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Brandenburg: Hello, Lenin

In Finsterwalde gibt es einen Stadtpark. Darin steht ein Denkmal mit dem Relief Leníns, alt und verwittert. Behörden wollen den Genossen nun aufhübschen und unter Denkmalschutz stellen. Das sorgt für Ärger

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Beim Thema Lenin wird Anja Zajic einsilbig. Ohne Rücksprache mit ihrem Bürgermeister wolle sie sich zum Streit um das alte Denkmal im Finsterwalder Stadtpark, der sogenannten Bürgerheide, nicht äußern. Dabei ist Zajic nicht nur Stadtkämmerin, sondern auch die Stellvertreterin vom Stellvertreter des CDU-Rahhauschefs Jörg Gampe. Dieser ist aber im Urlaub und sein Vertreter am frühen Vormittag „bereits außer Haus“. Bevor sich Zajic also den Mund verbrennt, sagt sie lieber gar nichts. Andere sagen dafür umso mehr, etwa der brandenburgische CDU-Landtagsabgeordnete und Finsterwalder Stadtverordnete Rainer Genilke. Dass Lenin künftig unter Denkmalschutz stehen könnte, sei ein Skandal, wettert er. „Ich habe eine klare Position dazu, wie man mit dem Gedenken an Diktatoren umgeht“, sagt Genilke.

Seit der in Finsterwalde geborene CDU-Mann von den Plänen des brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege weiß, die Bürgerheide samt Lenindenkmal unter Denkmalschutz stellen zu wollen, ist er außer sich. „Sollte es über eine mögliche Sanierung des Denkmals zur Abstimmung kommen, werde ich meine Hand nicht heben“, kündigt Genilke vorsorglich an. Schließlich habe der ehemalige Vorsitzende der Kommunistischen Partei Russlands und spätere Regierungschef der Sowjetunion Blut an seinen Händen gehabt, Terror, Krieg und Konzentrationslager als Mittel für seine politischen Ziele genutzt.

Ralf Paschke vom Landesdenkmalamt kann Genilkes Empörung trotzdem nicht nachvollziehen: „Wir stellen einen Bürgerpark unter Schutz und nicht das Denkmal allein. Wir kämen gar nicht auf die Idee, ein Lenin-Denkmal unter Schutz zu stellen“, versichert der Leiter des Dezernats Inventarisation und Dokumentation im Landesamt. Beim Park selber handele es sich allerdings um eine „wunderbare Anlage aus den 20er-Jahren, die für das Volk gedacht war“. Mit der Einrichtung des Flugplatzes in direkter Nachbarschaft durch die Nazis sei die Bürgerheide in Heldenhain umbenannt worden. „Als der Flugplatz später von den Sowjets übernommen wurde, stellte man das Lenin-Denkmal auf und benannte den Park nochmals in Leninhain um“, berichtet Paschke. Nach der Wende sei der Name wieder in Bürgerheide gändert worden. Für den Historiker vom Landesamt ist das „ein wunderschöner Bogen der Geschichte“. „Wie versuchen, Gesichte möglichst in allen ihren Schichten zu dokumentieren. Deshalb begreifen wir die Aufstellung des Denkmals als einen Teil der Geschichte des Parks“, erläutert Paschke.

Tatsächlich könnte es sein, dass sich die Stadt Gedanken darüber machen muss, wie sie Genosse Wladimir Iljitsch Lenin aufhübschen kann. Denn das Denkmal müsse saniert werden, finden Experten im Landesdenkmalamt. Die Stadt solle bei der Unteren Denkmalschutzbehörde des Kreises einen entsprechenden Antrag mit passendem Sanierungs- und Finanzierungskonzept einreichen, heißt es.

Andere, wie die ebenfalls aus Finsterwalde stammende Linke-Landtagsabgeordnete Carolin Steinmetzer-Mann, sind ebenfalls für die Sanierung des 1959 eingeweihten Denkmals. Tatsächlich wirkt das aus mehreren Quadern bestehende Bauwerk etwas mitgnommen. Hier und da ist der Stein mit gelblich-grünen Flechten übezogen, hat ablaufendes Regenwasser schwarze Streifen hinterlassen. Auch das Profil Lenins hat schon einige Kratzer abbekommen. In Foren und Blogs zu Finsterwalde gehen die Meinungen zur Zukunft des Reliefs ebenfalls auseinander. Einige empfinden durch Genilkes Kritik ihre eigene Geschichte infrage gestellt, andere distanzieren sich klar von der Person Lenin. Das Argument der Befürworter, das Denkmal sei nun mal Bestandteil der Bürgerheide, lässt der CDU-Politiker aber nicht gelten. „Man könnte ja das Lenin-Denkmal aus dem Schutzstatus des Parks ausklammern“, so der 46-Jährige. Später lässt Finsterwaldes richtiger Bürgermeister und Parteifreund Genilkes, Glampe, doch noch eine Botschaft ausrichten – vermutlich sehr zur Erleichterung seiner stellvertretenden Stellvertreterin: Eine offizielle Anfrage des Landesamtes für die Unter-Denkmalschutz-Stellung Lenins liege noch gar nicht vor. Ohne die Zustimmung der Stadtverordneten werde in dieser Sache ohnehin nichts entschieden, lässt Gampe mitteilen.

Auch in anderen Orten Brandenburgs hat der Umgang mit Lenin in der Vergangenheit immer wieder für Ärger gesorgt. 2007 etwa wurde in Potsdam darüber gestritten, ob eine alte steinernde Lenin-Büste im Volkspark erhalten bleiben darf oder nicht. Damals hatte sich ebenfalls die CDU für Lenins Abschiebung starkgemacht. Die Büste steht nach Angaben der Stadt aber noch immer an Ort und Stelle. Unverrückbar auf dem Sockel steht Lenin noch an zwei weiteren Orten. Das größte Denkmal findet sich in Wünsdorf-Waldstadt, rund 40 Kilometer südlich Berlins. Hier wacht er in dem früheren Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte vor dem Haus der Offiziere und genießt wie die ganze Umgebung des einst streng abgeschotteten Areals an der B 96 Denkmalschutz. Die einstige Heeressportschule der Wehrmacht diente den Militärs mit dem Stern an der Mütze als Kulturhaus, Theater und Kino. Heute gibt es ab und zu Führungen durch diesen Teil des früheren Militärgeländes, das noch keine großen Veränderungen seit dem Abzug der russischen Truppen vor 20 Jahren erfahren hat.

Lenin grüßt auch im Luftfahrtmuseum Finowfurt, unweit der gleichnamigen Ausfahrt von der Autobahn A 11 Berlin-Prenzlau gelegen. Diese Statue des Mannes mit der Schiebermütze stand einst im nahen Eberswalde vor dem inzwischen abgerissenen Offizierskasino der russischen Streitkräfte. Es war am 8. Mai 1975 feierlich enthüllt worden. Außerdem ziert Lenin noch eine Mauer in der früheren sowjetischen Kaserne Vogelsang zwischen Zehdenick und Templin.

Good bye, Lenin? In Brandenburg noch lange nicht.

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