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Stasi-Debatte in Brandenburg: Jahn kritisiert Schöneburgs Absage an Stasi-Prüfung

Bundesbeauftragter fordert differenziertere Bewertung früherer Spitzel

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Potsdam - Der neue Stasi-Bundesbeauftragte Roland Jahn hat den widersprüchlichen Umgang Brandenburgs mit jüngsten Stasi-Fällen in Polizei und Justiz kritisiert. Er äußerte einerseits sein Unverständnis, dass Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) selbst in kritischen Einzelfällen eine mögliche neue Stasi-Überprüfung von Richtern ablehnt. „Es ist schade, dass der Justizminister die Chance nicht nutzt“, sagte Jahn den PNN. Zugleich erteilte er unter Verweis auf die Rechtslage den aktuellen Bestrebungen von SPD-Innenminister Dietmar Woidke aber eine klare Absage, 66 Wachen- und Schutzbereichsleiter auf eine Zusammenarbeit mit dem DDR-Geheimdienst überprüfen zu lassen. Solche Auskünfte seien nach dem geltenden Stasi-Unterlagengesetz nicht möglich, da Wachen- und Schutzbereichschefs keine Leiter eigenständiger Behörden seien, betonte Jahn: Lediglich der Polizeipräsident könne nach geltendem Recht auf eine frühere Stasi-Tätigkeit überprüft werden.

Dagegen hält Woidke, wie er am Donnerstag im Innenausschuss bekräftigte, weiter an seinem Vorhaben fest. Das Innenministerium habe eine andere Rechtsauffassung, sagte der Minister, der sogar rechtliche Schritte nicht ausgeschlossen hatte. Der Hintergrund: Bei der anstehenden Polizeireform müssen alle Führungsposten neu besetzt werden, Woidke will das Risiko von späteren Stasi-Enthüllungen vermeiden. Denn seit Wochen sorgen Stasi-Enthüllungen bei Polizei und Justiz in Brandenburg für Schlagzeilen. Für die Justiz hatte Schöneburg am Mittwoch neue Zahlen vorgelegt, wonach 13 von 843 Richtern einen Stasi-Hintergrund haben. Neun davon hatten den Wehrdienst beim Stasi-Wachregiment abgeleistet. Vier Berufsrichter waren in den 90er Jahren trotz bekannter früherer IM-Tätigkeit ernannt worden, weil die Kommissionen diese als weniger gravierend einstuften. Jahn wiederum wies darauf hin, dass Auskünfte aus den 90er Jahren wegen inzwischen besser erschlossener Aktenbestände sich deutlich von heutigen unterscheiden können.

Jahn beklagte zudem das Niveau der aktuellen Stasi–Debatte in Brandenburg, die nach jahrelangen Versäumnissen beim Umgang mit der SED-Diktatur aus seiner Sicht teilweise verkürzt geführt wird. Er komme sich „vor wie Anfang der 90er Jahre“, sagte Jahn, der einen differenzierten Umgang mit Stasi-Vergangenheiten Einzelner anmahnte. In Brandenburg müsse sich eine „differenzierte Bewertung“ durchsetzen, wie es in anderen Bundesländern bereits üblich sei. Auch früheren Stasi-Mitarbeitern „müssen wir eine zweite Chance geben, es geht um Menschen und um Schicksale“. Er wies darauf hin, dass Voraussetzung dafür ein ehrlicher, selbstkritischer Umgang von Ex-Stasi-Mitarbeitern mit ihrer Vita sei. Das Hauptproblem in Brandenburg sei, dass „sie nicht offen mit der Vergangenheit umgehen“. Um Stasi-Biografien bewerten zu können, „braucht es Wissen, was hat jemand gemacht“. Es gehe darum, „sich der Verantwortung zu stellen, Konsequenzen zu ziehen, aus dem, was jemand gemacht hat – das ist ein langer Weg“, sagte Jahn. „Mein großes Ziel ist die Versöhnung.“

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