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Brandenburg: Keine „kleine DDR“ in Brandenburgs Medien Enquete-Gutachten: Zeitungen „nicht geschichtsvergessen“, aber DDR-Themen rückläufig und selten Berichte über Stasi-Opfer

Potsdam - Medien im Land Brandenburg, das lange als „kleine DDR“ galt, haben die SED-Diktatur nicht verdrängt – blicken aber immer seltener in die Zeit vor 1989 zurück. Das geht aus einem aktuellen Gutachten zu „Inhalt und Form der Berichterstattung“ von Tageszeitungen und des RBB-Fernsehens über die DDR seit 1991 hervor, das den PNN vorliegt.

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Potsdam - Medien im Land Brandenburg, das lange als „kleine DDR“ galt, haben die SED-Diktatur nicht verdrängt – blicken aber immer seltener in die Zeit vor 1989 zurück. Das geht aus einem aktuellen Gutachten zu „Inhalt und Form der Berichterstattung“ von Tageszeitungen und des RBB-Fernsehens über die DDR seit 1991 hervor, das den PNN vorliegt. Die 49-Seiten-Expertise wurde von einem Team um Professor Reinhold Viehoff (Universität Halle) für die Landtags-Enquete zur SED-Diktatur erstellt, wo sie nächsten Freitag beraten wird.

Nach der Langzeitanalyse sinkt die DDR–Berichterstattung Brandenburger Tageszeitungen nach dem 90er Gipfel ab, stabilisiert sich auf einem niedrigeren Niveau. Es sei damit zu rechnen, dass „diese Tendenz hält“, „auch in Zukunft auf diesem Niveau die DDR in den Tageszeitungen Brandenburgs präsent ist.“ Der Rückgang sei eine „Normalisierung“, wird „nicht als dramatisch, nicht als Geschichtsvergessenheit“ bewertet. Denn die Ursache seien mediale Gesetze, der wachsende „Abstand zum Kernereignis“, was gleichwohl ein Problem sei. Es sei fraglich, dass die in der Bevölkerung noch sehr präsente DDR „zu Recht publizistisch behandelt wird wie ein Erdrutsch oder Vulkanausbruch, für den sich niemand mehr interessiert“. Andererseits könne Publizistik „nicht auf bildungspädagogische Ziele umgestellt“ werden.

Obgleich weniger über die DDR berichtet wird, blieb seit 1991 der Anteil des Themas „Staatssicherheit“ über die Jahre stabil – mit etwa 15 Prozent der DDR-Beiträge. Einen Einbruch auf 8 Prozent gab es allein im Jahr 2006, in der Zeit der Großen Koalition in Brandenburg, was auf „Themenmüdigkeit“ nach der allgemeinen „(N)ostalgiewelle“ Anfang der 2000er zurückgeführt wird.

Exemplarisch waren für das Gutachten die drei größten Regionalzeitungen im Land unter die Lupe genommen geworden, Märkische Allgemeine (Potsdam), Lausitzer Rundschau (Cottbus) und Märkische Oderzeitung (Frankfurt). Man nahm „repräsentative Stichproben“ in den Jahren 1991, 1996, 2001, 2006 und 2011, 18 Ausgaben je Zeitung pro Jahr, ausgewählt per Losverfahren, was eine systematische und „abgesicherte Tendenzaussage“ für den Gesamtzeitraum garantiere. Mit knapp 600 Artikeln über die DDR in den 270 Ausgaben wurde man fündig – davon 36 Prozent 1991, 22 Prozent 1996, 17 Prozent 2001, 10 Prozent 2006 und 15 Prozent 2011. Beim RBB ist der Trend ähnlich.

Bei den DDR-Themen stehen an der Spitze die Kategorien „Personenbeiträge“ (106), Wirtschaft (99), Stasi liegt auf Platz vier von sieben Feldern. Die Personalisierung wird als Indiz für den Wandel der drei früheren SED-Blätter gesehen, da ein individualistisches Menschenbild in der SED-Diktatur nicht verankert gewesen sei. Man sehe den Einfluss einer nun „liberal(istischen) Logik der Presse.“ In gewissem Widerspruch dazu steht ein Stasi-Befund. „Opferschicksale werden in den Zeitungen kaum angesprochen“, heißt es da. Wenn über Stasi berichtet werde, dann vor allem über Täter. Auch hier lägen die Ursachen in der „Medienlogik“, nicht im DDR-Thema. Auch in Berichterstattung zu Kriminalfällen stehe meist der Täter im Mittelpunkt, da gebe es „keine erkennbare Abweichung“. Das Fernsehen schaffe es eher, Geschichten der Opfer zu erzählen. Und solange „die übergroße Mehrheit des adressierten Publikums sich selbst als Opfer der Zwangsverhältnisse im ,System DDR’ versteht und verstehen kann, solange ist der Nachrichtenwert gering“, so eine gewagte These: „Wenn jeder Opfer sein könnte, ist nur der Täter eine Information Wert.“

Das Medien-Gutachten warnt, dass bereits eine Generation heranwachse, die die DDR nicht mehr erlebt habe. Wegen Wissensdefiziten drohe eine mentale Kluft zwischen den Generationen: Deshalb, so das Petitum, sollte man publizistische Initiativen entwickeln, um jungen Leuten die fremde DDR der Eltern und Großeltern bekannt zu machen. „Das sollte nicht nur unterhaltenden Medien überlassen werden.“

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