zum Hauptinhalt

Von Lars Spannagel und Alexander Fröhlich: Keine volle Energie – aus Angst vor Nazis

Nach Protesten: Cottbus schickt zumindest einige Spieler der zweiten Mannschaft nach Storkow

Stand:

Storkow/Cottbus – Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gab in der letzten Landtagssitzung vor der Wahl das Ziel vor: „Ich möchte, dass wir alles dafür tun, dass dieses Land eine No-Go-Area wird, und zwar für Nazis.“ Ausgerechnet einer der renommiertesten Partner im Kampf gegen Rechtsextremismus im Land, Bundesliga-Absteiger FC Energie Cottbus, macht nun einen Rückzieher. Der Verein, der sonst gern die „Rote Karte gegen Rassismus“ zeigt, hat, wie gestern bereits berichtet, ein für Sonnabend geplantes Testspiel gegen den FSV Germania in Storkow (Oder-Spree) abgesagt, weil die rechtsextremistische NPD dort demonstriert. „Die Sicherheit unserer Spieler und Fans ist nicht gewährleistet“, erklärte Energiesprecher Ronny Gersch gestern dieser Zeitung. „Wir sind nicht Täter, sondern Opfer einer politischen Lage.“ Schwer enttäuscht zeigte sich hingegen der Germania-Vorsitzende Johann Kney: „Die Begründung der Absage ist an den Haaren herbeigezogen, da muss man viel Phantasie entwickeln.“

Gastgeber Germania hält am Sonnabend ein Fußballfest ab, Motto: „Mit Energie für Toleranz“. Energie aber fährt nur auf Sparflamme. Nachdem Finanzminister Rainer Speer (SPD) interveniert hat, schickt der Verein zumindest acht Spieler der zweiten Mannschaft nach Storkow, die gemeinsam mit Kickern des SV Babelsberg 03 auflaufen. Speer ist Präsident des Regionalligisten.

Auslöser war ein offener Brief des NPD-Landesvorsitzenden Klaus Beier, auch Handzettel ließ er in Storkow verteilen. Die Braunen fühlen sich angesprochen von dem Motto. Bei den Kommunalwahlen 2008 erzielte die NPD in der Stadt ein Ergebnis von 7,3 Prozent, in einigen Wahllokalen fast ein Viertel der Stimmen. In dem bereits Anfang Mai verfassten Brief versuchte Beier Germania Storkow sogar zu erpressen. Würde Vereinschef Kney ein anderes Motto wählen, wäre die NPD „gesprächsbereit, damit das Fußballfest auf rein sportlicher Ebene zelebriert werden kann“.

Kney ließ sich nicht darauf ein, selbiges wurde von Energie Cottbus erwartet. „Es ist vollkommen unmöglich, dass man in einer solchen Situation kneift, da muss die Mannschaft hinkommen. Ich hätte mehr Rückgrat erwartet“, sagte Finanzminister Speer. Zudem sei die Polizei instruiert. Tatsächlich sehen sich die Sicherheitskräfte gut vorbereitet. 200 Beamte begleiten den Zug der NPD mit 150 angemeldeten Teilnehmern. Die Vorgaben sind streng, die Route festgelegt. Hinzu kommen Beamte, die die Gegendemonstration mit 400 Teilnehmern begleiten. Aufgerufen hat dazu das Bündnis „Tolerantes Storkow“.

Erst am Montag hatte es eine Platzbegehung gegeben, Bürgermeisterin Christina Gericke, das Landeskriminalamt und Energie-Geschäftsführer Frank Duschka waren da. Kney sagt, Duschka habe Bedenken gegenüber den Sicherheitsvorkehrungen geäußert – aber auch gegenüber potenziellen gewaltbereiten eigenen Fans. Duschka habe „rumgeiert und rumgegurkt“, berichtet Kney, woraufhin er den Cottbuser Geschäftsführer vor den Konsequenzen einer Absage gewarnt habe: „Wenn ihr nicht antretet, tretet ihr auch zu dem Thema nicht an.“ Nach einer Präsidiumssitzung sagte Cottbus das Spiel schließlich ab. „Das ist genau das, was sich die NPD wünscht. Die sitzen da und grinsen sich eins“, so Kney.

Energie-Sprecher Ronny Gersch nannte Vorwürfe, Energie habe auch aus Angst vor den eigenen Fans abgesagt, „absurd“. Gersch wirft den Storkower Organisatoren vor, den FC Energie nicht sauber informiert zu haben. Die Cottbuser hätten lediglich für ein Testspiel im Rahmen eines Sportfests zugesagt: „Erst als uns der Brief der NPD vorlag, haben wir erfahren, wie das Motto der Veranstaltung lautet.“ Die Absage habe nichts mit fehlender Zivilcourage zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. „Wenn 200 Meter von einem uneingefriedeten Sportplatz eine NPD-Demo stattfindet, kann man nicht Fußball spielen.“

Allerdings hatte zuvor Dieter Friese (SPD), der im Verwaltungsrat des FC Energie sitzt und Landrat in Spree-Neiße ist, der „Lausitzer Rundschau“ zufolge gesagt: „Wenn dort NPD-Leute mit Energie-Schals herumlaufen, dann heißt es gleich, unsere Fans seien Neonazis.“ Diese Bilder habe man Fotografen und Fernsehkameras nicht liefern wollen. Friese war gestern nicht zu erreichen. Aus seinem Büro hieß es gestern, den Berichten sei nichts hinzuzufügen. Beobachter der Szene erklärten, Energie Cottbus rechnete damit, das rechtsextreme Ultras, also extrem gewaltbereite Fans, mitreisen würden. Die Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ teilte mit, man habe Energie darüber aufgeklärt, worum es in Storkow geht – auch über die NPD.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })