Brandenburg: Kein U-Ausschuss, nirgends
Sie gelten als schärfste Schwerter der Parlamente: Doch zum Flughafenskandal wird es wohl keine Untersuchungsausschüsse geben
- Thorsten Metzner
- Ulrich Zawatka-Gerlach
Stand:
Potsdam/Berlin - Es geht um Hunderte Millionen Euro, die der Steuerzahler für das Flughafen-Desaster aufbringen muss. Obwohl die Opposition in Berlin und Brandenburg großen Aufklärungsbedarf hat, wird es nach Informationen der PNN in beiden Ländern keine parlamentarischen Untersuchungsausschüsse geben; jedenfalls auf absehbare Zeit nicht. „Wir nehmen erst einmal Akteneinsicht und klären den Sachstand, soweit das möglich ist“, sagt etwa der Haushaltsexperte der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Jochen Esser. „Dann schauen wir, ob das ausreicht und wie es weitergeht.“ Auch die Linksfraktion will vorerst „alle Möglichkeiten ausschöpfen, die die Offenlegung der Akten bietet“, sagt deren Sprecherin Kati Seefeld. Auch die Piraten beließen es bisher bei der Androhung eines Untersuchungsausschusses. Alle drei Oppositionsfraktionen in Berlin wollen ihr weiteres Vorgehen miteinander absprechen. In Brandenburg ist die Zurückhaltung von CDU, FDP und Grünen, die hier Opposition im Landtag sind, zu dieser Frage ähnlich.
In beiden Parlamenten hat man nun erst einmal Gelegenheit, die vertraulichen Unterlagen der Flughafengesellschaft und dessen Aufsichtsgremien einzusehen. Senatskanzlei-Chef Björn Böhning bot allen Berliner Parlamentariern in einem Brief an, im Roten Rathaus in Protokolle und andere Papiere Einsicht zu nehmen, sie müssen allerdings unterschreiben, dass sie die Vertraulichkeit der Informationen wahren. In Brandenburgs Landtag wird dafür jetzt extra ein Lesezimmer eingerichtet.
Dass die Opposition in beiden Ländern zögert, wenn es um die Einrichtung eines BER-Untersuchungsausschusses geht, hat gleich mehrere plausible Gründe. Ein solches Gremium bindet erfahrungsgemäß viele personelle Kapazitäten. Und braucht Zeit. In Brandenburgs Parlament etwa stöhnen die Fraktionen schon jetzt wegen der Belastungen, sind längst an Grenzen gestoßen, müssen schon jetzt die Hinterbänkler ran: Hier arbeiten neben den regulären Ausschüssen schon drei Extra-Gremien – der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Krampnitz-Affäre und dazu noch zwei Enquetekommissionen, eine zum Umgang mit der DDR-Diktatur, eine zur Vorbereitung einer Kommunal- und Verwaltungsreform. In der Geschichte des brandenburgischen Parlamentes gab es eine solche Häufung noch nie.
So halten selbst Brandenburgs Grüne, die nie in einer Regierung waren und keine Rücksichten nehmen müssten, von einem BER-Untersuchungsausschuss derzeit nichts. Zudem sagt Grünen-Fraktionschef Axel Vogel, ein Untersuchungsausschuss würde „es der Regierung ermöglichen, auf Zeit zu spielen“. Dies würde für die erforderliche zügige Aufklärung sogar eher ein Hindernis sein. Ähnlich sieht es die CDU, wie der parlamentarische Geschäftsführer Ingo Senftleben sagt: Manchmal beschleiche ihn das Gefühl, als ob „eher die Regierung ein Interesse an einem Untersuchungsausschuss habe.“ Für die CDU stehe dies „momentan“ nicht zu Debatte.
Tatsächlich wäre ein solcher Ausschuss, ob in Brandenburg oder Berlin, bei realistischer Betrachtung erst nach der Sommerpause, wahrscheinlich sogar erst im Herbst arbeitsfähig. Ein Abschlussbericht würde frühestens nach einem Jahr vorliegen, dann ist der Flughafen BER voraussichtlich schon lange in Betrieb und das Interesse der Öffentlichkeit an den Ursachen der Eröffnungspleite und der Kostenexplosion möglicherweise nicht mehr besonders groß, das meiste auch so schon bekannt.
Zudem wäre es eigentlich geboten, die Aktivitäten zur Aufklärung der Flughafenpleite im Abgeordnetenhaus, dem Landtag Brandenburgs und im Bundestag zu koordinieren. Eigentlich müsste es parallel drei Untersuchungsausschüsse geben, was ein Novum in der Bundesrepublik wäre. Angesichts der unterschiedlichen Interessen und doppelten Rollen (CDU und Linke sind in den drei Parlamenten sowohl Regierung als auch Opposition) wäre es zudem ein schwieriges Unterfangen. Und es dürfte deshalb kaum möglich sein, in Untersuchungsberichten zu einer klaren, einheitlichen Einschätzung der Ursachen des Desasters und der politischen, unternehmerischen und personellen Konsequenzen zu kommen.
Sie wollen wissen, wie der Tag der BER-Eröffnung – dieser Sonntag – gelaufen wäre, wenn alles gepasst hätte? Die Kollegen vom Sonntag-Tagesspiegel haben die Antwort.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: