheidend für die Grundkompetenzen, die in den Prüfungen nachzuweisen seien.

„Das ist Quatsch“, sagt die Bildungsexpertin der Linke-Fraktion im Landtag, Gerrit Große, und widerspricht damit der Linie des SPD-geführten Ministeriums. Eine Stunde weniger sei schon ein Unterschied, schließlich erwerbe man Kompetenzen durch Üben und Festigen, gerade auch in den Fremdsprachen. Das gemeinsame Abitur mit Berlin hält sie für „sehr problematisch“. „Es lastet dadurch ein unglaublicher Druck auf den Schülern und Eltern. Das ist nicht gedeihlich für das, was in der Abiturstufe erreicht werden soll“, sagt Große. Ihre Forderung, das gemeinsame Abitur zu verschieben, wurde vom Koalitionspartner SPD abgelehnt. „Alle meine Proteste sind versiegt. Wahrscheinlich ist es jetzt auch schon zu spät.“

Auch die CDU habe seit Langem Veränderungen angemahnt und Anfragen in den Landtag eingebracht, sagt Bildungspolitikerin Beate Blechinger. „Ich sehe eine große Benachteilgung der Brandenburger Schüler.“ Die Bereitschaft des Ministeriums, sich des Problems anzunehmen, fehle aber. Der einzige Hebel wären Klagen der Eltern. Auf einen drohenden Rechtsstreit reagiert Ministeriumssprecher Breiding sehr gelassen: „Wir haben das rechtlich prüfen lassen, die Erfolgsaussichten bei einer Klage gehen gegen Null.“ Er verweist außerdem auf den jüngsten Beschluss der Kultusministerkonferenz. Demnach sollen ab 2017 bundesweit gleiche Abiturstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch gelten. „Der Trend geht hin zu mehr Gemeinsamkeiten. Davon können wir nicht abgehen“, so Breiding.

Für die Schüler der Gymnasien und Gesamtschulen ist das wenig Trost. Mehr als 1600 Unterschriften haben Clara Stroetmann und Clara Pioch in den letzten Wochen gesammelt. „Wir haben aber das Gefühl, vom Ministerium nicht ernst genommen zu werden“, sagt Stroetmann. Bereits im September hat Pioch einen Brief an Münch geschrieben. Eine Antwort bekam sie nicht.

Grit Weirauch

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