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Für Erdkabel. Damit Naturlandschaft in Brandenburg erhalten bleibt, wollen Grüne und FDP im Potsdamer Landtag einen gemeinsamen Gesetzentwurf für Erdkabel. Danach sollen 110-Kilovolt-Leitungen grundsätzlich nur noch unterirdisch gebaut werden dürfen.

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Brandenburg: Gutachten: Stromnetz vor dem Zusammenbruch

Experten fordern Ausbau der Kapazitäten / FDP und Grüne für Bau unterirdischer Leitungen

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Potsdam - In Brandenburg wird die Energieversorgung das Reizthema Nummer eins: Nach Windrädern und Kohlendioxid-Endlagerstätten sorgen neue Hochspannungstrassen wie in der Uckermark oder in Marquardt bei Potsdam zunehmend für Proteste der Bevölkerung. In einer ungewöhnlichen Allianz treiben deshalb Grüne und FDP im Potsdamer Landtag einen gemeinsamen Gesetzentwurf für „Erdkabel“ voran. Danach sollen 110-Kilovolt-Leitungen grundsätzlich nur noch unterirdisch gebaut werden dürfen, neue Freileitungen künftig nur noch in Ausnahmen zulässig sein.

Neue Super-Trassen wie die umstrittene geplante 380-Kilovolt-Uckermarkleitung müssten danach künftig zumindest nahe von Wohnsiedlungen und in geschützten Gebieten „verbuddelt“ werden. Auf einer Experten-Anhörung im Landtag wurden am Mittwoch zwar juristische Bedenken geäußert, ob das Land damit nicht zu sehr in Bundeskompetenzen eingreift. Das ist auch der Grund für Skepsis in den Reihen von Rot-Rot und der Union. Doch fand der Ansatz grundsätzlich Zuspruch.

Offen zeigte sich dafür auch Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke): „Der Netzausbau ist notwendig. Das ist unumstritten. Wenn wir das schaffen wollen, brauchen wir Akzeptanz und Rechtssicherheit“. Die Herausforderung ist dramatisch. In Brandenburg müssten nach PNN-Recherchen bis 2020 rund 1000 Kilometer neue 110-KV-Leitungen und rund 400 Kilometer 380-KV-Leitungen gebaut werden, da sonst nach Studien bei Überlastungen ein „Black-Out“ des Stromnetzes in der Hauptstadtregion droht. Es könnte, so Experten, dann auch nicht kurzfristig wieder hochgefahren werden.

Hintergrund ist der Ausbau erneuerbarer Energien. Der wird nach einer Deutschland-Studie in keinem anderen Bundesland so vorangetrieben wie in Brandenburg, das 2008 und 2010 dafür mit dem „Leitstern“ der Bundesregierung ausgezeichnet wurde. Doch fällt etwa Windstrom nicht gleichmäßig an, so dass es zu kurzen, extrem starken Einspeisungen in Netze kommt, die dafür nicht ausgelegt sind. Schon jetzt müssen Betreiber immer häufiger mit technischen Sonder-Maßnahmen gegensteuern, um die Netze stabil zu halten, erklärte Professor Harald Schwarz von der BTU Cottbus. 2006 war das an 80 Tagen der Fall, 2007 an 155 Tagen, 2008 an 175 Tagen, 2009 an 197 Tagen. Allerdings, so warnte etwa Professor Helmut Lecheler von der Freien Universität Berlin, sind auch Erdkabel allein kein Allheilmittel. Für Höchstspannungsleitungen – also 380-Kilovolt aufwärts – seien diese bislang nicht genehmigungsfähig. Außerdem drohten höhere Strompreise. Stattdessen brachte Lechler ein „neues Design a la Christo “ für  Hochspannungsmasten ins Spiel, gewissermaßen als Skulpturen in der Landschaft, um die Bevölkerung zu begeistern. „Die wird erst Recht die Wände hochgehen“, widersprach prompt Rechtsanwalt Philipp Heinz, der Anti-Trassen-Bürgerinitiativen vertritt. Erdkabel seien in Großstädten längst üblich. Bei neuen Strom-Trassen gehe es um viel mehr, nämlich auch um Immobilienwerte und damit um die Altersvorsorge Tausender Menschen. Auch Professor Lorenz Jarass (Wiesbaden) ermunterte Brandenburg, wie Niedersachsen ein „Erdkabelgesetz“ zu wagen. „Soll der Bund doch klagen!“ Zuvor hatte Julia Platter, Juristin beim parlamentarischen Beratungsdienst des Landtages, erklärt, dass das Land hier wegen alleiniger Bundeskompetenz derzeit keine Gesetzgebungsmöglichkeit habe. „Die Sperrwirkung ist da.“ Jenseits der juristischen Fragen hielt der Angermünder Milch-Unternehmer Gunnar Hemme, der die Bürgerinitiative „Wir in der Biosphäre“ gegen die Uckermarkleitung vertritt, ein eindringliches Öko-Plädoyer – für Erdkabel. „Respektieren Sie eine schützenswerte Landschaft! Sie tun etwas für Brandenburg, für Berlin, für Menschen in Deutschland und für die Nachwelt.“ Thorsten Metzner

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