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Brandenburg: Karnevalsprinzessin aus Polen

Deutschland und das Nachbarland profitieren von zehn Jahren EU-Mitgliedschaft und offenen Grenzen

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Potsdam - Wie eng Deutschland und Polen mittlerweile zusammengerückt sind, ist dem polnischen Botschafter in Deutschland bei seinem letzten Zahnarztbesuch bewusst geworden. In der Praxis im polnischen Stettin kümmern sich inzwischen jeweils zwei Ärzte aus Deutschland und dem östlichen Nachbarland um schmerzende Gebisse. Viele Patienten kämen aus Deutschland dorthin, sagte Jerzy Marganski am Dienstag in Potsdam. Gemeinsam mit Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), der auch Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit ist, erinnerte er an den Beitritt Polens zur Europäischen Union vor zehn Jahren.

Seit dem 1. Mai 2004 gehört die Republik Polen zur „Familie“ der EU-Staaten. Marganski sprach von einer „Erfolgsgeschichte“, Woidke von einem „Gewinn für beide Länder“. Als Beleg dafür bemühten der Botschafter und der Regierungschef etliche wirtschaftliche Kennziffern, etwa dass die Gesamtimporte Brandenburgs aus dem Nachbarland zwischen 2003 und 2013 um 290 Prozent gestiegen sind. 415 Projekte werden durch EU-Programme gefördert. Seit 2004 seien insgesamt 508 Millionen Euro von der EU geflossen, knapp die Hälfte davon nach Brandenburg. Auch im Tourismus gab es beachtliche Zuwächse: So wuchs die Zahl der Übernachtungen polnischer Gäste in Brandenburg im gleichen Zeitraum von 43 000 auf 151 000.

Für Woidke lassen sich die „guten deutsch-polnischen Beziehungen“ an einer weiteren Zahl ablesen: 12 000 Polen leben aktuell in Brandenburg. Vor zehn Jahren seien es noch 7000 gewesen. Allein in die Uckermark habe es 6500 polnische Bürger verschlagen. „In manchen Dörfern liegt der polnische Anteil bei über zehn Prozent“, erklärte der SPD-Politiker. In einem brandenburgischen Ort habe es bereits eine Karnevalsprinzessin aus Polen gegeben. Vor zehn Jahren habe es viele Vorbehalte und Ängste gegeben, die Polen könnten den Deutschen ihre Arbeitsplätze streitig machen oder ins deutsche Sozialsystem drängen, erinnerte der polnische Botschafter. „Keine der Befürchtungen hat sich bewahrheitet“, unterstrich Marganski. Polen sei für Deutschland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch ein wichtiger Partner geworden. Das Zusammenwachsen Deutschlands und Polens lässt sich auch im Alltag festmachen. So gibt es inzwischen mehr als 200 Partnerschaften zwischen Schulen in Brandenburg und Polen. Mehr als 2000 Schüler in Brandenburg lernen Polnisch als weitere Fremdsprache. Das deutsch-polnische Verbraucherinformationszentrum in Frankfurt (Oder) kennt beide Rechtssysteme und berät in Deutsch und Polnisch, wie die Leiterin Katarzyna Trietz sagte. Der erste grenzüberschreitende Busverkehr zwischen Frankfurt und Slubice zählte im vorigen Jahr 1000 Fahrgäste pro Tag. Laut der brandenburgischen Staatskanzlei wird 2014 mit insgesamt 400 000 gerechnet. Auch die Feuerwehren beider Länder arbeiten zusammen. Mittlerweile belegen immer mehr Einsatzkräfte Sprachkurse. Christian Thiele

Christian Thiele

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