Stasi-Debatte: Keine neue Überprüfung für die Richter
Landtag stimmt mehrheitlich gegen Grünen-Antrag. Platzeck spricht von „skandalisierter Aufarbeitung“
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Potsdam - Brandenburgs Richter werden nicht erneut auf Stasi-Verstrickungen überprüft. Im Landtag erhielt Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) am Mittwoch für seinen regierungsintern nicht unumstrittenen Veto-Kurs die Rückendeckung der Koalitionsfraktionen. Mit Mehrheit von SPD und Linken abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der Grünen für einen Stasi-Check der Richterschaft. Den fordern nach Enthüllungen in der Justiz auch CDU, FDP sowie die Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe und der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn. In der emotionalen Stasi-Debatte prallten Opposition und Regierung heftig aneinander.
Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) warnte vor einem „Generalverdacht“ gegen die 800 Richter, gegen alle Ostdeutschen im öffentlichen Dienst. Er beklagte, die „skandalisierte Aufarbeitung“ erzeuge „ein falsches Bild von Brandenburg“, als seien die „Hebel der Macht alle in Stasi-Händen.“ Die seien aber „zu 90 Prozent“ mit Demokraten westdeutscher Herkunft besetzt. In der Richterschaft gehe es um 0,5 Prozent mit einem früheren Stasi-Hintergrund, „alles bekannte Fälle“. Platzeck zitierte Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) aus dem Jahr 1990, dass Deutschland die Kraft zur inneren Aussöhnung haben müsse, um nicht eingerissene Mauern wieder aufzubauen. Damals sei er anderer Meinung gewesen, heute unterschreibe er das. Der SPD-Abgeordnete Andreas Kuhnert, selbst Stasi-Opfer und auf Internierungslisten des DDR-Geheimdienstes, sagte, dass es gerade „nach einer friedlichen Revolution keine Revanche“ geben sollte, dass auch das „Prinzip der zweiten Chance“ gelten müsse. „Viele Opfer warten noch auf ihre erste Chance“, widersprach CDU-Vizefraktionschef Dieter Dombrowski, der wegen versuchter Republikflucht im Cottbuser Stasi-Gefängnis saß. „Die Menschen haben einen Anspruch zu wissen, wer das Gewaltmonopol ausübt und wer im Namen des Volkes Recht spricht.“ Und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel verwies darauf, dass nur durch eine Überprüfung Vertrauen in die Justiz gewahrt werden könne. „Es geht gerade um Vermeidung eines Generalverdachts“.
Alle Oppositionsredner prangerten den widersprüchlichen Regierungsumgang mit Stasi-Fällen in Polizei und Justiz an, da im Gegensatz zu Schöneburg Innenminister Dietmar Woidke (SPD) sogar die Rechtslage ändern will, um eine nach dem Bundesgesetz nicht mögliche Überprüfung von Polizeiführern zu erreichen. „Ist ein Richter, der seine Verstrickungen verheimlicht hat, womöglich weniger gefährlich als ein erpressbarer Polizeibeamter?“, so Vogel. CDU-Rechtsexperte Danny Eichelbaum forderte „Transparenz statt Vertuschung.“ Die Justiz sei hochsensibel, da dort „über Menschenschicksale entschieden“ werde. CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig sagte, Brandenburg habe den Ruf vom „Stasi-Land“ nicht verdient. Die Union musste sich freilich von Platzeck und SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher die Untätigkeit ihrer Justizminister in den Jahren der Großen Koalition (1999 bis 2009) vorhalten lassen. Ex-Justizministerin Beate Blechinger (CDU) rechtfertigte diese damit, dass es damals keine Anhaltspunkte gegeben habe.
Da wo Überprüfungen möglich sind, wie bei Richtern, sollte man dies tun, erklärte die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Sonst verabschiede sich Brandenburg vom Geist des Stasi-Unterlagengesetzes. Als der sonst auf Stilfragen Wert legende Regierungschef dies unter Verweis auf ihr Alter als „süß“ bezeichnete, wies ihn Teuteberg in die Schranken. „Ich weiß um Ihre Biografie und habe doch das Recht, andere Schlüsse zu ziehen. Eine Deutungshoheit kommt Ihnen nicht zu.“ Nachdenklich erinnerte Teuteberg daran, dass es voriges Jahr einen Konsens im Landtag gab, sich konsequenter der Vergangenheit zu stellen. „Ich habe das Gefühl, dass wir davon wieder abrücken. Haben wir das Leid der Opfer schon wieder vergessen?“ Als einzige Rednerin der rot-roten Koalition gestand Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser zumindest teilweise Versäumnisse im Umgang mit der SED-Diktatur in den Aufbaujahren ein, nämlich die Vernachlässigung der SED-Opfer, die in der Enquete-Kommission des Landtages inzwischen nachgewiesen wurde. „Lassen Sie uns gemeinsam“, sagte Kaiser, „ bessere Bedingungen für Menschen schaffen, die in der DDR gelitten haben“. Nach 20 Jahren sei dies „peinlich genug.“
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