zum Hauptinhalt
Unklare Zukunft. Vattenfall könnte Welzow-Süd II den Rücken kehren.

© dpa

Brandenburg: Kein Plan, keine Sicherheit – keine Kohle?

Vattenfall stoppt die Umsiedlungspläne für neue Tagebaue. Die Lausitz ist verunsichert

Stand:

Potsdam/Welzow - Politisch haben die Landesregierungen von Sachsen und Brandenburg alles getan, grünes Licht für neue Tagebaue gab es schon 2014, um die Jobs im Lausitzer Kohlerevier zu erhalten. Und denn hat der Energiekonzern Vattenfall in Sachsen die Umsiedlungspläne für den geplanten Braunkohlebau Nochten II bereits gestoppt. Und auch für den Tagebau Welzow-Süd II in Brandenburg steht nach PNN-Informationen ein Stopp bevor. Offiziell hieß es aus der Zentrale der Braunkohlesparte des schwedischen Staatskonzerns in Cottbus, ein Stopp der Umsiedlungspläne für Welzow-Süd II werde noch geprüft. In Sachsen wären 1700 Menschen und in Brandenburg 800 Menschen rund um das Dorf Proschim betroffen.

Selbst die Landesregierungen in Dresden und Potsdam wurden von dem Schritt überrascht. Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) forderte von Vattenfall eine rasche Fortsetzung der Verkaufsverhandlungen seiner Braunkohle-Sparte in der Lausitz. „Die Menschen in der Region brauchen jetzt schnell Klarheit, wie es weitergehen soll“, sagte er. Besonders verärgert reagierte Gerber, weil Brandenburgs Landesregierung zuvor in einmütiger Koalition mit der Bergbaugewerkschaft IG BCE und den Ländern Sachsen und Nordrhein-Westfalen erfolgreich Druck gegen die Klimaabgabe für ältere und besonders schmutzige Kohlekraftwerke gemacht hatte. Diese hätte dazu geführt, das bereits im Jahr 2017 Kraftwerke in der Lausitz hätten dicht machen müssen. Kritiker bezweifelten stets diese Planung von Vattenfall und Landesregierung. Nun will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die älteren Kraftwerke in eine Stilllegungsreserve überführen, die bei Bedarf reaktiviert und wieder ans Netz genommen wird – gegen Geld, aber auch mit Entlassungen.

Auf Unverständnis stößt deshalb, warum Vattenfall ausgerechnet nach Bekanntwerden des Kompromisses, der in den nächsten Wochen festgezurrt werden soll, einen Rückzieher macht. Gerber sagte, von dem Einsatz gegen die Klimaabgabe profitiere Vattenfall. Von dem Konzern, aber auch potenziellen Käufern der Kohlesparte sei zu erwarten, dass sie „zu seiner strukturpolitischen und sozialen Verantwortung für die Lausitz“ stehen.

Grund für den neuen Schritt sind die „unsicheren energiepolitischen Rahmenbedingungen für den Braunkohlenbergbau und die Stromerzeugung aus Braunkohle in Deutschland“, hieß es von der Vattenfallzentrale. Die Perspektiven für die Lausitzer Braunkohle hätten sich dramatisch verschlechtert. Eine positive Entwicklung ist derzeit nicht absehbar, hieß es außerdem. Auch der neue Kompromiss zur Abwendung der Klimaabgabe garantiere noch keine Planungssicherheit für einen neuen Eigentümer der Braunkohle- sparte von Vattenfall.

Wie berichtet will Vattenfall auf Grundlage der klimapolitischen Ziele des Konzerns und der Stockholmer Regierung die Kohlesparte verkaufen. Favoriten für den Kauf sind zwei Energiekonzerne aus Tschechien. Vattenfall schiebt die Entscheidung über die neuen Tagebaue nun den Käufern zu. Diese müssten „die energiepolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ für neue „Lausitzer Tagebaue bewerten und entscheiden, ob und in welchem Ausmaß die jetzt gekündigten Dienstleistungen weiterhin benötigt und erneut vertraglich gebunden werden“. Das begünstigt Vattenfalls Position für die Preisverhandlungen mit den Interessenten keinesfalls, bisher veranschlagt der Konzern zwischen zwei und vier Milliarden Euro.

Allerdings reiht sich der Stopp für Nochten ein in die Hiobsbotschaften, die seit Wochen in der Lausitz kursieren. Investitionen wurden faktisch gestoppt, eigene Dienstleister wurden schon verkauft. Für die Umsiedlung für Nochten II wurde nun regionalen Dienstleistern gekündigt, etwa Planern und Gutachtern.

Der Umweltverband Grüne Liga forderte Vattenfall auf, das Pokern um Nochten II zu beenden und das Projekt endgültig abzusagen. „Planungssicherheit für die Betroffenen ist nur mit einer endgültigen Entscheidung gegen den Tagebau Nochten II zu haben“, sagte René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus.

Verunsicherung herrscht auch in der südbrandenburgischen Stadt Welzow. „Wir brauchen Planungssicherheit, Stadtentwicklung ändert man nicht von heute auf morgen“, sagte Vize-Bürgermeister Rainer Schmidt. 800 von der Umsiedlung betroffene Bürger, aber auch die Beschäftigten bei Vattenfall wüssten nicht, wie es weitergeht.

Die Energieexperten des Grüne-Landtagsfraktion in Brandenburg, Heide Schinowsky, forderte von Vattenfall, die Unsicherheit für die betroffenen Anwohner zu beenden und die Pläne für neue Tagebaue endlich einzustellen. „Der Energiekonzern Vattenfall hat schon vor einiger Zeit erkannt, dass die Braunkohleverstromung auf längere Sicht keine Zukunft hat“, sagte sie. „Diesen Pfad muss das Unternehmen weitergehen.“ Auch die rot-rote Landesregierung müsse ihre Strategie ändern, verfolge aber „immer noch die antiquierte Strategie der fossilen Stromgewinnung“. Wenn das Kraftwerk Jänschwalde nun in eine Kraftwerks-Reserve komme, reiche die Kohle aus den bestehenden Tagebauen über 2030 hinaus. Nun müsse die Lausitz mit einem Fonds auf die Zeit nach der Kohle vorbereitet werden. Alexander Fröhlich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })