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Von Thorsten Metzner: Kein Ausschuss zur Aufarbeitung der Stolpe-Ära

SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke zog Antrag zurück / Enquete-Kommission soll SED-Diktatur aufarbeiten

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Potsdam - In Brandenburg wird es keinen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Stolpe-Ära geben. Die „Jamaika“-Opposition erteilte am Mittwoch dem überraschenden Vorschlag von SPD-Fraktionschef Dietmar Woidke eine klare Absage. Und Woidke, der hinter den Kulissen heftige Kritik aus den eigenen Reihen und der Staatskanzlei für seine Aussagen einstecken musste, machte selbst einen Rückzieher. Die Turbulenzen um den SPD-Fraktionschef sorgten bei der Opposition erst recht für Kopfschütteln.

„Die SPD ist in höchster Anspannung: Solche unabgestimmten Schnellschüsse dürfen nicht passieren“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. In der Sache ist sich die Opposition aus CDU, FDP und Grünen einig, dass es bei der angekündigten, heftig diskutierten Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur im Land Brandenburg, zur „Aufarbeitung der Aufarbeitung“, bleiben wird.

Als Alternative hatte Woidke am Vortag in den PNN überraschend einen Untersuchungsausschuss ins Spiel gebracht. Er begründete dies damit, dass die Opposition nach den bisherigen Verlautbarungen durch die geplante EnqueteKommission allein Vergangenes – etwa Ungereimtheiten bei der ersten Stasi-Überprüfung des Landtages 1991 oder die Übernahme von Stasi-Mitarbeitern in die Polizei – untersuchen wolle. Dies entspreche aber nicht dem Gesetz für Enquete-Kommissionen, die wesentliche „künftige Entscheidungen des Landtages vorbereiten“ müssen, sagte Woidke auch gestern. Was von der Opposition bisher gekommen sei, reiche allenfalls für einen Untersuchungsausschuss - den die SPD aber nicht beantragen werde, den sie nicht wolle.

Das klang am Vortag noch anders. Die Anregung zu diesem Weg, den Woidke dann öffentlich machte, war in der Fraktionssitzung vom SPD-Abgeordneten Andreas Kuhnert gekommen und dort ernsthaft diskutiert worden. Doch am Ende überwog bei führenden SPD-Politikern wohl die Sorge, dass die Assoziationen und Parallelen zum früheren Stolpe-Untersuchungsausschuss zu groß wären, der 1992 bis 1994 die Stasi–Kontakte des ersten Brandenburger Ministerpräsidenten untersucht hatte. Die SPD sieht, wie Woidke betont, keinerlei Grund, den Fall Stolpe neu aufzurollen. „Er ist der bestuntersuchteste Politiker Deutschlands.“

Auch die Opposition vermutet, dass Kalkül dahinter steckte, dass die SPD versuchen wollte, in der Eigendynamik der Stasi-Debatte um Rot-Rot die Initiative zu übernehmen. So verwies Vogel darauf, dass ein Untersuchungsausschuss für die Opposition schon deshalb nicht infrage komme, weil dieser keine Wissenschaftler heranziehen könne, die „historisch-kritische Sicht uns aber wichtig ist“. Zudem habe dieser im Unterschied zur Enquete-Kommission ein striktes Regularium „mit Mehrheitsentscheidungen“ – hier also einer rot-roten Dominanz. FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz sagte, es sei offensichtlich, dass Rot-Rot die Kommission am liebsten verhindern wolle, den Blick nach vorn scheue: „Ein Untersuchungsausschuss arbeitet die Vergangenheit ab, eine Enquete-Kommission hingegen gibt auch Empfehlungen für die Zukunft.“ Genau dies sei Anliegen der Opposition. Das Ergebnis der Enquete-Kommission könnten etwa Vorschläge für eine bessere Vermittlung des Themas an Schulen und Bildungseinrichtungen sein.

Dennoch gerät die Opposition selbst in Zugzwang, sich mit dem Auftrag der Enquete-Kommission nicht mehr einige Wochen Zeit zu lassen, wie es bisher vorgesehen war. Nun wird angestrebt, „Mitte Februar“ fertig zu sein. Inzwischen stehen auch erste externe Experten fest, die in der Kommission mitwirken sollen: Die CDU will den Journalisten Christian Booß, die Grünen-Fraktion den Historiker und Stasi–Experten Helmut Müller-Enbergs in das Gremium entsenden. Vorher sollen beide dem Vernehmen nach auch schon bei der Formulierung eines unangreifbaren Untersuchungsauftrages mitwirken.

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