Brandenburg: Indizien eines Mordes
Heinrich Scholl, der Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde, galt als Ehrenmann, als Macher der Region. Doch er soll seine Frau ermordet haben – er bestreitet die Tat. Nun soll ein Prozess Klarheit bringen
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Ludwigsfeld/Potsdam - Heinrich Scholl wird am heutigen Donnerstag ab neun Uhr auf der Anklagebank im Verhandlungssaal 8 des Potsdamer Landgerichts sitzen. Auch zahlreiche Bürger aus Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) haben sich angekündigt, um zu erfahren, ob ihr früherer Bürgermeister ein Mörder ist. „Es sind so viele Fragen aufgetaucht“, sagt der aktuelle Amtsträger Frank Gerhard. „Es ist ein Drama und für alle Ludwigsfelder eine bedrückende Situation.“
Es geht um eines der spektakulärsten Gewaltverbrechen in Brandenburg im vergangenen Jahr: Zwischen Weihnachten und Silvester 2011 wurde in einem beschaulichen Kiefernwald bei Ludwigsfelde eine strangulierte Frau gefunden. Es ist Brigitte Scholl, die Frau des Ex-Bürgermeisters. Auch ihr Cockerspaniel, mit dem sie in dem Waldstück häufig spazieren ging, war tot – ebenso mit einem Strick erdrosselt. Der 69-Jährige selbst gab bei der Beerdigung den trauernden Witwer. Vier Tage später, an einem Mittwoch im Januar, fast genau vier Wochen nach dem Fund der Leiche, nehmen Polizisten Scholl fest. Er steht unter Mordverdacht und sitzt seither in Untersuchungshaft.
Ab heute nun muss sich Scholl vor dem Potsdamer Landgericht verantworten. Die Anklage lautet auf Mord. Er soll seine 67 Jahre alte Frau heimtückisch umgebracht haben. Ihm steht ein langwieriger Indizienprozess bevor. Die Schwurgerichtskammer hat 29 Verhandlungstage eingeplant und will mehr als 70 Zeugen aus dem Umfeld des Ehepaares, der Polizei und Nachbarschaft hören. Nach dem bisherigen Terminplan könnte am 28. Februar 2013 das Urteil fallen.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft Potsdam hat sich die Tat folgendermaßen abgespielt. Scholl soll danach seine Ehefrau in der Mittagszeit am 29. Dezember 2011 in einem Waldstück, wo Brigitte Scholl regelmäßig mit ihrem Hund spazieren geht, von hinten mit einem Schnürsenkel um den Hals erdrosselt haben. Dann soll er ihr eine Plastetüte über das Gesicht gezogen und diese am Hals festgezurrt haben, dann mit der Faust zweimal ins Gesicht geschlagen haben. Schließlich soll er sie teilweise ausgezogen haben, sie mit Gras und Moos bedeckt haben. Alles sollte nach einer versuchten Vergewaltigung aussehen, sagen die Ermittler. Brigitte Scholl starb durch Erdrosseln. Zugleich geht es in dem Prozess auch um die Tötung des Hundes, Scholl ist wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz angeklagt.
Allerdings bestreitet Scholl die Taten. Und es gibt auch keine Zeugen. Also stützt sich die Staatsanwaltschaft auf Indizien. Am 29. Dezember meldete Scholl seine Ehefrau als vermisst. Er selbst beteiligte sich an der Suchaktion, fragte bei Nachbarn nach, ob sie seine Frau gesehen hätten. Einen Tag später wird die Leiche in dem Waldstück gefunden.
Auf die Spur kamen die Ermittler Scholl durch die Handydaten. Sein Mobiltelefon wurde zur Tatzeit in der Nähe des Fundortes der Leiche vom Netzbetreiber erfasst. Zudem kann sich die Staatsanwaltschaft auf DNA-Spuren vom Tatort berufen. Scholl dagegen sagte aus, zur Tatzeit in der Therme gewesen zu sein. Scholls Versuch, über eine Zeitungsanzeige in einem Wochenblatt Entlastungszeugen zu mobilisieren, schlug fehl. Darin hatte er um Mithilfe gebeten und gefragt, ob ihn jemand zur Tatzeit in der örtlichen Therme gesehen hat. Gemeldet haben sich nur wenige Zeugen, ein Alibi aber konnten sie ihm nicht geben. Zwar soll Scholl tatsächlich in der Therme gewesen sein. Die Ermittler gehen jedoch davon aus, dass der Auftritt dort geplant war. Ein durchschlagender Beweis für Scholls Schuld aber fehlt. Als Motiv nehmen die Ermittler das zerrüttete Verhältnis zur Ehefrau und Finanzsorgen an. Der SPD-Politiker Scholl war von 1990 bis 2008 Bürgermeister und hatte Ludwigsfelde mit seinen 24 000 Einwohnern zu einer florierenden Stadt gemacht. Die Kristall-Therme ist Europas größtes Hallen-FKK-Bad. Namhafte Unternehmen ließen sich nieder, Daimler-Benz produzierte hier, aber auch der Triebwerkshersteller MTU. Aus dieser Zeit rührt auch ein weiteres Verfahren gegen Scholl wegen Korruption. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat jetzt gegen Scholl parallel zu dem Mordverfahren Anklage wegen Vorteilsannahme in 35 Fällen erhoben.
Scholl war ein Machertyp, er hat der 24 000-Einwohner-Stadt zu einem bemerkenswerten Aufschwung verholfen, fühlte sich ganz oben auf, verhandelte mit Konzernmanagern, empfing im Schloss Genshagen die Bundesregierung und galt für die Landerspolitik als Kommunalpolitiker von Format. Nach dem Ende seiner politischen Karriere, nach dem Abtritt von seiner Ludwigsfelder Bühne fiel Scholl in ein Loch – und brach aus einem alten Leben aus. Im gemeinsamen Haus habe er sich nur noch geduldet gefühlt, habe sich durch das strenge Regiment seiner Frau gedemütigt gefühlt, berichten Ermittler. Zeugen erzählen über die Klagen des Mannes, dass seine Frau ihm alles verbiete, ihm vorschreibe, auf welches Klo er gehen müsse. Scholl suchte einen Neuanfang in Berlin, verliebte sich in eine Prostituierte, eine Thailänderin. Er tat alles für sein neues Glück, gab Unsummen für teure Geschenke aus . Brigitte Scholl wusste von der anderen Frau. Im Herbst kam Scholl zurück nach Ludwigsfelde. Wenige Wochen später war Brigitte Scholl tot. (mit dpd/dapd)
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