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Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: Kommunen erteilen Bund eine Absage
Regelung für Wohnkosten bei Hartz IV wird abgelehnt. Kopfschütteln über Quadratmeter-Begrenzung
- Matthias Matern
 - Alexander Fröhlich
 
Stand:
Berlin/Potsdam - Die neuesten Überlegungen der Bundesregierung zur Regelung der Wohnkosten von Hartz IV-Empfängern stoßen im Land Brandenburg weitgehend auf Ablehnung. Während der Vorschlag aus dem Bundesarbeitsministerium, den Kommunen per Satzungsermächtigung künftig die Festlegung pauschaler Zuweisungen für die Unterkunftskosten zu ermöglichen, nur als unpraktikabel kritisiert wird, sorgen angebliche Pläne der Gemeindefinanzkommission, bestehend aus Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden, für kollektives Kopfschütteln. Medienberichten zufolge hat die Arbeitsgruppe „Standards“ der Kommission vorgeschlagen, den Wohnraumanspruch alleinstehender Hartz IV-Empfänger von derzeit 45 Quadratmeter auf 25 Quadratmeter zu senken, um die von den Kommunen zu tragenden Kosten der Unterkunft zu mindern.
Im brandenburgischen Sozialministerium war am gestrigen Montag nichts von konkreten Vorschlägen der Arbeitsgruppe „Standard“ bekannt. Das Ressort von Minister Günter Baaske (SPD) hat eigenen Angaben zufolge gestern lediglich eine E-Mail des bayerischen Sozialministeriums erhalten. Der Freistaat vertritt die Länder federführend in der Gemeindefinanzkommission. „Aus dem Stegreif können wir das nicht bewerten. Fest steht nur, dass eine Satzungsermächtigung eingeführt werden soll“, sagte Gabriel Hesse, Sprecher des Sozialministeriums in Potsdam. Demnach sollen Kommunen „gewisse Regelungen“ zur Unterkunft selbst treffen können. Details wie etwa Wohnungsgrößen für Hartz IV-Empfänger seien in dem Papier nicht aufgeführt. „Wir werden schauen, ob das umgesetzt wird“, sagte Hesse. „Änderungen im Sozialgesetzbuch II muss der Bundestag beschließen, das ist jetzt einer von vielen Vorschlägen.“ Im Juni haben 285 656 Menschen in Brandenburg Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten. Von diesen sogenannten Hartz IV-Empfängern waren 221000 erwerbsfähig und im Alter zwischen 15 und 65 Jahren, teilte das brandenburgische Arbeits- und Sozialministerium mit.
Fehlanzeige ebenfalls beim brandenburgischen Städte- und Gemeindebund, der in der Gemeindefinanzkommission durch seinen bundesweiten Dachverband vertreten ist. „Mir liegt dazu nichts vor. Es kann sein, dass so ein Vorschlag in der Arbeitsgruppe diskutiert wird“, sagte gestern die stellvertretende Geschäftsführerin des Bundes in Brandenburg, Monika Gordes.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hingegen kritisierte die durchgesickerte Idee gestern als „realitätsfremd und unsozial“. „Der Vorschlag weist den Weg zurück in die Zeit von Notunterkünften und Heimen. Außerdem gibt es nur noch wenige Wohnungen dieser Größenordnung“, sagte BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern. In den 50er und 60er Jahren seien solche kleinen Wohnungen noch verbreitet gewesen. „Die sind längst alle umgebaut und zusammengelegt worden“, ergänzte BBU-Sprecher David Eberhart.
Für die uckermärkische Kreisstadt Prenzlau etwa geht der BBU von nur etwa sieben Prozent Ein-Zimmer-Wohnungen am Gesamtbestand aus, davon viele größer als 25 Quadratmeter. In Potsdam liegt der Anteil von Ein-Zimmer-Wohnungen laut BBU derzeit bei etwa elf Prozent.
Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller hält die Idee der Quadratmeter-Begrenzung deshalb für „absurd“. „Es gibt keine 25 Quadratmeterwohnungen in der Stadt. Außerdem reden wir hier von Menschen und nicht von Bausteinen.“ Sie sei schon „erstaunt, was sich die Bundesregierung Schönes“ ausdenke, um die finanzielle Belastung für die Kommunen zu mindern, so Müller. Dabei habe der Bund doch in den vergangenen Jahren seinen eigenen Anteil an der Wohnkosten-Finanzierung immer mehr abgeschmolzen. „Vor fünf Jahren hat der Bund immerhin noch knapp 30 Prozent beigesteuert. Jetzt sind es gerade noch 23 Prozent“, ärgerte sich Müller.
Potsdams Sozialdezernentin zufolge wurden 2009 in der Stadt knapp 37 Millionen Euro Unterkunftskosten übernommen. In Frankfurt (Oder) seien es ebenfalls „mehrere Millionen“ im Jahr, so Katja Wolle (SPD), Bürgermeisterin und Sozialdezernentin. Von den rund 60 000 Einwohnern seien etwa 12 000 Hartz IV-Empfänger. „Die Menschenwürde beginnt auch beim Wohnraum. Eine Herabsetzung der zugesprochenen Quadratmeterzahl ist völlig absurd“, bemängelte Wolle.
Auch die sogenannte Satzungsermächtigung, die den Kommunen vor allem die aufwändige individuelle Berechnung der Unterkunftskosten ersparen und damit ebenfalls Kosten senken soll, hält Wolle für überflüssig. „Die Arbeit ist uns nicht zu viel und eine Form der Ehrlichkeit.“ Bei Pauschalen würden die Härtefälle, stets durch das Netz fallen.
Auch Elona Müller aus Potsdam verzichtet gerne auf die vorgeschlagenen Pauschalen. „Wenn wir die Pauschale zum Beispiel auf monatlich 250 Euro festsetzen, die Miete eines Beziehers aber nun mal bei 320 Euro liegt und keine andere Wohnung zu bekommen ist, fördern wir entweder die Schwarzarbeit, oder es droht die Obdachlosigkeit“, beschrieb Müller ein mögliches Szenario.
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