Brandenburg: Heißluft in der vierten Dimension
Technik für ein weniger gewöhnliches Leben: Die Ifa hat eröffnet – ein Spaziergang
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Berlin - Im Grunde ist der Eindruck, den die bislang beeindruckendste aller Ifas erweckt, einfach zu beschreiben: Wer früher einen besonders schmutzigen Teller hatte, der schrubbte ihn per Hand blank; heute lässt er seine Spülmaschine im Internet nach einem geeigneten Programm suchen. Insgesamt sprechen die Experten vom „connected lifestyle“ was auf Deutsch ungefähr heißt: Ohne Vernetzung aller meiner Geräte kann ich mir das Leben nicht mehr vorstellen.
Warum ist diese Ifa so imposant? Es liegt wohl vor allem daran, dass es die erste mit „City Cube“ ist. Verriegelt und verrammelt liegt das ICC da, ein trauriger Haufen Altmetall, während im neuen Gebäude die Hölle los ist. Zum einen atmet die neue Eingangshalle Glamour von Weltformat, zum anderen gehört der gesamte Cube offenbar in eine andere, neue Welt. Massen von – überwiegend – Männern in dunklen Anzügen und mit Rollkoffern schieben sich hindurch, auf großen Bühnen schreien Präsentatoren durcheinander, werfen sich auf Englisch allerhand Superlative zu. Das alles ist in diesem Jahr in der Hand von Samsung, und es könnte so ohne jede Änderung natürlich auch in Peking oder Las Vegas stattfinden. Gerade hat Samsung-Boss Boo- Keun Yoon eine Rede zum Thema „Bringing Your Future Home“ gehalten, so ähnlich muss es gewesen sein, als Moses die Zehn Gebote präsentiert hat, nur eben damals noch ohne Vernetzung.
Aber das klingt alles nur so fern. Denn die Aussteller versuchen alles, um den ratlosen Berliner nicht zu verlieren. So gibt es auch eine „Guided Tour 60+“, die sicher noch gedeihen wird – am ersten Tag bestand sie aus einem Mann mit einem Wimpel, einer Ifa-Erklärerin und einem der Altersgruppe zugehörigen Ehepaar. Man kann als neutraler Beobachter auch Jüngeren nur raten, jede Navigationshilfe in Anspruch zu nehmen, denn die Regie hat es in diesem Jahr noch gründlicher verstanden, alle vertrauten Wege zu verstellen. Man läuft im Kreis, sucht den Ausgang, geht in die falsche Richtung, dreht wieder um. Besonders penetrant ist das bei den Haushaltsgeräten, wo es offenbar darum geht, den zahlreichen bekannten Köchen immer wieder dasselbe Publikum zuzuschieben – vermutlich gibt es kurz vor Hallenschluss eine Führung zum nächsten Ausgang.
Der Hauptzweck einer Publikumsmesse zum Thema Technik besteht darin, den Laien zu suggerieren, dass sie den ganzen Kram vom Vorjahr im Grunde schon wieder wegschmeißen können. Niemand redet mehr von den 3-D-Brillen, die gerade erst das heißeste Ding überhaupt waren, stattdessen drängen nun gebogene Fernsehgeräte ins Haus, dumm, weil wir doch gerade erst so viel Platz an der Wand für ihre flunderflachen Vorgänger freigeschlagen hatten.
Doch das sind kleinliche Einwände, es geht es um klare Fortschritte, die sich jedem Engländer oder Amerikaner unmittelbar erschließen. Nehmen wir nur den Satz „For a life less ordinary“, der uns den Weg in ein weniger gewöhnliches, selbstverständlich voll vernetztes Leben zeigen soll. Oder die Erkenntnis „Home is where your app ist“, der die erkennbare Orientierungslosigkeit vieler Handy-Junkies sehr schön auf den Punkt bringt. Und bitte: Wenn inzwischen in den Backöfen sogar die Heißluft schon in die vierte Dimension vordringt – was hat denn das meist schrecklich eindimensionale reale Leben dem noch entgegenzusetzen?
Bei Miele schaffen sie es an diesem Vormittag übrigens beiläufig, eine schmal gebaute Artistin in einer Waschmaschine unterzubringen. Es könnte sein, dass damit ein Stück Zukunft beschrieben wird: Leben in der Trommel? Egal. Hauptsache, wir sind drinnen voll vernetzt. Bernd Matthies
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