Von Alexander Fröhlich: Haushalt: Opposition fordert von Platzeck Aufklärung Koalitionsfraktionen stellen sich hinter Finanzminister Markov / Opposition spricht von Verschleierung und Autoritätsverlust / Beamte wundern sich
Potsdam – Die aus dem brandenburgischen Regierungsapparat laut gewordenen Zweifel an der aktuellen Haushaltssperre bringen Helmuth Markov – erster Finanzminister der Linken überhaupt, zudem Vize-Chef der rot-roten Landesregierung in Brandenburg – in Bedrängnis. Das Finanzministerium wies diese Vorwürfe, Markov habe falsch gerechnet, zwar zurück, und verteidigte die Haushaltssperre als gerechtfertigt.
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Potsdam – Die aus dem brandenburgischen Regierungsapparat laut gewordenen Zweifel an der aktuellen Haushaltssperre bringen Helmuth Markov – erster Finanzminister der Linken überhaupt, zudem Vize-Chef der rot-roten Landesregierung in Brandenburg – in Bedrängnis. Das Finanzministerium wies diese Vorwürfe, Markov habe falsch gerechnet, zwar zurück, und verteidigte die Haushaltssperre als gerechtfertigt. Mitte August bekomme der Landtag wie jedes Jahr den Halbjahresbericht zum Haushalt vorgelegt, sagte ein Sprecher. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) reagierte sichtlich verärgert auf die Indiskretion führender Regierungsbeamter und einen PNN-Bericht darüber, wollte aber zur Sache nichts sagen. Doch die Opposition im Landtag fordert Konsequenzen.
CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig sieht dagegen Platzeck persönlich in der Pflicht, das „Mysterium des Finanzministers“ aufzuklären. Binnen weniger Monate unter der Ägide des Ministers „herrscht im Finanzbereich absolutes Chaos“.
Wie PNN berichteten, erheben hochrangige Mitarbeiter verschiedener Ministerien, selbst aus Markovs Ressort, schwere Vorwürfe. Die Anfang Juni, nur drei Wochen nach dem Landtagsbeschluss zum aktuellen Haushalt vom Finanzminister überraschend verhängte Haushaltssperre soll auf „dilettantischen“, „teils falschen“ und „nicht nachvollziehbaren“ Berechnungen des Ministers und eines Mitarbeiters beruhen.
Auf Ebene höherer Beamter in verschiedenen Häusern hat sich so viel Unmut über das Agieren des Ministers angestaut, dass nun interne Kritik nach draußen dringt, was in diesem Ausmaß völlig unüblich ist – ein klarer Affront. Aber in einigen Ressorts gehen die Experten in ihrer Einschätzung äußerst weit: Das von Markov entdeckte Etatloch in Höhe von etwa 460 Millionen Euro zum Stichtag Ende Mai existiere nicht. Markov habe sich verrechnet, als er zum Jahresende eine Lücke von 165 Millionen im 10,5-Milliarden-Haushalt prognostizierte.
Am Mittwoch teilte der Minister mit, derzeit seien „von der Haushaltssperre insgesamt rund 85 Millionen Euro betroffen“. CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig wunderte sich gestern, warum denn zur Sicherheit nicht Mittel in gleicher Höhe wie das vorausgesagte Minus gesperrt wurden. „Wie das funktionieren soll, weiß höchstens Herr Markov. Der Finanzminister scheint inzwischen völlig die Orientierung verloren zu haben“, sagte Ludwig den PNN. Sollten sich die Vorwürfe über ein rein fiktives zusätzliches Haushaltsloch bestätigen, müsse die Sperre umgehend aufgehoben werden, forderten auch die beiden anderen Oppositionsfraktionen von FDP und Grünen.
Die von der rot-roten Landesregierung verursachte Unsicherheit schade dem Land massiv. Fördergelder in Millionenhöhe seien eingefroren, EU-Mittel könnten nicht abgerufen werden, Investitionen stünden still, erklärte Ludwig.
FDP-Finanzexpertin Marion Vogdt warf Markov eine Verschleierungstaktik gegenüber dem Parlament zu den Gründen für die Haushaltssperre vor. Auch im Finanzausschuss habe Markov nicht erklären können, wie das angebliche Haushaltsloch entstanden sei.
Grünen-Experte Michael Jungclaus sprach von „undurchsichtigen Rechenschiebereien“ und einem beschleunigten Autoritätsverlust des in seinem Ansehen ohnehin schon angeschlagenen Finanzministers.
SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke nahm Markov dagegen in Schutz: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – das gilt auch für die Finanzpolitik.“ Haushaltssperren bestünden auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Auch Linke-Fraktionsvize Stefan Ludwig verteidigte seinen Genossen. Die in den PNN erhobenen Vorwürfe seien nicht haltbar, die derzeitige „haushaltswirtschaftliche Beschränkung“ sei berechtigt – sonst drohe „wirklich“ ein Haushaltsloch zum Jahresende.
Die Ursache für ein mögliches Loch, so Ludwig, dürfte dann zweierlei sein: Es fließe wegen der Rettung einiger von der Finanzkrise betroffener Landesbanken in vermögenden südwestdeutschen Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg von dort weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich gen Brandenburg, als im erst im Mai aufgestellten Landeshaushalt eingeplant. Das größte Risiko aber bestehe wegen des Abrechnungsskandals bei der Landesagentur für Struktur und Arbeit (Lasa), weshalb Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von 138 Millionen Euro dauerhaft ausbleiben könnten. Das Land müsste für diese EU-Programme auch den EU-Förderanteil selbst bezahlen, wenn das Sozialministerium nicht die schludrig geführten Lasa-Förderakten doch noch zur Zufriedenheit der EU aufbereiten kann.
Bis auf Baaskes Ressort haben die meisten Ministerien nach PNN-Informationen zum 30. Juni Halbjahreszahlen an das Finanzministerium gemeldet, die – nach dem alten Haushaltsansatz – weitgehend im Plan sind. Die Mittel der EU liefen regelmäßig ein, hieß es. Die CDU will sich jetzt im Haushaltsausschuss die Bilanz jedes Ministeriums einzeln vorlegen lassen.
Auf Markovs Klarstellung in einer Presseerklärung vom Mittwoch, wonach im Haushalt überhaupt nur 20 Millionen Euro für Investitionen gesperrt worden seinen, haben einige Ressorts nach PNN-Informationen am Donnerstag verwundert reagiert. Da auch dort der Minister bisher anders verstanden worden war, haben einige Häuser intern die Sperre für aufgehoben erklärt. „Wir hatten seinen Rechnungen deutlich höhere Sperrbeträge entnommen – nun geben einfach mehr Mittel frei“, sagte ein Haushälter den PNN. Man habe sich entschlossen, ab sofort immer jeweils das zu glauben, was der Finanzminister als letztes öffentlich erkläre. (mit pet)
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