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Von Alexander Fröhlich, Thorsten Metzner und Peter Tiede: Grünen-Schatzmeister und 40 000 Euro weg Landesverband stellt Strafanzeige, ist aber

laut Parteispitze weiter zahlungsfähig

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Potsdam - Es klingt wie eine Räuberpistole, und ist für Brandenburgs Grüne doch bitterer Ernst: Der Landesverband hat Strafanzeige gestellt, weil in der Parteikasse 40 000 Euro fehlen. Im Verdacht steht der 33-jährige langjährige Landesschatzmeister Christian Goetjes, der auch noch spurlos verschwunden ist, wie die beiden Landeschefs Annalena Baerbock und Benjamin Raschke am Mittwoch mitteilten. „Wir sind absolut schockiert“, sagte Baerbock. „Wir haben alle relevanten Konten gesperrt.“ Die Hintergründe sind mysteriös. Goetjes wird polizeilich gesucht, nachdem die Eltern auch noch eine Vermisstenanzeige gestellt haben. Die Grünen-Chefs schließen eine „Lebenskrise“ nicht aus. In der Partei herrscht blankes Entsetzen. Denn die Auswirkungen sind gravierend. Der Landesspitze wies am Abend Spekulationen zurück, dass der Landesverband vor der Pleite stehe und auf Kredite des Bundesverbandes hoffe. Baerbock sagte, Mieten und Gehälter könnten „bezahlt“ werden. Allerdings müsste für künftige Projekte nun Geld intern umgeschichtet werden. Es gebe zur Not auch Rücklagen.

Nach der Grünen-Erklärung, die Mittwochmittag an die Medien und an alle Mitglieder verschickt wurde, hatte Goetjes am Montag seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Und zwar „schriftlich“, mit einer E-Mail. Seitdem sei er nicht mehr erreichbar gewesen, hieß es. Zur Sitzung des Landesvorstandes am Abend kam er nicht. Als Raschke und Baerbock die Konten der Partei unter die Lupe nahmen, die 2009 nach vierzehnjähriger Abstinenz in den Landtag eingezogen war, taten sich Abgründe auf. „Dabei mussten wir feststellen, dass in den letzten Tagen Barabhebungen nach jetzigem Stand in Höhe von rund 40 000 Euro getätigt wurden, von denen der Landesvorstand keine Kenntnis hatte.“ Es hatte gleich mehrere unerklärliche Abhebungen gegeben, letzten Donnerstag, Freitag und zuletzt am 21.Februar, also noch am Montag, als die Rücktrittserklärung von Goetjes einging. Aufgrund der „momentan vorliegenden Fakten“ sehe man sich „rechtlich und politisch gezwungen, Strafanzeige zu erstatten“. Nach Angaben der Landeschefs hat nur ein „sehr kleiner Personenkreis“ Zugang zu den Konten. Den Grünen könnte zum Verhängnis geworden sein, dass sie nicht das in Vereinen übliche Vier-Augen-Prinzip gewahrt haben. Demnach wären Abhebungen nur möglich, wenn zwei Inhaber von Kontovollmachten zum Abheben erscheinen. Zudem war der Schatzmeister nach PNN-Informationen auch nicht auf seine persönlichen finanziellen Verhältnisse überprüft worden.

Der 33-jährige Goetjes, seit 2000 Schatzmeister unter mehreren Landeschefs, gilt trotz seines jungen Alters als ein grünes Urgestein. Er war früher Chef des Landesschulbeirates, saß bisher als Grünen-Fraktionschef im Stadtparlament von Hohen Neuendorf und ist seit 2008 im Vorstand des Kreisverbandes Oberhavel. Er hatte seit 2006 Wirtschaftswissenschaften in Berlin studiert, sei dort vergangenes Jahr exmatrikuliert worden, wie Nachfragen der Grünen ergaben. Die Polizei recherchiert bislang im privaten und beruflichen Umfeld des jungen Mannes, fahndet nach seinem verschwundenen Wagen.

Goetjes hatte schon vor etwa zwei Wochen eine E-Mail an den Landesvorstand geschickt, in der er Rücktrittsabsichten äußerte. Die Belastung mit den Prüfungen und dem Ehrenamt werde zu viel für ihn.  Vom Landesvorstand war er dann auf die nächste Landesvorstandssitzung Anfang der Woche vertröstet worden, zu der er dann nicht mehr erschien.

Die Grünen versuchten am Mittwoch, die Affäre von der Landtagsfraktion fernzuhalten. Unter Verweis auf Absprachen mit der Landesspitze wollte Chef Axel Vogel keinen Kommentar abgeben.

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