
© dpa
Von Thorsten Metzner: Grüne allein gegen „rote Barone“
CDU und FDP machen Angriff von Fraktionschef Axel Vogel gegen heutige Agrar-Strukturen nicht mit
Stand:
Potsdam - Der Streit um Konsequenzen aus der Zwangskollektivierung in der DDR-Landwirtschaft sorgt im Land Brandenburg erstmals für Risse innerhalb der sogenannten Jamaika-Opposition des Landtages. Und das unmittelbar vor einer Sondersitzung des Hauptausschusses am Freitag, auf der CDU, FDP und Grüne Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und die rot-rote Koalition in Bedrängnis bringen wollen. Nun sehen sich Liberale und CDU gezwungen, auf Distanz zu Grünen-Fraktionschef Axel Vogel zu gehen, der die Existenzberechtigung der aus den LPGs entstandenen Agrargenossenschaften als Unrecht in Frage gestellt, eine bruchlose Kontinuität der Agrarpolitik vor und nach 1989 beklagt und sogar erklärt hatte: „In den großen Landwirtschaftsbetrieben lebt Gedankengut des Frühkommunismus und des Leninismus fort.“
Dass Vogel damit aus der Geschichtsdebatte eine – hochbrisante – um die aktuellen, von der Bevölkerung akzeptierten Agrarstrukturen im Land macht, geht selbst CDU und FDP zu weit. „Die CDU stellt die Agrarstrukturen nicht in Frage. Das war nicht unser Ansatz, das wird nicht unser Ansatz sein“, sagte CDU-Vizefraktionschef und Generalsekretär Dieter Dombrowski. Und CDU-Vizeparteichef Sven Petke erklärte zu Vogel: „Ich lebe auf dem Dorfe. Ich kann dieser Argumentation nicht folgen.“ Für den Landwirtschaftssprecher der FDP-Fraktion, Gregor Beyer, ist es ein „Glück, dass wir in Brandenburg, ja in ganz Ostdeutschland starke Agrarstrukturen haben, die in wesentlichen Teilen deutlich konkurrenzfähiger sind als in anderen Ländern.“ Er sagte, die Mark habe „schon vor den Weltkriegen durch große Agrar-Unternehmungen geprägt war, im Unterschied zu Baden-Württemberg oder Bayern“. Die heutigen Agrargenossenschaften seien eine legitime, auf rechtsstaatlicher Grundlage nach 1990 entstandene Eigentumsform. Auch Leninismus in den Chefetagen sieht Beyer nicht. Die Chefs seien Menschen, „die täglich vor der Herausforderung stünden, ihr Einkommen und das ihrer Beschäftigten zu sichern“.
Die rot-roten Reaktionen fielen schärfer aus. „Das ist schon unerhört“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den PNN. Er empfahl Vogel, auf dem Landesbauerntag in Paaren/Glien kommende Woche „seine Sichten zu erläutern.“ Es sei eine „Zumutung“, Landwirten, die sich nach 1990 – auf Grundlage von Beschlüssen der CDU/FDP-Bundesregierung – „frei entschieden“ hätten, in die Genossenschaften zu gehen, so zu benoten. Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) warnte, „große und kleine Betriebe gegeneinander auszuspielen“. Der SPD-Fraktionschef und Ex-Agrarminister Dietmar Woidke sagte: „Mir hat es die Sprache verschlagen.“ Sein Großvater sei Opfer der Zwangskollektivierung gewesen. Doch habe nach 1990 jeder entscheiden können, wem er seine Flächen verpachte. Woidke sieht sich darin bestätigt, dass die Opposition - die die Zwangskollektivierung von der Enquetekommission zur Aufarbeitung des SED-Regimes untersuchen lassen will – von Beginn an eine Agrar-Strukturdebatte anzetteln wollte. Die sei „schädlich“, sagte er, „denn wir haben die wettbewerbsfähigste Landwirtschaft Deutschlands und die ökologischste auch“. Der SPD-Abgeordnete Udo Folgart, Geschäftsführer zweier LPG-Nachfolgebetriebe und Chef des Bauernverbandes, der Lobby-Organisation der Agrargenossenschaften, warf Vogel vor, mit seinen „wirren Lehren“ die „Brandenburger Landwirtschaft“ zu beleidigen. Dies sein ein „Angriff“ auf deren „Existenzgrundlage“. Die Linke-Agrarpolitikerin Kornelia Wehlan sagte, die Zwangskollektivierung sei „ein Prozess des Unrechts gewesen, verbunden mit Repressalien.“ Trotzdem könne „man nicht negieren, was stattgefunden hat“.
Grünen-Fraktionschef Vogel überrascht der Aufschrei nicht, auch nicht die von CDU und FDP. Die Union etwa, auch aus der DDR-Bauernpartei entstanden, habe ihr „Päcklein“ zu tragen. Und ihre Landwirtschaftspolitik früherer Jahre unterscheide sich nicht von SPD und Linken. Vogel blieb bei seiner radikalen Kritik an den früheren Groß-LPGs, damals wie heute geprägt durch „Ernteschlachten, Tonnennideologie und Feldern bis zum Horizont“. Die Auswirkungen auf ökologische Vielfalt seien negativ, die Wertschöpfung und Arbeitsplatzeffekte niedriger als in bäuerlichen Betrieben (siehe Kasten).
So allein auf weiter Flur die Grünen damit im Landtag stehen. Rückendeckung kam, teilweise, vom Bauernbund. Der vertritt die bäuerlichen Familienbetriebe im Land. Geschäftsführer Reinhard Jung erinnerte daran, dass Auslöser der Debatte das vom Bauernbund in Kyritz eingeweihte Denkmal zum 50.Jahrestag der Zwangskollektivierung war. „Wir wollten eigentlich an die Opfer erinnern.“ Er zeigte sich überrascht, dass daraus eine Agrar-Debatte wurde. „Herr Vogel hat Recht, wenn er nach der Wende eine ungebrochene Traditionslinie zur DDR-Landwirtschaftspolitik sieht“, sagte Jung. „Bauern, die privat anfangen wollten, wurden ausgebremst. Die Großbetriebe konnten ihre ausgeschiedenen Mitglieder billig abspeisen, bekamen ihre Altschulden erlassen und erhielten bevorzugt Zugriff auf dieTreuhandflächen.“ Trotzdem wollte selbst Jung den heutigen Agrargenossenschaften die Existenzberechtigung nicht pauschal absprechen. „Wir sind überzeugt davon, dass unsere bäuerlichen Familienbetriebe leistungsfähiger sind als die LPG-Dinosaurier“, sagte er – und forderte ein Ende von deren Bevorzugung durch den Staat: „Es würde reichen, gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: