zum Hauptinhalt
Klimaproblem. Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde von oben. Mit einer konkreten Strategie zum Kohleausstieg lassen sich Bund und Land noch Zeit.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Keine Perspektiven

Die Bundesregierung will den Kohleausstieg, kommt aber nur langsam voran. Konzepte für den Wandel gibt es weder auf Bundes- noch auf Landesebene

Stand:

Potsdam/Berlin - Beim Strukturwandel in der Lausitz und anderen Braunkohlerevieren kommt die Politik auf Bundes- und Landesebene nur langsam voran. Obwohl die Lausitz Energie Bergbau AG (Leag) mit ihrem Revierkonzept bereits die Pläne für neue Tagebaue eingestampft und das absehbare Ende des Kraftwerks Jänschwalde verkündet hat, haben die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen bisher keine strukturpolitischen Perspektiven für die Lausitz entwickelt und der Bundesregierung übermittelt.

Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Potsdamer Grünen-Abgeordneten Annalena Baerbock hervor. Auf die konkrete Nachfrage, ob und welche Perspektiven die beiden Bundesländer denn erarbeitet haben, antwortete der Energiestaatssekretär Rainer Baake ausweichend. Denn auch der Bund agiert zurückhaltend.

Zwar sieht der im November von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzplan 2050 zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes (CO2) vor, dass eine Kommission des Bundes eingesetzt werden soll, um den Strukturwandel „frühzeitig und kreativ“ zu gestalten und damit „abrupte Strukturbrüche in den Regionen zu vermeiden“. Die Kommission soll einen „Instrumentenmix für den Strukturwandel“ entwickeln. Doch mit ihrer Einsetzung lässt sich der Bund noch Zeit. Sie soll erst Anfang 2018 – auf jeden Fall nach der Bundestagswahl im September – ihre Arbeit aufnehmen und Ergebnisse zum Jahresende vorlegen.

Immerhin hat das Bundeswirtschaftsministerium bereits eine Stabsstelle für den Strukturwandel in den vier Braunkohleregionen eingerichtet. Doch an anderer Stelle hakt es: Die Bundesregierung hatte zwar angekündigt, mit Regionalfonds die Schaffung neuer Arbeitsplätze und den Strukturwandel weg von der Braunkohle zu unterstützen. Doch bislang stehen die Regionalfonds nur auf dem Papier. Nach welchen Kriterien Geld wofür fließen soll, darüber ist noch nicht entschieden. Und mit den seit 2016 bereitstehenden jährlich vier Millionen Euro aus dem Energie- und Klimaschutzfonds zur Unterstützung des Strukturwandels soll ab diesem Sommer zunächst einmal ein Ideenwettbewerb ausgetragen werden.

Dabei gibt es in der Lausitz durchaus bereits örtliche und regionale Initiativen. Nur fehlt bislang ein klares Programm, ein Leitbild der Region und der Landesregierung für die Zukunft – auch für die Beschäftigten der Leag. Immerhin haben Lausitzer Kreise und Städte in Brandenburg und Sachsen bereits eine gemeinsame Wirtschaftsregion gegründet, beide Länder wollen die Wirtschaftsförderung in der Region noch stärker gemeinsam steuern. Bürgermeister und Handwerkskammern hätten sich schon selbst auf den Weg gemacht, „damit die Region am Ende nicht mit leeren Händen dasteht“, sagt die Grünen-Politikerin Baerbock.

Eine klare Strategie aber lässt weiter auf sich warten. Dabei hatte der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, bereits vor Jahren gefordert, die Landesregierung müsse einen „Plan B“ für die Zeit nach der Kohle entwickeln. Nun hinkt sie hinterher. Wie sehr, zeigt das im Frühjahr vorgelegte Revierkonzept der Leag: Kein Tagebau Jänschwalde-Nord, vorerst keine Entscheidung für Welzow-Süd II, der derzeit aber auch nicht wirtschaftlich wäre, ein stark abgespeckter Tagebau Nochten II und das Ende des Kraftwerks Jänschwalde 2033.

Derweil spricht Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) gern von Willkür, wenn es um den Umgang der Bundespolitik mit Braunkohle geht. Worin die Willkür liegt, darüber gibt es wenig zu hören. Bislang werden in den nächsten Jahren lediglich zwei von sechs Blöcken des Kraftwerks Jänschwalde vorläufig vom Netz genommen und gegen viel Geld als Notreserve behalten.

Für die Grünen-Politikerin Baerbock ist es auch eine Frage der klaren Sprache: Bei der Bundesregierung, besonders aber der SPD, fehle das klare Bekenntnis zum Kohleausstieg, also zur Ursache für den Strukturwandel im Revier. Stattdessen gebe es nur Symbolpolitik. Es sei höchste Zeit, das Bundes- und Landesregierungen „die klimapolitische Notwendigkeit eines Kohleausstiegs offen kommunizieren“. Selbst besagte Kommission führt ihn nicht im Namen, sie heißt: „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“.

Und während Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) noch in Verteidigungsstellung verharrt, den Neubau von Kraftwerken für kein Tabu hält und die Entscheidungen der Lausitz Energie Bergbau AG bedauert, hat das Unternehmen selbst Fakten geschaffen. Aus dem Unternehmen selbst ist zu hören, die Wirtschaft reagiere rationaler als die Politik auf die Umstände. Dennoch gehe es auch um eine soziale Frage: Wohin mit den vielen Beschäftigten aus der Lausitzer Braunkohle? Für eine Antwort darauf dürfe man jedenfalls nicht die Augen verschließen, findet Grünen-Politikerin Baerbock. Es gehe nicht um Willkür, sondern um die Umsetzung des Klimavertrags von Paris und der Klimaziele der Bundesregierung. Nun müsse auch die Landesregierung „endlich eine Mitverantwortung für diesen Transformationsprozess übernehmen und ihn politisch gestalten“, so Baerbock.

In ihrer Anfrage zitierte sie auch die Leag, die bei Vorstellung ihres Revierkonzeptes der Bundespolitik vorwarf, „Deutschlands Klimaziele im Wesentlichen auf dem Rücken der Braunkohle ... erreichen“ zu wollen. Die Bundesregierung antwortete knapp, 80 Prozent der CO2-Emissionen aus dem Energiesektor stammten von der Kohle. Wer den Ausstoß senken will, müsse also die „die Kohleverstromung schrittweise“ reduzieren. Alexander Fröhlich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })