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Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Brandenburg: Linke-Politiker unter Druck: Justizminister Ludwig hat ein Einsehen - ein bisschen

Als Stefan Ludwig in Brandenburgs Landesregierung wechselte, verlor seine Wahlkreismitarbeiterin ihren Job. Auf drei Gehälter wartete sie und verklagt jetzt den Linke-Politiker. Der Justizminister verhedderte sich im Klein-Klein. Jetzt will er doch zahlen.

Stand:

Potsdam - Nach wachsendem politischen Druck gibt Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) im Rechtsstreit mit seiner ehemaligen Mitarbeiterin nach. "Ich habe heute mit der Landtagsverwaltung vereinbart, dass sie die Gehälter, die für die Vollendung der Kündigungsfrist noch ausstehen, überweisen", sagte Ludwig am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Ich gehe bis zur Klärung des Streits dafür in Vorleistung - ich werde es also dem Landtag bezahlen." Ludwig erklärte, es gehe auch um ausstehende Gehälter von weiteren Mitarbeitern.

Nachhilfe von Axel Vogel (Grüne)

Am Dienstag hatte Axel Vogel, der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag Brandenburg, extra Anschauungsmaterial mitgebracht. Auf der turnusmäßigen Pressekonferenz am Dienstag im Landtag hielt er ein Exemplar der „Handreichung“ des Landtages in die Höhe, die jeder Landtagsabgeordnete von der Verwaltung erhält, wenn er ins Parlament einzieht. Darin sei auch ein „Musterarbeitsvertrag“ für Abgeordnetenmitarbeiter enthalten, den diese mit dem Landtagsabgeordneten abschließen, für eine Legislaturperiode. Der sei auch mit Erläuterungen versehen, sagte Vogel sarkastisch.

Und dann gab der Grünen-Fraktionschef einem Mann deutliche Nachhilfe in Politik und Führungsstil, der seit April 2016 immerhin Justizminister des Landes Brandenburg ist, ein Verfassungsminister: Stefan Ludwig, Jahrgang 1967, eigentlich ein erfahrener Landespolitiker. Er war von 1990 bis 2002 Landtagsabgeordneter, dann bis 2009 Bürgermeister in Königs Wusterhausen, danach bis zum Wechsel in die Landesregierung wieder im Landtag, zwischendurch auch mal Linke-Landeschef. Einer, der wissen müsste, was man tut. Und was man lässt.

Grüne: Ludwig ist politisch instinktlos

Anlass für seine Erläuterungen, sagte Vogel, sei das Arbeitsgerichtsverfahren zwischen „unserem derzeitigen Justizminister“ und dessen früherer Mitarbeiterin am Arbeitsgericht Cottbus. Die 60-Jährige hat Ludwig verklagt, weil ihr nach seinem Wechsel ins Kabinett Ende April 2016 und der Anfang Juni erfolgten Rückgabe seines Landtagsmandates plötzlich gekündigt wurde - und auch kein Lohn mehr gezahlt wurde. Die Mandatsrückgabe bei einem Ministeramt ist nicht vorgeschrieben, lediglich bei den Linken, wenn Abgeordnete ins Kabinett gehen.

Doch die 60-Jährige bekam danach nicht einmal die drei Monate Gehalt weiter, die ihr nach einem vorzeitigen Ende des Arbeitsverhältnisses laut Arbeitsvertrag mit Ludwig als Lohnfortzahlung von Juli bis September eigentlich zustehen. Der Minister wiederum sieht bislang die Landtagsverwaltung in der Zahlungspflicht. Er sei davon ausgegangen, dass die sich kümmere. Vogel kommentierte das so: „Es ist auch ein Stück politische Instinktlosigkeit, sich überhaupt auf so ein Arbeitsgerichtsverfahren einzulassen“, sagte er. „Rechthaberei gegen Rechthaberei zu stellen, auf Kosten von Mitarbeitern – das geht nicht.“

Tappt der Justizminister in die Fußstapfen seines Vorgängers Markov?

Die Mitarbeiterin habe schließlich einen Vertrag mit ihm abgeschlossen, es sei ihm unbenommen, danach eine Rückerstattung vom Landtag zu klären. „Ich habe das dumpfe Gefühl, dass ihm das Feingefühl für die Wirkung eigenen Handelns fehlt“, sagte Vogel weiter. „Und dass er auf dem besten Wege ist, in die Fußstapfen seines Vorgänger zu treten, dem an einer anderen Stelle auch das Feingefühl abhandengekommen war.“

Ludwig war Nachfolger von Ex-Minister Helmuth Markov (Linke) geworden, weil der so lange darauf beharrt hatte, wie rechtens und normal es sei, sich im Fuhrpark das Landes für den Transport eines Motorrades einen Transporter auszuleihen, bis es irgendwann zu spät war. Und Markov hatte vorher das Amt übernommen, weil ein anderer Linker zurücktreten musste: Dessen Vorgänger Volkmar Schöneburg hatte als Justizminister einen besonders direkten Telefondraht zu Häftlingen in der JVA Brandenburg gepflegt, die früher seine Mandanten waren. Und nun werden wieder Schlagzeilen vom Amtsinhaber produziert, diesmal von Ludwig.

CDU: Ludwig fehlt soziale Sensibilität

Die Haltung der Landtagsverwaltung ist jedenfalls klar: Ludwig hätte die Rechtslage kennen müssen, die an die Angeordneten ausgereichten Wegweiser oder Merkblätter seien eindeutig. Ludwig sei als Abgeordneter der Arbeitgeber seiner Mitarbeiterin gewesen. Zwischen seiner Ex-Mitarbeiterin und dem Landtag besteht "keine vertragliche Beziehung". Gibt ein Abgeordneter sein Mandat ab, erlischt im selben Monat der Anspruch, sich vom Landtag das Gehalt erstatten zu lassen. Aus Sicht der Verwaltung ist das wegen längerer Kündigungsfristen eine Regelungslücke im Abgeordnetengesetz, das derzeit wegen der kritisierten Diätenerhöhung überarbeitet werden soll. Im Bundestag etwa sind die Vorschriften für solche Fälle anders: Gibt dort ein Abgeordneter sein Mandat ab, zahlt der Bundestag die Löhne für Mitarbeiter drei Monate weiter. Nun gibt es auch im Landtag Überlegungen, das brandenburgische Abgeordnetengesetz entsprechend anzupassen.

Kritik an Ludwig kommt auch von der CDU-Opposition, die sich diese Vorlage nicht entgehen lässt. Es mag eine „Regelungslücke“, geben, die man mit der anstehenden Novelle des Abgeordnetengesetzes schließen könne, sagte Jan Redmann, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion: Es könne aber nicht sein, dass der Leidtragende eine Mitarbeiterin ist; dass Ludwig das Problem auf das „schwächste Glied in der Kette“ verschiebe. „Ludwig fehlt offenkundig soziale Sensibilität. Ich erwarte jedenfalls, dass man mit Mitarbeitern anders umgeht“, gerade von einem Politiker der Linken, sagte Redmann.

In der rot-roten Koalition herrscht Unverständnis über Ludwig

Doch selbst in den rot-roten Reihen bis in die Linke hinein schüttelt man über Ludwig den Kopf. Offiziell gab Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers Rückendeckung. Man werde das Thema im Präsidium ansprechen, da es Regelungsbedarf gebe. Klar sei, dass der Vollzug der Trennung von Amt und Mandat „weder zu Lasten von Mitarbeitern, noch von Abgeordneten gehen dürfe“. Auf die Frage, ob es in der Linke-Fraktion Kritik an Ludwig gab, antworte Christoffers ausweichend. „Es gab eine Diskussion über diese Regelungslücke.“ Mit der man so oder so umgehen kann.

Für einen Justizminister ist das Vorgehen, sich in Abhängigkeit eines Prozesses zu begeben, eine Niederlage zu riskieren, zusätzlich riskant. Einer, dem Rechtsfragen nicht fremd sein dürften und der dann in eine Regelungslücke des Abgeordnetengesetzes tappt, sieht nicht gut aus. Im nächsten Jahr muss er womöglich vor dem Arbeitsgericht in Cottbus erscheinen.

