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Stasi-Vergangenheit von Andrej Holm: Hätte Müller mal Woidke gefragt
Ein Stasi-belasteter Staatssekretär wäre bei uns undenkbar, heißt es aus Brandenburg. Und was sagt der Regierende Bürgermeister Müller zur Affäre Holm? Gar nichts.
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Potsdam/Berlin - In Brandenburg löst der Umgang des Berliner Senats mit den Stasi-Vorwürfen gegen den neuen Baustaatssekretär Andrej Holm Verwunderung aus. Auch wegen eigener schlechter Erfahrungen mit früheren Stasi-Mitarbeitern. In Brandenburg wäre Holm jedenfalls nicht Staatssekretär geworden. Es gebe klare Regelungen, sagte Regierungssprecher Florian Engels. Für alle Führungspositionen ab Abteilungsleitern, also eine Ebene unter den Staatssekretären, werde generell eine Regelanfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörden gestellt, wenn die Betroffenen im Jahr 1989 bereits 18 Jahre alt, also volljährig waren. „Wird eine Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit festgestellt, ist eine Besetzung nicht möglich“, sagte Engels den PNN. Ansonsten wollte sich der Regierungssprecher nicht zum Fall Holm äußern. „Das Thema ist uns im Detail nicht bekannt und kann deshalb von uns nicht bewertet werden“, sagte er. „Wir geben der Berliner Landesregierung in der Angelegenheit selbstverständlich keine Ratschläge – die erwartet von uns auch niemand.“
Doch in Brandenburgs Landes-SPD herrscht Unverständnis über das Agieren der Genossen im neuen rot-rot-grünen Senat. Im politischen Potsdam wird besonders das Vorgehen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) kritisch gesehen und als ungeschickt bezeichnet. Es sei – unabhängig von der Schwere des Falls – absehbar gewesen, dass Holms frühere Tätigkeit bei der Staatssicherheit nicht nur wenige Tage hohe Wellen schlägt, sondern den Start des neuen SPD-geführten Senats über Wochen überschatten und belasten wird, hieß es.
Berlins Regierungsspitze setzt auf Abwarten
Unterdessen setzen der Regierende Bürgermeister und die Senatskanzlei weiter auf Abwarten und sehen allenfalls bei Holm selbst Handlungsbedarf, für Klarheit zu sorgen. „Nach wie vor ist Herr Holm aufgefordert, alle Fragen zu beantworten und sich selbst zu prüfen, ob er diesem Staat treue Dienste leisten kann, die den Anforderungen an einen Staatssekretär entsprechen. Dem ist nichts hinzuzufügen“, hieß es in einer Mitteilung am Mittwoch. Gleiches galt laut Nachfrage auch am Donnerstag. Bisher gibt es demnach aus dem Roten Rathaus keinerlei Bewertung zu den bekannt gewordenen Ungereimtheiten und neuen Erkenntnissen in Holms Biografie. Auch Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), die Holm am Dienstag zum Staatssekretär ernannt hat, äußert sich bisher nicht inhaltlich zu den Vorwürfen und verweist darauf, dass man die Überprüfung durch die Stasi-Unterlagenbehörde abwarte. Holms Ernennung erfolgte – wie bei anderen Staatssekretären auch – auf Probe, bis die Überprüfung erfolgt ist.
Holm gibt jetzt an, er habe seine Ende 1989 hauptamtlich begonnene Offizierslaufbahn nur als Ausbildung beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ begriffen – also als eine Art Grundwehrdienst bei der Stasi. Dass er sich bei der Personalüberprüfung nicht korrekt als früherer Offiziersschüler ausgab, sei keine absichtliche Lüge gewesen, sondern sein „damaliger Wissensstand“.
Beispiel Brandenburg zeigt: Das alles wäre vermeidbar gewesen
Bei den Grünen nimmt inzwischen die Skepsis zu. Fraktionschefin Antje Kapek zeigte sich nach der letzten Erklärung Holms verwundert: „Es ist fraglich, ob nun tatsächlich alle Fakten zu seiner Stasi-Tätigkeit auf dem Tisch liegen.“ Die CDU-Fraktion hingegen fordert Müller mit deutlichen Worten auf, zu reagieren und Holm als Staatssekretär zurückzuziehen. Seine Ernennung sei „falsch und untragbar“ gewesen. „Der Regierende Bürgermeister reagiert mit völlig unangemessener Zurückhaltung“, erklärte Fraktionschef Florian Graf. „Ein weiteres Abtauchen des Regierenden Bürgermeisters ist bei dieser wichtigen Frage keinen Tag länger hinnehmbar.“ Die Union will den Vorgang um die Personalie Holm parlamentarisch aufarbeiten und fordert eine Sondersitzung des Hauptausschusses noch vor Weihnachten. Vor diesem Gremium sollten Müller und Lompscher „Rede und Antwort zu der Personalentscheidung stehen“, sagte Graf.
Das alles wäre vermeidbar gewesen, wie das Beispiel Brandenburg zeigt. Dort hatte die SPD in der rot-roten Koalition mit der Linkspartei schlechte Erfahrungen gemacht – und Konsequenzen gezogen. Das Bündnis war in den ersten Regierungsjahren ab 2009 von einer Reihe von Stasi-Enthüllungen in den Reihen der Linken im Landtag, aber auch bei Polizei und Justiz erschüttert worden. Der Landtag arbeitete mit einer Enquetekommission auf, was im Land mit dem Namenszusatz „kleine DDR“ nach der Wiedervereinigung schief lief beim Umgang mit Stasi-Spitzeln und dem DDR-Unrecht. Und es war der heutige Regierungschef Woidke, der 2011 noch als Innenminister die bislang härteste Linie zum Umgang mit früheren Stasi-Mitarbeitern bei der Polizei, vor allem einen Stasi-Check für Führungskräfte, gegen den Widerstand der Unterlagenbehörde durchsetzte. Eine Reihe von Beamten, die nach ihrer Übernahme aus der Volkspolizei ihre Spitzel-Tätigkeit verheimlicht hatten, wurde entlassen.
Stasi-Check für alle Führungsposten in Brandenburg
Auf Woidkes Druck hatte die Landesregierung 2012 für alle Führungsposten im Land einen Stasi-Check beschlossen. Selbst Linke-geführte Ministerien reagieren höchst sensibel auf Stasi-Vorwürfe und verfolgen eine klare Linie. Sozialministerin Diana Golze (Linke) entließ erst kürzlich den Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin fristlos. Der hatte sich auf den vakanten Direktorenposten beworben. Dass er im NVA-Militärkrankenhaus in Bad Saarow von 1988 bis 1989 einst Kollegen bespitzelte und als Inoffizieller Mitarbeiter seinem Führungsoffizier über Sex-Affären seiner Kollegen berichtete, verheimlichte er aber. Doch selbst ohne diese Lüge wäre er nicht Chef der Rechtsmedizin im Land geworden. Denn er obduzierte auch die Leichen von Maueropfern. Bekanntlich sind die Mauertoten von der DDR verschwiegen oder „legendiert“ worden. In Bad Saarow wurden auch Todesursachen, Totenscheine, kriminalistische Befunde und Obduktionsberichte gefälscht. Ob er dabei mitmachte, ist nicht bekannt.
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