Brandenburg: Keine Lust aufs Wahllokal
In den 15 Gemeinden des Amtes Neuhausen durfte nur der Kreistag gewählt werden – da blieben die Menschen zu Hause
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In den 15 Gemeinden des Amtes Neuhausen durfte nur der Kreistag gewählt werden – da blieben die Menschen zu Hause Von Claus-Dieter Steyer Neuhausen. Der ahnungslose Besucher der Gemeinden zwischen Gallinchen, Komptendorf und Neuhausen zwischen Cottbus und der Talsperre Spremberg hätte gestern von den Kommunalwahlen nichts mitbekommen. Nur beim aufmerksamen Spaziergang hätte er vielleicht vereinzelte Plakate von PDS und FDP wahrgenommen. Aber sonst deutete hier nichts auf die Stimmabgabe hin. Die Menschen blieben nicht nur wegen des Regens zu Hause. „In unseren 15 Gemeinden boykottieren sie mehrheitlich die Kommunalwahl“, erklärte der Direktor des immerhin 12 000 Einwohner zählenden Amtes Neuhausen, Dieter Perko, die sonntägliche Ruhe. „Maximal 15 bis 20 Prozent werden ihren Stimmzettel abgeben.“ Die Menschen regten sich einfach über den Amtsschimmel zu sehr auf. Der ist natürlich Gesprächsthema vor der Dorfgaststätte im kleinen Dschiernitz, zwischen den Bundesstraßen 97 und 115. „Da haben irgendwelche Experten im Innenministerium die Landkarte hergenommen und sich eine Großgemeinde zusammengebastelt“, erzählt ein Mann um die Fünfzig. „Aber uns selbst hat man nicht gefragt, ob wir mit den Nachbarn überhaupt zusammengehen oder lieber andere Partner wollen.“ Stichworte wie „Entscheidung am grünen Tisch“ und „Politik von oben herab“ fallen in der kleinen Gruppe, die sich zum Frühschoppen-Bier verabredet hat. Obwohl sich das Wahllokal direkt vor der Theke befindet, wollen drei der vier Männer nicht abstimmen. „Da stehen ja nur die Namen für den Kreistag drauf. Unsere eigenen Leute im Dorf können wir gar nicht wählen“, winkt ein älterer Mann ab. Tatsächlich wurden gestern im ganzen Amt Neuhausen weder die Vertretung der neuen Großgemeinde noch die Ortsbürgermeister gewählt. Das Verfassungsgericht hatte die Stimmabgabe gestoppt, weil die im Gesetz vorgeschriebene Anhörung der Bürger vor der Gründung einer Großgemeinde versäumt worden war. Innenministerium und Landrat geben sich gegenseitig die Schuld dafür. Der Termin für die Nachansetzung der Wahl steht noch nicht fest. Erst muss das Verfassungsgericht über die Klagen von drei Gemeinden gegen die zwangsweise Eingemeindung nach Cottbus entscheiden. Sie gehörten bislang zum Amt Neuhausen. Im Frühjahr wird es vielleicht soweit sein. Dann sind die sich nun in der Amtsverwaltung türmenden Wahlzettel wertlos. In den direkt an die Autobahn nach Forst grenzenden Orten Groß Gaglow, Kiekebusch und Gallinchen, die zusammen auf 5600 Einwohner kommen, war gestern viel von einer „verwirrenden Situation“ die Rede. „Wir gehören ab Montag zwangsweise zu Cottbus, aber für den ganzen Verwaltungskram ist weiter das Amt Neuhausen zuständig“, schimpfte Marcus Richter vor dem Kino in Groß Gaglow.
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