Fühlte sich der Justizminister eher der Linke-Parteisatzung als dem Recht verpflichtet?

Er hätte sich all das auch ersparen und anders vorgehen können: Er hätte mit Partei und Fraktion die Lage besprechen, seiner Mitarbeiterin die Kündigung übergeben – und dann drei Monaten weiter Abgeordneter bleiben können. Die Satzung der Linken verlangt nämlich, dass der Mandatsverzicht erklärt werden müssen, bevor man überhaupt für ein Regierungsamt nominiert wird.

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Offenbar fühlte sich Ludwig auch als Minister stärker an die Satzung seiner Partei gebunden als an geltendes Recht. Noch bevor er sein Mandat abgab, hat ihn die Landtagsverwaltung über die Rechtsfolgen seines Schrittes informiert – auch für seine 60 Jahre alte Mitarbeiterin.

Ludwig aber sieht sich offenbar im Recht und verteidigt sich mit juristischem Klein-Klein. Der Justizminister beruft sich auf eine Richtlinie des Landtags zum Umgang mit Mitarbeitern von Abgeordneten. Darin sind Kündigungsfristen für Mitarbeiter von bis zu sechs Monaten je nach Vertragslaufzeit festgehalten. Ludwig argumentiert, diese Richtlinie kollidiere mit dem Abgeordnetengesetz. Denn im Gesetz ist geregelt, dass die Zahlungen für Mitarbeiter zum Ende des Monats enden, in dem ein Abgeordneter sein Mandat abgibt. Die Kündigungsfristen aus der Richtlinie gingen über diesen zeitliche Begrenzung aber hinaus.

Versteht der DDR-Diplom-Jurist das Recht?

Dabei müsste der Minister, auch wenn er kein Voll-, sondern nur Wirtschaftsjurist mit DDR-Diplom ist, wissen, dass das Gesetz entscheidend ist, nicht die Richtlinie. Und dass es seine Aufgabe als Arbeitgeber ist, beides, Kündigungsfrist und Gesetzesvorgaben, in Einklang zu bringen – oder ansonsten die Konsequenzen zu tragen. Zumal bei aktuellen Ministerbezügen von 150 300 Euro im Jahr. Seine frühere Mitarbeiterin dürfte nach den Landtagsvorgaben bei bis zu 50 000 Euro pro Jahr liegen, brutto. Das sind im Monat etwa 2400 Euro netto. Die Abgeordneten dürfen aber auch weniger Zahlen, die Landtag gibt nur die Maximalvergütung vor.

Im Landtag fragt man sich nun, wie Ludwig die Klage, in die er seine Ex-Mitarbeiterin vor dem Arbeitsgericht faktisch gezwungen hat, erwidern will. Denn ein Gütetermin am vergangenen Freitag hat keine Einigung gebracht. Ein Sprecher des Arbeitsgerichtes Cottbus sagte, der Minister habe nun bis zum 20. Dezember Zeit, Stellung zu nehmen. Noch bleibt Ludwig hart. (mit dpa)

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DIE RECHTSLAGE

Nach Paragraf 8 des Abgeordnetengesetzes werden Mitgliedern des Landtags die Aufwendungenfür Beschäftigte in den Wahlkreisbüros erstattet. Diese Kosten werden allerdings laut Paragraf 19 nur bis zu dem Ende des Monats gezahlt, in dem das Mandat niedergelegt worden ist. Verantwortlich für den Mitarbeiter sind immer die Abgeordneten selbst, nachzulesen in einem für sie eigens angefertigten Merkblatt des Landtags. Darin heißt es: „Mit Vertragsabschluss kommt ein privatrechtliches Arbeitsverhältniszwischen dem Mitglied des Landtags und seinem Beschäftigten zustande. Die Verwaltung des Landtags ist keine Vertragspartei.“ In einem Mustervertrag heißt es zudem, die Kündigung eines Mitarbeiters wird wirksam mit dem „Tag des Ausscheidens des Arbeitgebers“, also des Abgeordneten.

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