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Brandenburgs Finanzminister wollte bis zur Landtagswahl 2019 keine neuen Schulden aufnehmen. Das dürfte nun schwierig werden.

© R. Hirschberger/dpa

Brandenburg: Kaum kalkulierbare Haushaltsrisiken

Brandenburgs Finanzplanung gerät durch die Flüchtlingskrise durcheinander. Für 2017 werden inzwischen Kosten von zwei Milliarden Euro erwartet. Finanzminister Christian Görke forderte mehr Unterstützung vom Bund.

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Potsdam - Angesichts der Flüchtlingskrise rechnet Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Linke) mit neuen Härten für den Landeshaushalt. Nach PNN-Recherchen rechnet das Ministerium bereits für das Jahre 2017 mit jährlichen Ausgaben von zwei Milliarden Euro, um Flüchtlinge unterzubringen und zu betreuen. Damit würde die bisherige Planung für die kommenden Jahren komplett in sich zusammenfallen. Aktuell beläuft sich der Doppelhaushalt für dieses Jahr auf fast 10,8 und für 2016 auf knapp 10,7 Milliarden Euro.

Görke selbst wollte die Zahlen am gestrigen Sonntag auf Anfrage nicht direkt bestätigen. „Das kann niemand sagen, wie sich die Prognose entwickelt“, sagte er den PNN und verwies auf jüngste Ereignisse wie die Einreise Tausender syrischer Flüchtlinge aus Ungarn in die Bundesrepublik. Gregor Gysi, noch Fraktionschef der Linke im Bundestag, sagte aber – offenbar abgestimmt mit seinen Genossen in Brandenburg – in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Ein Land wie Brandenburg braucht in zwei Jahren zwei Milliarden Euro für Flüchtlinge.“ Und auch die Haushälter der rot-roten Koalition gehen von dieser Summe aus.

Bisher war nur der BER ein Risikofaktor

Angesichts der guten Konjunkturlage und sprudelnden Steuereinnahmen und trotz Mehrausgaben für mehr Landesbedienstete war nach der bisherigen Strategie lediglich der Bau des Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld als Risikofaktor einberechnet worden. Durch die wachsende Zahl an Flüchtlingen und den dadurch steigende Ausgaben im Landeshaushalt gerät nun der Finanzplan durcheinander. „Die Konjunktur ist nicht unser Hauptproblem, sondern neben dem BER die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen“, sagte Görke. Es sei gut, dass Brandenburg eine Rücklage aufgebaut habe. Doch die darin verbuchten 600 Millionen Euro dürften bald aufgebraucht sein.

Wie berichtet wird nach neuesten Prognosen bis Jahresende mit der Ankunft von 25 000 Flüchtlingen in Brandenburg gerechnet, bundesweit mit 800 000. Die Zahl könnte aber weiter steigen. Selbst Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat bereits erklärt, dass er sogar bundesweit mit bis zu einer Million Flüchtlingen rechnet. Nach dem geltenden Verteilungsschlüssel unter den Bundesländern müsste Brandenburg dann bis Jahresende 31 000 Flüchtlinge aufnehmen.

Nachtragshaushalt wird für Brandenburg nötig

Bereits für dieses Jahr muss Görke im Haushalt nachsteuern. Am Donnerstag informiert er den Haushaltsausschuss des Landtags über überplanmäßige Ausgaben für die Zentrale Ausländerbehörde in Eisenhüttenstadt. Zudem wird wohl auch ein Nachtragshaushalt nötig sein. Zwar werde dies regierungsintern noch zu besprechen sein, „aber ich gehe davon aus, dass wir um einen Nachtragshaushalt nicht herumkommen“, sagte Görke. „Für dieses Jahr werden wir keinen Nachtrag benötigen.“ Allerdings sei die „Wahrscheinlichkeit eines Nachtragshaushaltes für 2016 nicht gering“. Tatsächlich rechnet die Koalition nach PNN-Recherchen damit, dass es schon ab November 2015, wenn die neue Personalplanung aufgelegt wird, auch einen Nachtragshaushalt geben wird. Görke, auch noch Linke-Landeschef hadert mit der Lage. Als bundesweit einziger Finanzminister der Linken wollte er unbedingt vermeiden, vor der nächsten Landtagswahl 2019 neue Schulden aufnehmen zu müssen. Und er wollte zeigen, dass ein Linker solide mit dem Geld wirtschaften kann.

Doch die Lage ist eindeutig: Im vergangenen Jahr waren 6300 Asylsuchende nach Brandenburg gekommen. In diesem Jahr wird sich ihre Zahl mindestens vervierfachen – und damit auch die Kosten. 2014 lagen die Ausgaben bei rund 75 Millionen Euro. Nun werden sie sich laut Görke sogar verfünffachen – also deutlich über 350 Millionen Millionen Euro liegen. Damit bezahlt werden die Unterbringung der Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung, in den Landkreisen und kreisfreien Städten, nötige Baumaßnahmen für zusätzliche Unterkünfte, für die Betreuung der Flüchtlingen und Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Finanzierung durch den Bund

Görke erneuerte angesichts der wachsenden Belastung seine Forderung nach einer dauerhaften Finanzierung durch den Bund. „Ich erwarte einen strukturellen Einstieg des Bundes“, sagte er. Bislang trage Brandenburg 95 Prozent aller Kosten selbst. „Da ist jeder Haushalt im Land und bei den Kommunen überfordert“, so Görke. Nötig seien 1000 Euro pro Monat und Flüchtling vom Bund, selbst dass wäre nach Angaben des Ministers nicht kostendeckend.

Auch Gregor Gysi beklagte, dass Brandenburg bisher pro Jahr nur 15 Millionen Euro vom Bund bekomme. Der Bund müsse hier die Kosten übernehmen. Andernfalls steige der Druck in den Kommunen derart an, „dass die rechtsextreme und rechtspopulistische Entwicklung, die wir ja jetzt schon haben, noch zunimmt“.

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