Brandenburg: Hier wird gemauert
Betroffene und Beteiligte sind empört über die Enthüllungen zum Investor an der East Side Gallery
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Berlin - Wer will noch mit Maik Uwe Hinkel zusammenarbeiten? Wer sollte es noch tun? Nach den Enthüllungen des Tagesspiegels, dass der Investor der East Side Gallery nicht nur für die Stasi, sondern auch für den KGB und später auch den Verfassungsschutz gearbeitet haben soll, wächst der Druck auf den Berliner Senat. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Bundeswehrbeauftragte Reinhold Robbe empfiehlt der Stadtregierung, nicht weiter mit Hinkel zu verhandeln. Die „kriminelle Persönlichkeitsstruktur“ sei offenkundig. „Es wäre ein Schlag ins Gesicht für alle Stasi-Opfer, die Herr Hinkel offensichtlich zu verantworten hat, wenn der Berliner Senat mit ihm jetzt noch Geschäfte machen würde“, sagte Robbe am Montag.
Robbe war vor dem Fall der Mauer öfter in der DDR zu Besuch – unter anderem in Zwickau, wo er Harald Schmutzler kennenlernte, der sich in der kirchlichen Friedensbewegung engagierte. Über Schmutzler habe Hinkel versucht, Robbes Aktivitäten und Kontakte auszuhorchen. Schmutzler geriet selbst ins Fadenkreuz der Stasi, er wurde inhaftiert und später freigekauft. „In dieser Tragweite hätte ich das nicht gedacht“, sagt Schmutzler nun über die Informationen, nach denen Hinkel auch für den KGB gearbeitet haben soll. Schmutzler lernte Hinkel in der Zwickauer Studentengemeinde kennen, es entwickelte sich eine Freundschaft, doch Hinkel habe ihn hinter seinem Rücken „ans Messer geliefert“, sagt Schmutzler heute. Hinkel hatte eine Stasi-Tätigkeit stets bestritten und darauf verwiesen, für einen „ausländischen Geheimdienst“ tätig gewesen zu sein.
Dass Hinkel noch beim KGB angeheuert hatte und sich wie berichtet nach seinem Auffliegen nach der Wende wohl vom BND „umdrehen“ ließ – das habe Schmutzler ihm „nicht zugetraut“. Als Motiv für Hinkel, Freunde zu verraten, vermutet er: Geld. „15 DDR-Mark bekam er damals pro Bericht, hochgerechnet auf 65 Berichte ist das schon was.“ Mit dem Geld der verschiedenen Geheimdienste kaufte sich Hinkel einen Trabbi; das belegen inzwischen veröffentlichte Stasi-Unterlagen. Heute fährt Hinkel einen Bentley. Zu den neuen Erkenntnissen wollte er sich auch am Montag nicht äußern.
Ganz anders Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen. Dessen Behörde hatte nach Medienrecherchen die Stasi-Akten Hinkels herausgegeben. „Die Akten sprechen ihre Sprache“, sagte Jahn am Montag dem Tagesspiegel. „Wegen der vielen Erkenntnisse ist es wichtig, die Stasi-Akten ernst zu nehmen – auch in diesem Fall.“
Die Opfer der Spitzelei tun dies auf jeden Fall. Hinkels damaliges Verhalten bewertet jedenfalls Schmutzler als „besonders perfide“. Dass Hinkel jetzt Luxusimmobilien baut und vertreibt, findet er trotzdem nicht verwerflich. Moralische Kategorien seien im Immobiliengeschäft fehl am Platz. „Das alles ist ja ein Vierteljahrhundert her, so etwas verblasst.“
Auch der Senat sieht keinen Grund, über Hinkel den Stab zu brechen. „Wir können das nicht bewerten. Wir erwarten von allen Beteiligten, dass sie zu ihren Zusagen stehen“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Hinkel sei nun mal der Eigentümer des Grundstücks an der East Side Gallery. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte im Frühjahr zugesichert, dass die Öffnung der East Side Gallery an Hinkels umstrittenem Luxuswohnprojekt „Living Levels“ wieder rückgängig gemacht werden soll. Die Gespräche für einen Kompromiss verlaufen seitdem ohne Ergebnis.
„Es ist außerordentlich bedauerlich, dass ausgerechnet an der East Side Gallery ein Stasi-belasteter Mensch bauen kann“, sagte Axel Klausmeier, Vorstand der Stiftung Berliner Mauer. Die Stiftung soll nach Überlegungen in Senat und Abgeordnetenhaus die East Side Gallery in ihre Obhut nehmen. Er könne nicht garantieren, dass nicht auch an der Bernauer Straße, im Umfeld der Gedenkstätte Berliner Mauer, Bauherren mit belasteter Vergangenheit tätig geworden sind, sagt Klausmeier: „Auch das ist Teil der Aufarbeitung unserer Geschichte.“ Und auch wenn man „die Vergangenheit nicht schönreden darf“, seien frühere Stasi-Mitarbeiter und Agenten nicht schon deshalb „gesellschaftlich völlig ausgegrenzt“ – sondern eben als „Autohändler, Bauträger oder in anderen Berufen“ wieder in die Gesellschaft integriert.Robert Ide,
Thomas Loy, Ralf Schönball
Meinung
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