Brandenburg: Hass in der Moschee
Ein Prediger hat in Neukölln zur Tötung von Juden aufgerufen. Die Polizei ermittelt jetzt
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Berlin - Gaza ist für die Berliner Polizei überall, auf der Straße und im Internet. Am Wochenende tauchte bei Youtube ein Video der Freitagspredigt in der Neuköllner Al-Nur-Moschee auf. O Allah, destroy the Zionist Jews", ruft der Prediger darin. Veröffentlicht wurde das Video von „Memri TV“ einer jüdischen Organisation in den USA, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Stimmung in arabischen Ländern zu dokumentieren. Nach Angaben von Polizeisprecher Stefan Redlich liegen mittlerweile zehn Strafanzeigen aus der Bevölkerung vor, darunter eine des Berliner Abgeordneten Burkard Dregger (CDU). Nach dem derzeitigen Stand gehe man von einem volksverhetzenden Inhalt aus, hieß es. Derzeit werde eine professionelle Übersetzung des arabischen Originaltons gefertigt. Das Video ist von Memri mit englischen Untertiteln versehen, eine Übersetzung durch den Tagesspiegel ergab eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Original und Untertitel. Demnach sagte der Imam unter anderem über Juden: „kill them to the last“, also: „Tötet sie bis zum Letzten".
Nach Angaben von Memri soll es sich um die Freitagspredigt letzter Woche handeln; die Polizei versucht jetzt, dafür einen Beweis zu finden. Der Prediger stammt nach Erkenntnissen des Staatsschutzes aus Dänemark und soll sich am Montag nicht in Berlin aufgehalten haben. Unklar blieb, ob bekannt ist, wann Bilal Ismail zuletzt in Berlin war. Der Berliner Verfassungsschutz zählt zwei Moscheen in Berlin zu den Treffpunkten von Salafisten, darunter die Neuköllner Al-Nur-Moschee. Das American Jewish Committee (AJC) verurteilte die Hasspredigt von Imam Bilal Ismail auf das Schärfste und forderte, dass mit allen rechtlichen Mitteln gegen den Imam vorgegangen wird. „Die Hasspredigt des Berliner Imam ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Sie muss nun mit aller Härte des Gesetzes gegen den Prediger vorgehen. Der Aufruf zum Mord ist mit nichts zu rechtfertigen“, sagt Deidre Berger, Direktorin der Berliner AJC-Vertretung. Die Staatsanwaltschaft wollte sich nicht äußern, sie wartet auf die bestätigte Übersetzung der Polizei. Davon unabhängig hat sich das Polizeipräsidium am Sonntag an Youtube gewandt, mit der Bitte das Video zu sperren. Bis Montagnachmittag war es jedoch noch zu sehen.
Unterdessen hat die Polizei bei der Diskussion über das Vorgehen bei antisemitischen Parolen auf arabischen Demonstrationen eine Lösung gefunden. Wie berichtet, war am Donnerstag bei einer Gaza-Solidaritätsdemo immer wieder laut „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein“ skandiert worden. Doch sei dies keine Volksverhetzung im Sinne des Strafgesetzbuches, habe eine „vorläufige Einschätzung“ durch die Staatsanwaltschaft ergeben. Das Polizeipräsidium hat man sich deshalb entschlossen, die Parole künftig über das Versammlungsrecht per Auflage zu untersagen. Solche Auflagen sind je nach Demo unterschiedlich, bei NPD-Aufmärschen dürfen zum Beispiel keine Stahlkappenschuhe getragen werden. Dem Vernehmen nach soll diese Auflage bei der für Dienstagnachmittag geplanten Gaza-Demo auf dem Potsdamer Platz noch nicht gelten.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist „Jude, Jude, feiges Schwein“ nur eine Beleidigung. Bei einer Beleidigung könne die Polizei anders als bei einer Volksverhetzung nicht von sich aus einschreiten. Erst wenn sich ein Zeuge bei einer Demo beleidigt fühle und Anzeige erstatte, könnten die Personalien der Rufer aufgenommen werden. Wie berichtet, hatte das American Jewish Committee Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Die Polizei hat am Wochenende auch die Rufe „Kindermörder Israel“ und „Kindermörder Netanjahu“ rechtlich prüfen lassen. Ergebnis: Diese sind nicht einmal eine Beleidigung. Der frühere Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Jürgen Sudhoff, kritisierte, dass Innensenator Frank Henkel (CDU) sich erst am Montag zu Wort gemeldet hat. In einem Brief an Henkel, der dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt Sudhoff: „Sie haben durch Nichtstun und Schweigen dem Ansehen Deutschlands einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zugefügt. Die Strafanzeige des AJC zeigt, dass der Vorfall internationale Dimensionen angenommen hat.“ Jörn Hasselmann
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